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Der Nahkampf hatte den Soldaten in einen Rausch versetzt, hatte ihn toll gemacht, bis er von blinder Mordlust getrieben wurde. Allday wußte, den konnte er mit erklärenden Worten nicht bremsen. Hinter ihm stolperten noch mehr Briten den Niedergang herunter, und er begriff: Wenn er nicht sofort reagierte, war er in der nächsten Sekunde ein toter Mann.

«Halt, du verdammter Idiot!«Alldays Kasernenhofton bremste den Seesoldaten mitten im Ausfall.»Schneide den Offizieren hier die Fesseln durch, oder ich schlage dir den Schädel ein!»

Offenen Mundes starrte der Soldat ihn an. Und dann begann er zu lachen — lautlos, aber so heftig, daß sein ganzer Körper krampfhaft zuckte. Es schien kein Ende zu nehmen.

Ein englischer Leutnant erschien mit blutigem Säbel und sah sich so mißtrauisch im Orlop um, als wittere er weitere Gefahren. Ungeduldig stieß er den hysterischen Seesoldaten beiseite, starrte erst Neale an und dann die anderen.

«Um Gottes willen — schafft diese Gefangenen hier an Deck! Aber macht schnell, der Kommandant hat schon den Rückzug befohlen.»

Ein Seemann eilte mit einem Spieß herbei und brach damit die Ringbolzen aus dem Holz; dann wurden Bolitho und Browne auf die Füße gezogen.

«Folgt mir!«befahl der Leutnant barsch.»Und zwar ein bißchen plötzlich!»

Bolitho streifte die Handschellen ab und sagte zu zwei Matrosen, die Neale aus seiner Koje hoben:»Das ist Kapitän John Neale von der Fregatte Styx.«Als der Leutnant sich gereizt umwandte, fuhr er fort:»Ich fürchte, Ihren Namen habe ich nicht verstanden, Mr. -?»

Jetzt, da der Wahnsinn des Gefechts langsam von ihnen abfiel, achteten die umstehenden Enterer auf den Wortwechsel, und einige grinsten sogar über die Verlegenheit ihres Anführers.

Der Leutnant funkelte Bolitho an.»Ich Ihren auch nicht, Sir!«schnarrte er.

Browne, der seinen verkrampften Muskeln noch nicht traute, machte einen ersten vorsichtigen Schritt auf den Leutnant zu. Wie er es schaffte, wußte er später nicht mehr, aber Allday schwor, er hätte nicht mit der Wimper gezuckt.

«Vor Ihnen steht Konteradmiral Bolitho«, sagte Browne kühl.»Sind Sie jetzt zufrieden, Sir — oder haben Sie vor, heute jeden ranghöheren Offizier anzublaffen, der Ihnen begegnet?»

Errötend stieß der Leutnant seinen Säbel in die Scheide.»Ich — ich bitte um Entschuldigung, Sir«, stammelte er.

Bolitho nickte ihm zu und ging mit steifen Beinen zur Niedergangsleiter. Hoch über seinem Kopf konnte er die Luke erkennen, die aufs Batteriedeck führte. Sie war so ungewohnt hell, daß das Schiff völlig entmastet sein mußte.

Fest umklammerte er den Handlauf, um das Beben seiner Finger unter Kontrolle zu bekommen.

«Sie haben sich gut gehalten«, sagte er zu dem Leutnant.»Aber ich hörte, daß Sie > Ganymede< riefen?»

Der Leutnant wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Er zitterte wie im Fieber — jetzt, da alles vorbei war. Das Entsetzen über das, was er gesehen und getan hatte, würde später kommen.

Aber die eingedrillte Disziplin gab ihm Halt.»Aye, Sir«, erwiderte er und riß sich zusammen.»Wir sind von der Ganymede und gehören zu einem Geleit unter Kommodore Herrick.»

Sekundenlang konnte Bolitho den Mann nur anstarren. Das war doch Irrsinn! Er mußte genauso verrückt sein wie vorhin der Seesoldat in seinem Blutrausch.

«Vielleicht kennen Sie den Kommodore?«Der Leutnant war unter Bolithos Blick zusammengezuckt.

«Ich kenne ihn gut, ja.»

Langsam einen Fuß über den anderen setzend, stieg Bolitho ans Licht. Er kam an schmutzigen, keuchenden Enterern vorbei, die sich grinsend auf ihre Waffen stützten und ihm zunickten.

Dann erblickte er das englische Schiff, das von Draggen längs-seit gehalten wurde. Ein Midshipman rannte drüben nach achtern, um dem Kommandanten zu berichten, wen sie im Orlopdeck der Ceres entdeckt hatten.

