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Neale blickte zu Bolitho hinüber, dem Allday gerade aufhalf,

und keuchte:»Das ist das Ende. «Er schwankte und wäre gestürzt, hätten ihn nicht Bundy und ein Midshipman aufgefangen.

Bolitho befahl mit rauher Stimme:»Alle Mann an Deck!«Und zu Kilburne gewandt:»Bergen Sie so viele Verwundete wie möglich aus den Trümmern und lassen Sie alle unbeschädigten Boote zu Wasser. «Schon hörte er das Wasser durch die Lecks einströmen, es röhrte und rumorte im Rumpf, während oben Taljen und Rollen knirschten, wo eine Kanone sich losgerissen hatte und das schrägliegende Deck hinunterschlidderte.»Mr. Browne, stehen Sie dem Kommandanten bei«, ordnete er an.

Aus dem Wirrwarr der herabgestürzten Takelage kämpften sich

Männer mit irren, entsetzten Augen, aus denen bei manchen schon der Wahnsinn leuchtete, und hasteten blindlings zu den Seitendecks.

Einige Seesoldaten versuchten, die Ordnung wieder herzustellen — auch der Dritte — wahrscheinlich der einzige überlebende Offizier — bemühte sich trotz seines gebrochenen Arms, die Männer zur Vernunft zu bringen. Aber er wurde beiseite gestoßen. Wieder bäumte sich das Deck unter Bolithos Füßen auf, und er sah die See durch die offenen Stückpforten einsteigen, als der Rumpf — vom ungeheuren Gewicht der außenbords hängenden Wrackteile gezogen — noch stärkere Schlagseite bekam. Allday rief:»Das Seitenboot wird nach achtern verholt, Sir. «Seine Ruhe war von eiskalter Gefährlichkeit, und er hielt das Entermesser in der Faust.

Bundy drückte Chronometer und Sextant fest an sich, fand aber noch Zeit, Bolitho zu berichten:»Ich habe ein paar Leute angewiesen, ein Floß zusammenzulaschen.»

Bolitho hörte ihn kaum. Er starrte über die weite Wasserfläche, deren frei und lebhaft anrennende, weiße Wellenkämme ihn zu verhöhnen schienen, den schnell näherkommenden Segelpyramiden entgegen.

Dann sah er Phalarope, die — das Heck ihm zugekehrt — die Rahen hart rundbraßte und einen gleitenden Schatten auf die See warf, während sie über Stag ging; der vergoldete Galionsvogel strebte weg von ihm, weg von dem anstürmenden Feind.

Mit gebrochener Stimme stammelte Allday:»Verflucht soll er sein! Verflucht in alle Ewigkeit, der feige Hund!»

Ein Boot machte an dem fast im Wasser liegenden Schanzkleid vorübergehend fest, ein zweites wurde längsseits geholt, während ein Bootsmann gemeinsam mit einem bulligen Stückmeister Verwundete und Ertrinkende aus dem Wasser fischte und an Bord hievte. Sie sanken auf die Bodenbretter wie nasse Säcke.

Neale öffnete die Augen und fragte heiser:»Sind sie gerettet?«Offenbar erkannte er Bolitho trotz des blutigen Schleiers über seinen Augen.»Meine Leute?»

Bolitho nickte.»Wir retten so viele wie möglich, seien Sie ganz ruhig.»

Er blickte hinaus auf den wachsenden Teppich aus improvisierten Flößen, treibenden Spieren und Fässern, an die sich die Überlebenden in der Hoffnung auf ein Wunder klammerten. Aber viel größer war die Zahl der im Wasser Treibenden. Nur wenige Seeleute konnten schwimmen, und bald gaben die anderen den Kampf auf, ließen sich mit dem leblosen Treibgut von der Strömung davontragen in den Tod.

Bolitho wartete, bis noch einige halb betäubte und blutende Männer in das Seitenboot gezerrt waren, dann kletterte er selbst hinein und stellte sich neben Allday. Neale lag bewußtlos zu ihren Füßen.

Der junge Kilburne, den die letzten Augenblicke in einen Mann verwandelt hatten, rief:»Verhaltet euch ruhig, Leute! Riemen bei!»

Wie das andere Boot war auch ihres so überfüllt, daß es nur noch wenige Zoll Freibord aufwies. Jedes Fahrzeug hatte nur zwei Riemen, mit denen es jetzt den Steven den Wellen zuwandte, die noch vor kurzem ihre Verbündeten gewesen waren, aber plötzlich nur ein Ziel zu kennen schienen: die Boote zum Kentern zu bringen und die Schiffbrüchigen zu verschlingen.

«Da geht sie hin!»

