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Allday hielt ihm den Rock hin, und er schlüpfte hinein. Als er

Neale einen Seufzer ausstoßen hörte, sagte er:»Keine Sorge, heute wird es keine Scharfschützen geben.»

Der Admiralsrock tat sofort seine Wirkung. Einige Seeleute riefen hurra, und die Seesoldaten, die im Großmars die Drehbassen bemannten, schwenkten ihre Hüte, als feierten sie ein besonderes Ereignis.

Leise sagte Neale:»Sie danken es Ihnen, Sir. Solche Beweise brauchen sie.«»Und Sie? Was brauchen Sie?»

Neales Gesicht überzog ein breites Grinsen, das ebenso spontan hervorbrach wie eben noch das Jubelgeschrei.

«Ihre Flagge weht auf meinem Schiff, Sir. Das erfüllt alle an Bord mit Stolz, ganz besonders aber mich. «Sein Blick blieb auf Bolithos glänzenden Epauletten haften.»Eine Menge Leute würden heute gern mit mir tauschen.»

Bolitho schaute an ihm vorbei ins schäumende Wasser.»Dann also los. «Er sah Browne herzueilen, der seine Seekrankheit offenbar völlig überwunden hatte.»Sind Sie soweit, Kapitän Neale?»

Neale legte beide Hände um den Mund und rief:»Klar zur Wende, Mr. Pickthorn! Kurs Südost!»

Als die Rahen herumschwangen und der Rumpf unter dem stärkeren Winddruck tiefer eintauchte, wandte Styx den Bug gehorsam nach Steuerbord, bis er auf die Mitte der Einfahrt zeigte. Von dem Manöver überrascht, zeigte die Yawl sich zum erstenmal in ganzer Länge, wie in der Bewegung erstarrt und vom Klüverbaum der Fregatte aufgespießt.

«Südost liegt an, Sir!»

«Setzen Sie die Royals, Mr. Pickthorn. Dann lassen Sie laden und ausrennen!»

Bolitho stand dicht an der Reling und sah die Insel wieder von Steuerbord herangleiten; über ihr hing vom Wind zerfaserter Rauch: brennendes Unkraut oder eine Feueresse, in der schon Kugeln erhitzt wurden? Styx näherte sich dem Sund mit sehr schneller Fahrt, weil Royals und Bramsegel jetzt voll zogen. Auf ein Pfeifensignal hoben sich zu beiden Seiten die Klappen über den Stückpforten. Ein zweites Signal, und die Kanonen wurden ausgefahren. Die schwarzen Rohre schimmerten gefährlich wie Hauer im Licht der schon tiefstehenden Sonne.

Trotz des warmen Uniformrocks fröstelte Bolitho. Falls die Franzosen über ihre Absichten bisher noch Zweifel gehegt hatten — jetzt mußten sie klarsehen.

Ohne sich nach ihnen umzuwenden, wußte er Allday und Browne dicht hinter sich und Neale in seiner Nähe. Die beiden anderen Offiziere der Fregatte gingen hinter den Kanonen unten langsam auf und ab, ihre Säbel wie Spazierstöcke geschultert. Das waren die Männer, die das Volk, das sie verteidigten, nie so zu Gesicht bekam. In der Admiralität mochten Strategien und Einsatzpläne entwickelt werden — in die Tat umgesetzt wurden sie von Männern und Knaben wie diesen mit ihrem Kampfgeist. Bolitho lächelte in sich hinein, weil ihm einer seiner früheren Kommandanten einfiel, der diesen Gedanken schon vor ihm formuliert hatte.

Einige der Umstehenden sahen des Admirals Lächeln und wußten, daß es ihnen galt. So wie dieser Tag ihnen gehörte.

V Auf sich allein gestellt

«Sieben Faden am Lot!«Den gespannt lauschenden Männern auf dem Achterdeck klang das Aussingen des Lotgasten unnatürlich laut.

Bolitho blickte schnell nach oben, als das Großsegel und die Breitfock sich in einer leichten Brise füllten und steifstanden. Wind konnte man das zwar nicht nennen, aber da alle Segel der Styx nun optimal zogen, brachte sie es immerhin auf acht bis neun Knoten Fahrt durchs Wasser.

Steuerbord voraus wurde die Insel langsam größer. In den letzten Minuten, so kam es Bolitho vor, war die Sonne darüber hinweggewandert, deshalb lag die vorderste Landzunge schon im Schatten.

Immer noch feuerten die Bugkanonen in regelmäßigen Intervallen auf die französische Yawl, die weit vor Styx' Galion ihre Haken schlug, weil der Kapitän offenbar sein Schiff weiterhin für das

Ziel der Fregatte hielt. Neale ließ sein Teleskop sinken.»Die Dämmerung kommt früh heute abend.»

