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Bolitho drückte den Säbel fest an die Seite, und wieder störte ihn seine Fremdheit. Der Verlust seiner altvertrauten, ererbten Waffe ging ihm immer noch schmerzlich nahe. Aber er biß die Zähne zusammen und schritt zur Pforte, ohne zu hinken, ohne sich seine Trauer anmerken zu lassen.

Die Seesoldaten präsentierten ihre Seitenwaffen, die Pfeifen schrillten, und Bolitho kletterte schnell an der Bordwand hinab zur

Barkasse, wo Allday ihn in elegantem dunkelblauem Rock und hellen Nankingbreeches erwartete.

Browne saß schon im Heck des Bootes und musterte Bolitho mit ausdruckslosem Gesicht.

Wie sie mich alle anstarren, dachte Bolitho. Wie eine Art Übermensch.

«Absetzen vorn! Rudert an — zugleich!«Allday legte die Pinne; die Sonne reflektierte so grell vom Wasser, daß er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen mußte.

Leise fragte Bolitho:»Na, Allday, wie schmeckt es, wieder frei zu sein?»

Der bullige Bootsführer wandte den Blick nicht von einem nahen Wachboot, als er antwortete:»Ich habe die Marine schon oft zum Teufel gewünscht, Sir, und ich wäre eine Memme, wenn ich das nicht zugeben würde. «Im Wachboot drüben wurden die Ruder zum Gruß senkrecht gestellt, der Leutnant zog im Stehen seinen Hut, als die Admiralsbarkasse vorbeizischte.»Trotzdem — jetzt ist sie mein Zuhause, und mir ist, als wäre ich heimgekehrt.»

Browne nickte.»Mir geht's genauso, Sir.»

Bolitho setzte sich auf der Ducht zurecht und drückte den Hut fester in die Stirn.

«Aber um ein Haar wären wir nie mehr heimgekehrt, Oliver.»

«Riemen ein! Klar bei Bootshaken!»

Allday konzentrierte sich ganz auf das Anlegemanöver und ignorierte die neugierigen Gesichter oben an der Reling der Dorsetshire, die blendenden Sonnenreflexe auf den Bajonetten, die roten und blauen Uniformröcke.

Schließlich stieg Bolitho zur Schanzkleidpforte hinauf, und wieder begann das Trillern und Stampfen des Begrüßungszeremoniells.

Der Vizeadmiral wartete unter der Poop, bis sein Flaggkapitän die Formalitäten abgewickelt hatte, dann schlenderte er heran, um Bolitho nun seinerseits zu begrüßen.

Beide hatten als Kapitäne gegen die amerikanische Revolution gekämpft, aber danach war Bolitho Studdart mehrere Jahre nicht begegnet und sah nun überrascht, wie stark gealtert er war. Er wirkte füllig und beleibt, und sein rundes, fröhliches Gesicht verriet, daß er gern üppig lebte.

Nach einem herzlichen Händedruck rief Studdart aus:»Hol mich der Teufel, Bolitho, aber Ihr Anblick tut mir in der Seele wohl! Denn als letztes hörte ich von Ihnen, daß die Franzosen angeblich Ihren Kopf auf einer Lanze spazierentrugen. «Er lachte laut auf.»Kommen Sie mit nach achtern, Sie müssen mir alles erzählen. Ich bin gern genausogut informiert wie die Gazetten. «Mit einer vagen Geste zum Land setzte er hinzu:»Zweifellos haben die Spanier in Algeciras Ihre Ankunft beobachtet und werden die Neuigkeit schleunigst an Napoleon weiterleiten.»

In der großen Achterkajüte war es angenehm kühl; der Vizeadmiral entließ seine Diener, schickte Browne mit einem Auftrag davon und lehnte sich dann bequem zurück, um Bolithos Version der Ereignisse zu hören. Er unterbrach ihn kein einziges Mal, auch dann nicht, als Bolitho ihm seine Theorie über die optischen Telegraphen darlegte. Bolitho bewunderte Studdarts mühelose Selbstbeherrschung und begann zu begreifen, weshalb er so schnell befördert worden war: Der Mann hatte gelernt, sich seine Besorgnis nicht anmerken zu lassen.

Erst als Bolitho auf Neales Tod zu sprechen kam, ergriff der Vizeadmiral das Wort.

«Daß wir Styx verloren haben, gehört zu dem Zoll, den der Krieg von uns fordert. Aber der Tod ihres Kommandanten ist deshalb nicht weniger erschütternd. «Er füllte ihre Weingläser nach.»Trotzdem sollten Sie sich nicht die Schuld an Neales Tod geben. Ihre Flagge weht auf der Benbow und meine hier. Man hat uns eine ehrenvolle Führungsaufgabe gegeben, und Sie sind überdies von Admiral Beauchamp mit diesem Sondereinsatz in der Biskaya betraut worden. Sie haben Ihr Bestes getan, niemand kann Ihnen einen Vorwurf machen. Allein schon die Tatsache, daß Sie dieses gut funktionierende Telegraphensystem entdeckt haben, von dem keiner unserer sogenannten Agenten im Lande uns auch nur ein Wort gesagt hat, bringt uns zusätzliche Vorteile. Ihr Leben ist für

England und die Kriegsmarine wichtig. Da Ihnen eine ehrenvolle Flucht gelang, haben Sie das Vertrauen, das Admiral Beauchamp in Sie setzte, voll gerechtfertigt. «Sir John lehnte sich zurück und sah Bolitho fröhlich an.»Habe ich recht?»

