Литмир - Электронная Библиотека
A
A

Die Prinzen können frei in der Öffentlichkeit lachen und weinen, und sie können es dulden, wenn andere in ihrer Anwesenheit dasselbe tun. Sie wissen, dass wenn man weint, braucht man das aus irgendwelchen Gründen und versucht es nicht, weinenden gleich zu trösten.

XXXXXX XXXX XXX XXXX XX XXXXXXX XXX XXXXXXXXXXX XX XXX XX XXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXX XX XXXX XXX XXXX XX XXXXX XX XXX XXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXX XX.

Die Prinzen fürchten es nicht, über sich selbst nachzudenken. Damit geht es nicht um schlaflose Nächte, wenn man sich quellt mit Warum bin ich so unglücklich? oder Warum passiert das alles ausgerechnet mir? sondern sie reflektieren über ihre Möglichkeiten und Grenzen. Sie kennen ihre Grenze, ihre Kenntnisse, und sie tun es nicht so, als ob sie alles wissen. Es ist normal, nicht alles zu wissen.

Die Prinzen können bewundern oder lieben andere Menschen, aber sie lassen diese Menschen nicht ihr Leben bestimmen. Prinzen gehören niemandem. Sie laufen von seiner Vergangenheit nicht weg und sie versuchen es nicht, die Zukunft zu meiden. Sie erinnern sich gut daran, was früher war, wissen Bescheid, was momentan passiert und interessieren sich dafür, was noch kommt. Wenn ihnen etwas in ihrem früheren, jetzigen oder kommenden Leben nicht gefällt, dann modifizieren sie das. Die Prinzen planen gern sein Leben, sind aber keineswegs Sklaven seiner Pläne. Sie können die neu gestalten, wenn die Umgebung anders wird.

Die Prinzen versuchen immer das zu tun, was ihnen Freude macht. Wenn sie doch gezwungen sind das zu machen, was keinen Spaß bringt, dann finden sie die Wege heraus, um notwendige Veränderungen zu unternehmen. Falls alle ihre Bemühungen umsonst sind, dann machen sie nicht weiter, sondern suchen eine andere Tätigkeit. Dabei beherrschen sie Selbstdisziplin, um „jetzt und hier“ etwas nicht besonders attraktives zu tun, was später das Vergnügen bringt. Sie genießen ihre Leistungen und fühlen keine Schuld daran. Sie beneiden andere Menschen um nichts und leiden nicht an Selbstzufriedenheit.

>>><<<

Heute will Alina ein kaukasisches Mittagessen zubereiten. Es soll Hammelfleisch mit getrockneten entsteinten Aprikosen sein. Man schneidet Hammelfleisch in kleinen Würfel und kocht es auf halber Flamme im Topf vor. Danach seiht man die Bouillon durch. Hammelfleisch soll man auf der Pfanne in Bratbutter noch braten, dann in Topf wieder legen, genauso wie gebratenen Zwiebel, Salz, gebratene Tomaten, Pfeffer und im Voraus gequollene getrocknete Aprikosen ohne Steine. Man gießt noch durchgeseihte Bouillon und kocht das Gericht fertig. Der Geschmack ist fabelhaft. Dazu passt „Schwarze Anna“ – ein Bier mit seiner Dunkelholzfarbe und sahnig malzigen Charakter, natürlich, leicht warm, um würzigen Geruch zu verstärken.

Lügendetektor - _1.jpg

1.13.txt

Sischa Wjagin hebt das Metzgerbeil mit seiner rechten Hand und hackt Schweinekadaver mit voller Kraft. Sischa ist einer der besten Metzger am Staryj Basar in Rostow. Der Schweinekopf fällt herunter. Er nimmt den vom Boden und legt auf nebenstehenden Tisch. Jetzt wird er den Schlachttierkörper in zwei Hälften teilen. Er hebt das Metzgerbeil erneut und hakt den Kadaver weiter. Kleine Teilchen vom Fleisch und Bluttropfen fliegen überall, bespritzen alles herum. Seine Metzgerschürze, Brille und sogar Haare (Sischa trägt prinzipiell keine Metzgermütze, er sagt, dass er liebt es, im frischen weichen Fleisch zu wühlen) sind vom Fleisch und Blut übersät. Sischa hackt weiter. Er mag es, Schlachttierkörper zu zerstückeln. Die Arbeit macht ihm Spaß. Beim Zerlegen des Kadavers erinnert er manchmal an seine Ex-Frau, an seine Ex-Freunde, an seine Mutter... Sischa hackt noch ungestümer – jetzt erinnert er an seinen früheren Chef...

Sischa kann den ganzen Tag das Fleisch zerlegen. Er ist sehr kräftig. Seine muskulöse Figur zieht die Blicke der Frauen an sich. So war es aber nicht immer. Im seinen „früheren“ Leben, wie Sischa das so nennt, war er körperlich ganz schwach. In der Schule mied er Sportunterrichte auf jeden Preis. Er zog er vor, gute Bücher zu lesen, als seine Muskeln zu quälen.