Kurz darauf eilte der Kommandant ihm entgegen und begrüßte ihn freudestrahlend.»Willkommen, Sir, willkommen! Ich bin stolz, daß mein Schiff Ihnen zu Diensten sein konnte. «Mit einer Geste des Bedauerns wies er auf die Schäden im Rigg und an Deck.»Er war uns an Feuerkraft überlegen, deshalb habe ich ihn zu einer Verfolgungsjagd verlockt. Danach…«Er zuckte die Achseln.»Es war reine Erfahrungssache. Die Franzosen haben gute Schiffe, aber glücklicherweise nicht so gute Seeleute wie wir.»

Bolitho sah sich an Deck von Ganymede um und holte tief Atem. Es konnte nicht wahr sein. Im nächsten Augenblick würde er in der Zelle erwachen oder in der engen Kutsche.

Der Kommandant ließ sich in seinem Bericht nicht stören.»Wir haben zweimal feindliche Segel gesichtet, aber die Schiffe blieben auf Distanz. Trotzdem, fürchte ich, müssen wir unsere Prise hier aufgeben. Der Wind hat gedreht.»

«An Deck! Segel in Lee voraus!»

Der Kommandant fuhr herum.»Zurück an Bord mit den Enterern«, befahl er scharf.»Und dann laßt die Hulk abtreiben. Die wird keinem mehr gefährlich.»

Wieder erklang die Stimme des Ausguckpostens im Masttopp:»Es ist ein Linienschiff, Sir. Die Benbow!»

Bolitho schritt quer übers Deck zu Neale hinüber, den man bis zum Eintreffen des Schiffsarztes dort hingelegt hatte.

Neale starrte in den blauen Himmel und flüsterte:»Wir sind frei, Sir. Und zusammen.»

Mühsam hob er den Arm und umklammerte Bolithos Hand mit aller Kraft, die ihm noch verblieben war.

«Mehr wollte ich nicht, Sir. Nur noch das.»

Auf Neales anderer Seite kniete Allday und bemühte sich, die Augen des Sterbenden vor der grellen Morgensonne zu schützen.

«Beruhigen Sie sich, Käpt'n. Jetzt fahren wir nach Hause.»

Aber Bolitho fühlte die Hand in seiner erschlaffen. Er wartete, dann beugte er sich vor und drückte Neale die Augen zu.»Da ist er schon, Allday. Er ist schon daheim.»

X Ein Wiedersehen

«Ich kann's immer noch nicht glauben, Sir.»

Kopfschüttelnd bedachte Herrick die Auswirkungen seiner Entscheidung. Seit sie in Signalkontakt mit der Fregatte Ganymede gekommen waren, war er an Deck auf und ab gewandert, fluchend über die Langsamkeit, mit der sich beide Schiffe annäherten. Endlich konnte Herricks Bootssteurer Tuck die Schaluppe aussetzen lassen, um Bolitho an Bord zu holen.

Gebannt hatte er Bolithos Bericht gelauscht, während dieser in seinen abgerissenen Kleidern auf der Heckbank saß und es sich gefallen ließ, daß Ozzard ihn wie eine Glucke umsorgte.

Nun lief die Benbow mit der siegreichen Fregatte im Kielwasser von der französischen Küste ab, und der Wind war nicht länger ihr Feind.

Bolitho erläuterte:»Die Ganymede war unterlegen. Da griff ihr

Kommandant zu einer alten List, täuschte Flucht vor und verlockte die Ceres dazu, ihm zu folgen. Zu diesem Zweck nahm er zunächst sogar Treffer hin, damit der Feind sich in Sicherheit wiegte und unvorsichtig wurde. «Er zuckte mit den Schultern; irgendwie schien ihm dies alles nicht mehr so wichtig.»Dann luvte er an und feuerte zwei Breitseiten ab, ehe die Ceres wußte, wie ihr geschah. Es hätte immer noch schiefgehen können, aber die letzte Salve mähte auch den französischen Kommandanten nieder. Den Rest kennen Sie, Thomas.»

Von den neuen Semaphoren hatte er Herrick schon erzählt, aber auch sie schienen ihm jetzt bedeutungslos, verglichen mit Neales

Tod.

Herrick sah den Schmerz in Bolithos Augen und sagte leise:»Die französischen Schiffe, die vor unserem Erscheinen gesichtet worden waren, müssen über die optischen Telegraphen zur Unterstützung für Ceres herbeibeordert worden sein. «Er rieb sich das Kinn.»Hol sie der Teufel. Aber jetzt wissen wir wenigstens Bescheid.»

Bolitho starrte die leere Stelle an der Schottwand an, wo früher sein Säbel gehangen hatte.»Und auch sie wissen jetzt, daß wir im Bilde sind. An ihrer Gefährlichkeit hat sich nichts geändert.»

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