Der Schrei kam aus vielen Kehlen. Vor Schreck erstarrt sahen die Männer, wie Styx sich auf die Seite rollte und dann langsam zu unterschneiden begann. Einige ältere Seeleute blickten stumm hinüber, zu erschüttert, um in den Aufschrei der Jüngeren einzustimmen. Wie alle Schiffe, war sie für ihre Stammbesatzung viel mehr gewesen als bloß irgendein Schiff: Styx hatte ihnen ein Heim geboten, hatte Freunde und vertraute Gewohnheiten beherbergt. All das war für immer dahin.

Browne flüsterte:»Das vergesse ich nie. Und wenn ich hundert Jahre werde.»

Styx sank jetzt schneller, aber der Sund war an dieser Stelle so flach, daß sie auf Grund stieß und wieder an die Oberfläche federte — wie ein Ertrinkender, der um sein Leben kämpfte. Aus ihren

Speigatten und Stückpforten schoß das Wasser, und mehrere Leichen, die sich in den gebrochenen Stagen verfangen hatten, hüpften auf und nieder, als winkten sie ihren überlebenden Kameraden zu.

Dann rollte sich die Fregatte ein letztesmal herum, sank unter die Wasseroberfläche und blieb verschwunden.

Mit dumpfer Stimme meldete Allday.»Ein Boot hält von der Küste auf uns zu, Sir.»

Und weil er Bolithos wilde Verzweiflung spürte, setzte er hinzu:»Wir sind nicht das erstemal in Gefangenschaft, Sir. Wir werden es auch diesmal überstehen, das schwöre ich Ihnen.»

Bolitho spähte nach Phalarope aus. Aber auch sie war verschwunden. Es war vorbei.

VI Seeklar

Thomas Herrick stützte die Ellbogen auf die polierte Tischplatte in der großen Achterkajüte der Benbow und überlas noch einmal seinen in wohlgesetzten Worten abgefaßten Bericht.

Eigentlich hätte er stolz sein können auf seinen Erfolg, denn sogar die zuversichtlichsten unter den Zimmerleuten und Schiffsausrüstern hatten ihm prophezeit, daß die Reparaturen an Benbow noch mindestens einen Monat in Anspruch nehmen würden. Morgen war nun der erste August, und die Benbow war fertig — viel früher, als er in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte. So ungeduldig hatte er auf den Augenblick gewartet, in dem er die ersehnten Worte in den Bericht an Ihre Lordschaften schreiben konnte — Melde ergebenst, daß HMS Benbow seeklar ist und bereit, etc. -, und jetzt standen sie da, warteten nur noch auf seine Unterschrift. Dennoch empfand er keinerlei Frohlocken oder Begeisterung.

Das lag nicht etwa an schlechten Nachrichten; eher schon daran, daß überhaupt keine Nachrichten eingingen. Er hatte diese Unruhe zum erstenmal verspürt, als die von Schüssen durchlöcherte Fregatte Unrivalled, ein Schiff aus Bolithos Biskaya-Geschwader, in Plymouth vor Anker gegangen war; alle Pumpen an Bord arbeiteten fieberhaft, um die Fregatte noch so lange über Wasser zu halten, bis Hilfe eintraf. Und selbst das hätte Herrick nicht stärker belasten sollen als andere ähnliche Vorkommnisse, an die man sich im Krieg gewöhnen mußte. Er hatte schon so viele Schiffe verlorengehen gesehen, auch vor der Unrivalled hatte er oft genug beobachten müssen, wie Tote und Verwundete an Land geschafft wurden. Warum war er gerade jetzt so aufgewühlt?

Es mußte daran liegen, daß er sich von dem Tag an, seit Bolitho seine Flagge auf Styx setzte und auslief, Sorgen machte; denn seiner Ansicht nach segelte Bolitho in sehr dubioser Mission.

Als er dann Phalaropes Namen im Signalbuch entdeckte, zusammen mit der knappen Verlautbarung, daß sie Bolithos Oberkommando unterstellt wurde, hatten sich Herricks Ahnungen noch mehr verdüstert. Dulcie blieb im Golden Lion und tat ihr Bestes, um ihn aufzuheitern. Trotzdem, sein häusliches Glück machte ihn eher schuldbewußt. Dulcie verstand nichts von der See und der Kriegsmarine — und genauso sollte es bleiben, solange er dabei etwas zu sagen hatte.

In der Nachbarkajüte waren Schritte zu hören: Ozzard, Bolithos Steward, schlich wie ein Geist umher, seit sein Herr ohne ihn davongesegelt war. Solche wie ihn gab es noch mehr an Bord; zum Beispiel Yovell, Bolithos Schreiber, der jeden Bericht in seiner gerundeten Handschrift abgefaßt hatte.

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