XXXXXXXXXXX XX XXX XXXXXXXXXXX XX XXX XXXXXXXXXX XX XXX XX XXXXXXX XXXX XXXXXXXXXXXXXXXX XX XXX XXXXXX XX XXX XX XXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXX XX XXX XXXX XX XXX XX XXX XX XXXXXXXXXXXXXXXXX XX.

Sischa wuchs in einer „akademischen“ Familie, das heißt, sein Großvater war ein Professor zu medizinischem Institut von Rostow. Sein Großgroßvater war eine bedeutende Person in den Zeiten der Revolution und seitdem wohnte die Wjagins Familie im Zentrum der Stadt in einer riesigen Wohnung, was man nur privilegierten Parteigenossen erlaubte. Für das Privileg in dieser Wohnung zu leben bezahlte Sischas Großvater aber sehr teuer. Sischa ist diese Geschichte bekannt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Genosse Stalin zur Idee, seine Nationalpolitik etwas zu modernisieren, im Besonderen traf das die Judenfrage. Genosse Stalin hatte schon seit langem den Verdacht, dass es zu viele Juden in Russland gab. In den dreißiger Jahren der zwanzigsten Jahrhundert kümmerte er um die richtige Proportion zwischen Juden und andere Nationalitäten in der Partei. Nach dem Krieg musste man diese Proportion für die gesamte Bevölkerung geltend machen.

Die Methode, die diese Entscheidung realisieren sollte, war schon seit langem entwickelt, das waren nämlich die KZs. Aber gleichzeitig Millionen Juden dorthin zu schicken war viel zu teuer, weil sogar in der UdSSR man zuerst verurteilt werden musste, um in einem KZ zu landen, und diese Verurteilungen kosteten Geld und Zeit. Ja doch, „das Genie aller Zeiten und Völker“ fand die Lösung – man sollte ein besonderes, extra für Juden, KZ kreieren und sie alle dorthin ohne Verurteilungen schicken. Und man nennt dieses KZ – Autonome Republik der Juden. Genosse Stalin lächelte in Schnurrbart – diese Amateure in Deutschland dachten daran, Juden nach Madagaskar zu bannen. Idioten! Nach Sibirien! Und sie werden dort Taiga abholzen, wie es sich KZ-Häftlingen gehört!

So begann am Ende der Vierziger die größte vom Staat inspirierende antisemitische Aktion in der UdSSR. Zuerst beklagte man jüdische Ärzte, dass sie die ganze sowjetische Bevölkerung vergiften wollten (nicht umsonst lernte Koba im Priesterseminar europäische Geschichte, besonders gut erinnerte er an Pest-Pogrome). Die „mutige“ Krankenschwester, die als Erste die Ärzte anzeigte, erhielt sogar einen Orden. Ihr Name ist bis heute nicht vergessen – der klingt als ein Song in Ohren – Lidia Timaschuk.

Als Folge verzichtete sowjetische Bevölkerung freiwillig an Behandlung bei jüdischen Ärzten, diesen „Mörderärzten“. Sowjetische Propaganda arbeitete unermüdlich, um antisemitische Stimmung zu stärken. Es gab keine Hindernisse mehr, um alle Juden, Männer wie Frauen, umzusiedeln. Man stellte die Listen aller lebenden in der UdSSR Juden auf, man bereitete schon Züge fürs Transportieren, wollte der Judenfrage endlich Garaus machen... Im Keim zu ersticken... Diese Frage würde nie in Russland weder Hand noch Fuß haben. Dazwischen kam was: plötzlich starb Genosse Stalin und die Realisierung seines Plans fand nie statt, aber Judenhass blieb. XXX XX XXX XX XXX XXXXXXXXXXXXXXX XXX XX XXXXXXXX XXX XXXXXXXXXX XX XXX XX XXXXX XX.

Kurz und gut war damals ein NKWD-Offizier, der daran dachte, wie man seine Wohnungsverhältnisse verbessern könnte. Mal entdeckte er die Wjagins Wohnung und war von der bezaubert. Jetzt lag es nur daran, die Bewohner dieser Wohnung zu beseitigen. Zum Glück des NKWD-Offiziers begann „der Fall der Mörderärzte“ sich zu entwickeln. Jetzt brauchte er nichts mehr als die Nationalität des Sischas Großvaters und seinen Beruf (Arzt) zu erwähnen, um ihn als „Feind des Volkes“ zu beklagen. Der Großvater wurde zu den fünfundzwanzig Jahren des KZs verurteilt. Seine Familie wurde aus ihrer Wohnung exmittiert. Die Nachbarn stahlen ihr Möbel. Der NKWD-Offizier mit Kind und Kegel umsiedelte in die wunderschöne Wohnung.

23
{"b":"258469","o":1}