Bolitho schwieg und konzentrierte sich auf die kleine Insel. Während die Fregatte immer tiefer in den Sund vordrang, spürte er, wie die Spannung wuchs, und überlegte, was die Franzosen dort jenseits des schmalen Fahrwassers wohl taten. Beschossen hatte man sie nicht mehr, deshalb fragte er sich mit nagender Sorge, ob er sich nicht doch verrechnet hatte und die Insel völlig unwichtig war.

Allday scharrte mit den Füßen und murmelte:»Die schlafen wohl, das Pack!»

«Ich sehe Rauch«, meldete sich Browne.»Dort unten, dicht überm Boden.»

Neale hastete herbei, stieß einen Midshipman zur Seite, als wäre er ein leerer Sack.»Wo?«Wieder richtete er sein Fernrohr auf die Insel.»Verdammt, das ist nicht Rauch — das ist Staub!»

Bolitho schwenkte sein Teleskop in die von Neale angezeigte Richtung. Es war tatsächlich Staub, und zwar wurde er von einem Pferdegespann aufgewirbelt, das jetzt hinter niedrigem Gebüsch hervorpreschte und ein Feldgeschütz auf einer Protze polternd hinter sich herzog, offenbar zur anderen Seite der Insel. Minuten später folgte ein zweites Gespann mit einer Kanone, und die sinkende Sonne reflektierte kurz auf Uniform und Ausrüstung der Vorreiter.

Bolitho schob das Fernrohr zusammen und bemühte sich, sein Triumphgefühl zu beherrschen. Also hatte er sich doch nicht geirrt! Die Franzosen fühlten sich hier so sicher, daß sie sich auf Feldartillerie verließen, statt eine feste Küstenbatterie zu installieren. Wahrscheinlich wollten sie die Kanonen wieder aufs Festland schaffen, sobald die neuen Landungsboote erst zu ihrem endgültigen Ziel unterwegs waren.

Kein Wunder, daß Styx nach den ersten Warnschüssen nicht mehr unter Feuer genommen worden war. Die Schußfolge war auch viel zu exakt gewesen, daraus ließ sich auf Artillerie schließen, die nur an den Krieg zu Lande gewohnt war. Ein Schiffskanonier hätte jedes Geschütz sorgsam gerichtet und abgefeuert, nur um ganz sicherzugehen und keine Munition zu verschwenden. Der begrenzte Munitionsvorrat an Bord stand einem Seemann immer vor Augen, er hätte auch an Land seine Technik nicht geändert.»An Deck!»

Neale wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und brummte:»Na, los doch, Mann, spuck's aus!»

Aber der Ausguckposten im Masttopp war viel zu gut gedrillt, als daß er sich von den ungeduldigen Kameraden da unten hätte irritieren lassen.

Als er sich seiner Sache sicher war, rief er:»Schiffe vor Anker — knapp hinter der Landspitze, Sir!»

Einer der Lotgasten vorn sang aus:»Fünf Faden, abnehmend!«Aber bis auf Bundy, den Master, schien das keinen zu kümmern. Einige starrten voraus, andere nach oben zum Ausguck, auf dessen nächste Meldung sie ungeduldig warteten.

«Da ankern ein Dutzend Schiffe oder mehr, Sir!«Trotz der Distanz war das ungläubige Staunen in der Stimme des Postens nicht zu überhören, als er hinzufügte:»Nein, Sir — sehr viel mehr!»

Neale schlug sich mit der rechten Faust in die linke Handfläche.»Wir haben sie, bei Gott!»

Bundy meldete sich zu Wort.»Wir kommen aufs Flach, Sir. «Neale starrte ihn so wütend an, daß er ergänzte:»Tut mir leid, Sir, aber das müssen Sie wissen.»

«Vier Faden!«Die Stimme des Lotgasten klang wie ein Trauergesang. Der Erste Offizier trat zu Bundy an die Seekarte.»Immer noch ablaufendes Wasser. «Vielsagend blickte er seinen Kommandanten an und sah dann zu den Rahen auf.

Neale reagierte endlich.»Setzen Sie die Leesegel. Wir wollen den Tidenstrom ausnutzen. «Mit einem Blick zu Bolitho fügte er hinzu:»Falls Sie einverstanden sind, Sir.»

«Gewiß. Im Augenblick ist Schnelligkeit für uns am wichtigsten.»

Und dann vergaß Bolitho die Rufe der Toppsgasten, die hoch oben die Leesegel ausbrachten, das Trommelfeuer der Befehle und

Knirschen der Heißleinen, denn als das Schiff auf konvergierenden Kurs zur nächsten Landspitze einschwenkte, konnte er die ersten verankerten Landungsschiffe sehen. Kein Wunder, daß der Ausguck verblüfft gewesen war. Dort lagen Dutzende und Aberdutzende, manche Seite an Seite, andere — wahrscheinlich die Mörserboote oder Bombenwerfer — einzeln für sich: eine wahre Armada kleiner Landungsfahrzeuge. Nur zu leicht konnte Bolitho sich vorstellen, wie sie französische Dragoner und Infanteristen auf die Strande Südenglands spien.

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