Литмир - Электронная Библиотека

Browne, der hastig alles niedergeschrieben hatte, fragte:»Darf ich mich nach Ihren Absichten erkundigen, Sir?»

Bolitho grinste ihn an.»Tja, wenn sie nicht zu uns herauskommen wollen, müssen wir eben zu ihnen hinein!»

Browne erhob sich.»Ich lasse das Signal für Phalarope absetzen, Sir.»

Es würde ein großes Risiko bedeuten, einen dieser vielen Fischkutter abzufangen, die Ganymede beobachtet hatte. Aber wenigstens ließ sich das mit einer Handvoll Leute bewerkstelligen. Wenn sie entschlossen vorgingen und gut geführt wurden, mochten sie ihm den Schlüssel zu Konteradmiral Remonds Hintertür verschaffen.

Browne war bald wieder zurück, auf seinem Rock glänzten Wassertropfen.

«Der Wind frischt weiter auf, Sir«, sagte er.

«Gut. «Bolitho rieb sich die Hände. Im Geist sah er, wie sein Signal von Schiff zu Schiff weitergegeben wurde, ebenso schnell und zuverlässig wie über die Semaphorentürme des Feindes. Der junge Kommandant der Rapid, Jeremy Lapish, war gerade erst vom Leutnant zum Kapitän befördert worden. Er galt als kühn und tüchtig. Bolitho dachte auch an seinen Neffen, von dessen Schiff das Signal weitergegeben wurde; Adam mochte sich schon als Anführer des Überfalls sehen, mochte vom Hauen und Stechen des Nahkampfs träumen.

Browne setzte sich und blickte auf die mit dem rosa Band der Admiralität zusammengehaltenen Depeschen nieder.

«Noch vor kurzem«, sagte er ernst,»waren wir Gefangene, und ich muß oft daran denken, daß wir Neale unseren Zusammenhalt verdanken. Sein Zustand machte uns solche Sorgen, daß wir gar nicht dazu kamen, um unsere eigene Sicherheit zu fürchten. Ich denke noch oft an ihn.»

Bolitho nickte.»Ich auch. Hoffentlich können wir bald etwas tun, auf das er stolz wäre.»

Der Wind wurde stärker und sprang um, die Farbe der See wechselte von Blau zu Grau, und die ferne Küste verschwand in der Abenddämmerung; das Geschwader bezog Station für die Nacht.

Tief unten im Orlopdeck der Benbow saßen Allday und Tuck, der Bootsführer des Kommandanten, zwischen den ächzenden Planken gemütlich beisammen und teilten sich eine Flasche Rum. Sein starkes Aroma und das schwankende Licht der pendelnden Laternen vernebelten ihre Köpfe, trotzdem fühlten sich beide zufrieden.

«Glaubst du, daß dein Admiral kämpfen wird?«fragte Tuck scheinbar zusammenhanglos.

«Natürlich wird er das, Frank.»

Tuck verzog das Gesicht.»Wenn ich 'ne Frau hätte wie er, würd' ich um die Franzosen lieber einen großen Bogen machen. «Bewundernd sah er Allday an.»Und du wohnst bei ihnen im Haus, wenn du an Land bist?»

Alldays Kopf pendelte mit den Schiffsbewegungen hin und her. Er sah wieder die grauen Steinmauern vor sich, die grünen Hecken von Falmouth. Und das Mädchen aus dem George Inn, das ihm einoder zweimal zu Gefallen gewesen war. Aber dann wurde ihr Bild von Polly verdrängt, Mrs. Laidlaws neuer Zofe; die war nun mal ein besonders niedlicher Käfer, daran gab's keinen Zweifel.

Er antwortete:»Das stimmt, Frank. Ich gehöre zur Familie.»

Aber Tuck war schon eingeschlafen.

Allday lehnte sich an einen großen Spant und fragte sich, warum er sich so verändert hatte. Früher hatte er immer ein Eigenleben geführt, getrennt von dem, das Bolitho ihm in Falmouth anbot.

Dann dachte er an das bevorstehende Gefecht. Tuck hatte ja keine Ahnung, wenn er glaubte, Bolitho würde vor den Franzosen kneifen. Jetzt schon gar nicht, nachdem sie von ihnen so viel zu erdulden gehabt hatten.

Nein, sie würden kämpfen; aber Allday war beunruhigt, daß er sich deshalb solche Sorgen machte.

Tuck stöhnte im Schlaf und murmelte:»Wassis los?»

«Halt's Maul, du Idiot. «Allday kam taumelnd auf die Füße.»Komm, ich helf dir, deine Hängematte aufriggen.»

In etwa acht Meilen Entfernung war ebenfalls unter einer pendelnden Laterne von Kampf die Rede: Kapitän Lapish, Kommandant der Rapid, erklärte seinem Ersten Offizier, der ebenso jung war wie er selbst, was er vorhatte.

