Schura schlenderte durch die Hauptstraße. Er bemerkte ein hübsches Mädchen, das auf einer Bank sitzend ihn mit großem Interesse betrachtete. Da fühlte Schura sich unter diesen Blicken geschmeichelt. Er dachte, dass er nicht umsonst seine einzige Jeans momentan trug. Diese Jeans schenkten ihm seine Eltern. Selbst war er nicht imstande, die zu kaufen, weil die drei seine Monatslöhne am Schwarzmarkt kosteten. Schura war es bekannt, dass er in Jeans ausgesprochen imposant aussah, besonders im „Dorf“, wie er Schachty nannte. Er ging schon dreimal am Mädchen vorbei. Es gefiel ihm, aber er wusste nicht, wie er es kennenlernen sollte. Am vierten Vorbeigang verstand das Mädchen sein Problem und fragte ihn nach Feuer. Schura war sehr erleichtert und sie rauchten zusammen. Das Mädchen, dessen Name zufällig Lena war, sagte, dass sie als Verkäuferin im naheliegenden Laden arbeitete. Schura seinerseits erzählte ihr über wichtige Arbeit, die er fürs Institut erfüllte. Ein Wort gab ein anderes und so kamen sie zu zweit in einen Laden, kauften „Solnzedar“ und Schmelzkäse (die oben genannten Klassiker), danach landeten sie irgendwie in einer Datscha (für diejenigen, die keine DDR-Erinnerungen haben – Schrebergarten), die Mädchens Eltern gehörte. Nachdem alles getrunken und gegessen war, versuchte Schura sein Glück. Doch weiter als Petting kam es nicht. Das Mädchen hatte nichts dagegen und war einverstanden. Sie spielte das Ritual wie es sein sollte, sagte „Nein“ wo es zu einer anständigen Dame gehörte, aber sie trieb nicht über. Sie machte es so, wie sie es immer machte. Diesmal ohne Ergebnis. Schura wurde die Regeln nicht bekannt. So quälten sie sich die ganze Nacht durch. Am Morgen, verschlafen und erschöpft, vereinbarten sie noch ein Treffen, diesmal in Schuras Hotel.
Die kluge Lena besprach den traurigen Fall mit ihren Freundinnen und es wurde entschieden, dass sie selbst ihr Schicksal in Hände nehmen musste. Sie kam wie versprochen ins Hotel, küsste Schura kurz, ohne Umschweife zog sich und ihn aus und warf Schura aufs Bett. Dann erlebte Schura das, was er noch nie im seinen Leben erlebte und was er keineswegs mit seiner Frau wiederholen wollte. Das alles entsprach Schuras Vorstellungen von Orgien der alten Römer (heutzutage wilder Sex genannt). Drei Stunden später lagen sie kraftlos im Bett und rauchten. Dann zog sich Lena an, versprach Morgen zu kommen und ging weg.
Schura duschte sich und sichtete erschreckt einen Knutschfleck am Hals. Das könnte seine Lena entdecken! Er mied die Skandale wie es nur möglich war. Was sollte er nun tun? Jedes Glied seines Körpers tat weh, und besonders ein besonderes Glied. Schura wurde plötzlich bewusst, dass ein neues Treffen mit Lena (andere Lena, nicht die Frau) zu einem Fiasko führen könnte. Er konnte nicht mehr! Er brauchte eine Pause, am liebsten einen Urlaub. Und was würde Lena dann sagen, wenn er versagt? Und was sagt Lena (die Frau, nicht die andere Lena)? Nein, so was soll niemals passieren! Schura zog sich an, nahm seinen Koffer, bezahlte die Hotelrechnungen und fuhr nach Rostow zurück. Seine verschlafene Frau sah ihn überraschend an, weil er in drei Tagen kamen musste. Schura erzählte irgendeinen Unsinn und schlich ins Bett. Weitere zwei Wochen verbrachte er in totalem Zölibat, in Pyjama schlafend. Schura schwor sich, dass er nie mehr Seitensprung machen würde. Er hielt sein Wort. Schura hasste unvorhersehbare Abenteuer. Er brauchte keine Frau zur linken Hand.
Auf einmal zerbrach die Sowjetunion. Als erste Folge wurde Schura entlassen, dann seine Eltern, dann Schwiegervater. Zum ersten Mal im Leben hatten Schura und Lena kein Geld, um zu leben. Die Pflege des Kindes übernahmen Opa und Oma, aber sie waren nicht imstande, noch dazu um Schura zu kümmern. Jobs, die Schura und seine Gattin fanden, konnten sie nicht ernähren. Weil die Familie es nicht daran gewöhnt war, Geld zu sparen, traf sie die erste Finanzkrise sehr hart. Manchmal hungerten sie. Aus dem dunklen Tal des Leidens rettete sie ein Glücksfall: Schura entdeckte ein Inserat, wo geschrieben stand, dass man `ne Pflegehilfe für die Arbeit in England brauchte. Man versprach volle Pension und noch fünfzig Pfund monatlich dazu. Schura besprach begeistert den Vorschlag mit seiner Frau. Hundert Pfund waren damals eine große Summe. Hundert Pfund gefiel Lena auch und sie dachte, dass sie die Gunst der Stunde in England auch gut nutzen könnte. Nur eine klitzekleine Hürde stand der Karriere zukünftigen Pflegehelfer im Wege – sie waren kein Englisch so richtig mächtig. Aber wer interessiert sich dafür? Man könnte sich mit Gestik genauso gut verständigen. Am nächsten Morgen liefen sie zur Agentur, unterschrieben den Vertrag für ein halbes Jahr. Sie wurden verpflichtet, um eine alte Lady, die im Londoner Vorort wohnte, zu kümmern. Zu ihrem Glück suchte alte Lady genau zwei Pfleger.