Bolitho beharrte:»Trotzdem ist mein Auftrag noch nicht erfüllt: die Vernichtung der feindlichen Invasionsflotte, ehe sie in den Kanal verlegt werden kann. Daß wir jetzt über die Semaphorenstaf-fel entlang der französischen Westküste besser informiert sind, ändert nichts daran. Nach wie vor können die Franzosen ihre Schiffe schnell und gezielt dorthin beordern, wo sie am dringendsten gebraucht werden, während unsere vor aller Augen die Küste absuchen. Die neuen Landungsschiffe sind jetzt eher noch sicherer, seit unsere Kommandanten wissen, wie effektiv sie durch die Se-maphoren geschützt werden.»

Studdart lächelte schief.»Ich muß schon sagen, Sie haben sich überhaupt nicht verändert. Statt Befehle zu geben und das Risiko anderen zu überlassen, treiben Sie sich wie ein junger Leutnant in Feindesland herum und setzen Leib und Leben aufs Spiel. «Er schüttelte den Kopf, plötzlich ernst geworden.»Aber so geht das nicht. Sie haben Ihre schriftlichen Befehle, und die können nur von Ihren Lordschaften selbst geändert werden, sobald London von Ihrer Rettung erfahren hat. Vielleicht bringt uns ja schon das nächste Schiff aus England entsprechende Neuigkeiten? Jedenfalls ist es gerechtfertigt, wenn Sie alle weiteren Aktionen jetzt erst einmal aufschieben. Die Entdeckungen, die Sie in Gefangenschaft gemacht haben, durchkreuzen Beauchamps Strategie. Lassen Sie's also gut sein, Bolitho. Sie haben sich einen ausgezeichneten Ruf erworben, um den Sie jeder, Nelson eingeschlossen, nur beneiden kann. Machen Sie sich höherenorts keine Feinde. Ob im Frieden oder im Krieg, Ihre Zukunft ist gesichert. Aber wenn Sie bei der Admiralität oder im Parlament unangenehm auffallen, sind Sie erledigt.»

Mißgestimmt rieb Bolitho die Armstützen seines Sessels. Er kam sich vor wie in der Falle, obwohl er wußte, daß Studdart ihm einen richtigen Rat erteilt hatte. Wer würde sich in einem Jahr noch um die Vorgänge in der Biskaya scheren? Vielleicht war die Invasion sowieso nur ein Gerücht, und Frankreich wünschte sich genauso sehnlich den Frieden wie die anderen auch und dachte nicht an Überraschungsmanöver.

Studdart ließ ihn nicht aus den Augen.»Denken Sie zumindest gut nach über meine Worte, Bolitho. «Er hob die Hand zu den Heckfenstern.»Sie können eine Weile hierbleiben und neue Befehle abwarten. Vielleicht beordert man Sie weiter ins Mittelmeer, als Unterstützung für Saumarez; alles wäre besser als die verdammte Biskaya.»

«Ja, Sir, ich werde das bedenken. «Sorgsam stellte Bolitho sein Weinglas auf den Tisch.»Und in der Zwischenzeit muß ich meine Depeschen nach England abfassen.»

Der Vizeadmiral zog seine Taschenuhr heraus.»Gütiger Gott, in einer Stunde erwartet mich der General an Land. «Er erhob sich in aller Ruhe.»Lassen Sie es beim Nachdenken nicht bewenden. Sie sind Stabsoffizier und sollten sich nicht mit Dingen befassen, die Ihren Untergebenen anvertraut werden können. Sie befehlen, die anderen gehorchen — so gehört sich das, wie Sie wissen.»

Bolitho erhob sich lächelnd.»Gewiß, Sir.»

Der Vizeadmiral wartete, bis sein Besucher die Tür erreicht hatte, dann fügte er noch hinzu:»Und übermitteln Sie der Dame bitte meine wärmsten Empfehlungen. Vielleicht hätte sie ja Lust, mit mir zu speisen, ehe sie uns wieder verläßt, he?»

Nachdem die Tür hinter Bolitho zugefallen war, schritt Studdart zu den Heckfenstern und starrte auf die Schiffe seines Geschwaders hinaus, die in der Runde vor Anker lagen. Er wußte, Bolitho würde seine Ermahnungen in den Wind schlagen. Hoffentlich blieb ihm auch diesmal sein Glück treu. Denn bei einem neuerlichen Mißerfolg erwarteten ihn entweder Tod oder Schande.

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