Die Brigg rollte stark im rauhen Seegang, der vom Ebbstrom noch aufgebaut wurde, aber weder Lapish noch sein Leutnant bemerkten es. Lapish sagte gerade:»Ihnen ist jetzt klar, Peter, was das Signal vom Flaggschiff bedeutet, und Sie wissen auch, wonach Sie Ausschau zu halten haben. Ich setze das Boot so dicht unter Land ab, wie ich kann, und warte dann, mich gut von der Küste freihaltend, auf Ihre Rückkehr — mit Fischkutter oder ohne. «Er grinste den Leutnant an.»Haben Sie Angst?»

«So wird man schneller befördert, Sir.»

Wieder beugten sich beide über die Seekarte und stellten ihre Berechnungen an.

Der Leutnant hatte seinen Admiral noch nie gesprochen, hatte ihn nur einige Male aus der Ferne gesehen. Aber was machte das aus? Schon morgen mochte ein neuer Admiral den Oberbefehl haben. Der Leutnant warf seinen Säbel auf die Bank, wo bereits seine beiden Pistolen lagen. Und schon morgen konnte er selbst tot sein.

Wichtig waren nur die nächsten paar Stunden.»Alles klar, Peter?«»Aye, Sir.»

Sie lauschten nach draußen, wo die Gischt aufs Deck krachte. Scheußliche Nacht für einen Bootsausflug, aber genau richtig für das, was sie vorhatten.

Aber wie dem auch sei: Sie hatten ihren Befehl vom Flaggschiff.

XIII Keine Kämpfernatur

Mit eingezogenem Kopf polterte Leutnant Wolfe unter den niedrigen Decksbalken in die Kajüte, wartete ab, bis Bolitho und Herrick ihre Kursberechnungen auf der Karte fertig hatten, und meldete dann:»Signal von Rapid, weitergeleitet über Phalarope, Sir: >Haben französisches Fischerboot gekapert, kein Alarm ausge-löst.<»

Bolitho warf Herrick einen Blick zu.»Das war flotte Arbeit. Die Brigg führt ihren Namen offenbar zu Recht. «Und an Wolfe gewandt:»Signalisieren Sie Rapid, sie sollen die Prise zum Flaggschiff schicken. Je weniger neugierige Augen sie zu Gesicht bekommen, desto besser. Und sagen Sie Kapitän Lapish von mir: gute Arbeit.»

Nachdenklich rieb Herrick sich das Kinn.»Und es ist ohne Alarm abgegangen, wie? Lapish muß von dem schlechten Wetter gestern nacht profitiert haben. Hatte Glück, der junge Teufel.»

«So wird's gewesen sein«, sagte Bolitho bewußt neutral und beugte sich wieder über die Seekarte. Weshalb auch hätte er Herrick wissen lassen sollen, daß er fast die ganze Nacht wachgelegen hatte aus Sorge um Rapid. Schon ein sinnlos geopfertes Menschenleben wäre zuviel gewesen, das war ihm klar, seit Styx gesunken und Neale mit so vielen anderen gestorben war. Aber weshalb hätte er Herrick mit seinen Skrupeln beunruhigen sollen?

Statt dessen fuhr er mit dem Finger das große Dreieck auf der Seekarte nach. Ein Schenkel verlief in südöstlicher Richtung von der Belle Ile zur Ile d'Yeu; der zweite erstreckte sich vierzig Meilen weit nach Westen, und der letzte führte mit nördlicher Richtung wieder zur Belle Ile zurück: der Patrouillenkurs seiner drei Fregatten lag dem Land am nächsten, während die Linienschiffe sich weiter seewärts hielten, um eventuell durchgebrochene Franzosenschiffe abzufangen. Als Kundschafter und Kurier zwischen den englischen Einheiten fungierte die kleine Rapid. Lapish mußte sein erfolgreiches Stoßtruppunternehmen sehr genossen haben, denn damit bewiesen seine Männer, daß sie den Kameraden auf den schwerfälligeren Schiffen um Längen voraus waren.

Bolitho überlegte laut:»Die Franzosen müssen bald den ersten Zug machen. Also sollten wir unbedingt erfahren, was in den Küstengewässern vorgeht. «Er blickte auf, weil Browne die Kajüte betrat.»Der erbeutete Fischkutter wird zu uns geschickt. Ich möchte, daß Sie an Bord gehen und ihn genau untersuchen.»

«Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?«fragte Browne.

«Natürlich.»

Browne trat an den Tisch.»Wie wir hörten, wurden schon seit Wochen Fischereifahrzeuge zusammengezogen. Das ist durchaus üblich, damit die Fischer unter dem Schutz französischer Wachboote ihrem Handwerk nachgehen können. Wenn Lapish ganz sicher ist, daß niemand die Kaperung des Fischkutters beobachtete, dann könnte das Boot doch mit einer ausgesuchten Crew wieder zur Küste zurücksegeln und ausspähen, was dort geschieht?»

54
{"b":"113331","o":1}