Die Agentur erledigte ihre Angelegenheiten im Handumdrehen und in einem Monat, erschöpft und verängstigt, standen sie im Flughafen Heathrow. Sie waren noch nie im Ausland und die Gefühle überwältigten sie. Beide hatten keine Ahnung, was sie weiter machen sollten. Dann sahen sie einen Mann in indischer oder pakistanischer Kleidung, der ein kleines Schild hielt. Am Schild schrieb man mit Hand Ogelevky. Niemand kam auf dem Mann zu und das Ehepaar zu guter Letzt kapierte, dass der Mann auf sie wartete, was auch der Fall war. Sie kamen ins Gespräch und der stellte sich vor als Atanas Nalbandjan, der Geschäftsführer der Arbeitsvermittlungsagentur. Taktvoll verschwieg der Geschäftsführer, dass er der einzige Angestellte der Agentur war. Schura und Lena konnten ihn schlecht verstehen. Sie verstanden Queen's English nicht besonders gut und ganz und gar nicht dieses Cockney, gesprochen vom diesen Pakistaner oder Inder. Wie dem auch sei, sie kamen mit ihm zu seinem Auto. Mit so altem Gerümpel hätte sogar in Russland niemand fahren gewagt, aber Atanas zeigte ihnen durch heftige Gestik und noch heftigere Rede, die er auf eine für ihnen unbekannte Sprache hielt, dass alles O.K. wäre. Es dauerte eine gute Weile, bis sie an das Ziel kamen. Sie stiegen vor einem zweistöckigen Haus, das mit grüner Farbe gestrichen war, aus. Der Geschäftsführer der Agentur stellte sie ihrer Arbeitgeberin vor und war gleich futschikato.
Das war ein typisches englisches Haus. Es hatte drei Stöcke, war aber nur drei Meter breit. Die Küche und alle andere Utilities waren im Grundgeschoss, Mrs.Thetchler residierte im ersten Stock und sie dürften den zweiten Stock nehmen. Da waren noch Zeiten, als man Russen überall liebte, wenn auch das heute nur schwer vorstellbar ist. Mrs.Thetchler liebte Russen auch, obwohl sie niemals in ihrem Leben einen einzelnen von ihnen sah. Russische Literatur, als auch die gesamte Kultur, gingen wohl an ihr vorbei. Sie war aber froh, dass Russen sich von Kommunismus befreiten. Weil sie so lange unterm barbarischen Joch waren, dachte sie, dass es Russen an guten Manieren und allgemeine Kultur mangeln sollte. Mrs.Thetchler konnte nicht dem ganzen Russland eine Wohltat erweisen, aber ein paar Menschen zu zivilisieren wäre es möglich. So meldete sie sich vor kurzem bei Agentur von Mr.Nalbandjan, erkundigte sich über die Bedingungen. Die Preise begeisterten sie. Mrs.Thetchler bekam eine Pension für ihren verstorbenen Mann und konnte sich ein Dienstmädchen nicht leisten. Aber wenn es Russen wären... Für zwei hundert Pfund könnte sie doch zwei haben. Vielleicht würden sie nicht so geschickt, wie ein englisches Dienstmädchen, nun zu zweit könnten sie gewiss alles erledigen (dieses englische Dienstmädchen wäre sowieso ein dunkelhäutiges Mädchen – es ist alles Jacke wie Hose). XX XXX XX XXXXXX XXX XXXX XX XXX XXXXXXXXX XX XXX XXXX XXXXXXXX XXXXXX.
Mrs.Thetchler empfing ihre neue Hilfskraft vor der Tür, sagte kurz Hallo und schickte sie in die Küche. Zuerst musste man diese Bären in ihre Schranken weisen. Kurz und bündig, mit strenger Stimme, teilte sie ihnen den Plan der Veredelung von Wilden. Der Plan beinhaltete die Formierung der Angewohnheit zum sparsamen Leben (dazu ließ sie spezielle Zähler einbauen, die die Benutzung von Heizung, heißes und kaltes Wasser, Strom nur gegen Einwerfen von Münzen ermöglichen). Der nächste Punkt konzentrierte sich auf richtiges Essen, das auf einzige gute Küche, nämlich, englische Küche, basieren sollte (man weiß nie, was sie da in Russland so was zum Essen haben!). Der dritte Punkt thematisierte die richtigen Manieren, die man per tägliche Übungen beibringen musste. Die zu bekehrenden Russen schauten sie mit breit geöffneten Augen. Sie verstanden überhaupt nichts. Mrs. Thetchler sprach Cockney und so viele Worte beinhaltete Nogilewskij's Thesaurus sowieso nicht. Das war aber nicht von Bedeutung. Mrs. Thetchler zeigte den Russen ihr Zimmer und Zählerbedienung. Dann verlangte sie von ihnen in einer Stunde in der Küche zu sein. XXX XXXXX XX XXX XXX XX XXXXXXXX XX XXX XXX XX XXX XXX XXX XX XXXXXXXXXXXXX XXXX XX XXX XXXXXXXXX XX XXX XXX XXX XX XXXX XXXXXXXXX XXXXXXXXXX XX.