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Der Buggast erhob sich, den Bootshaken einsatzbereit.

Während Herricks Gedanken abgeirrt waren, war die Bordwand der Benbow immer höher über ihnen emporgewachsen. Nun, da sie fast längsseit lagen, sah er die ausgebesserten Planken, die Farbflecken, die das aus den Speigatten geflossene Blut verdeckten. Es war gewesen, als verblute das Schiff selbst, nicht nur die Besatzung.

Die Riemen wurden gepickt, und Tuck, der Bootsmann, zog den Hut. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte Herrick kurz.»Danke, Tuck. Gut gemacht.»

Sie verstanden einander ohne viele Worte.

Herrick blickte zur Schanzkleidpforte auf und wappnete sich — wie ihm schien, zum tausendstenmal. Er erinnerte sich an die Zeit, als er sich nicht einmal seines Leutnantsranges sicher gefühlt hatte. Dann kam der Schritt von der Offiziersmesse zum Achterdeck, und jetzt war er sogar Flaggkapitän des in seinen Augen besten Marineoffiziers, über den England verfügte; er konnte es immer noch nicht fassen.

Mit seinem neuen Haus in Kent ging es ihm ähnlich. Das war keine Kate mehr, sondern ein stattliches Wohnhaus, sogar mit einem echten Admiral und einigen reichen Kaufleuten als Nachbarn. Dulcie hatte ihn beschwichtigt:»Für dich, mein Liebster, ist nichts zu schade. Das hier hast du dir hart erkämpfen müssen, und eigentlich gebührt dir viel mehr.»

Herrick seufzte. Das meiste Geld war sowieso von ihr gekommen. Womit hatte er bloß das Glück verdient, so eine Frau wie seine Dulcie zu finden?

Ein Wölkchen aus Pfeifentonstaub hing über den starren Gesichtern und schwarzen Hüten, als die Seesoldaten knallend die Musketen aufstampften, während Herrick unter dem Zwitschern der Bootsmannspfeifen grüßend seinen Hut zum Achterdeck hin lüftete und auch Wolfe, seinen überlangen Ersten Offizier, in den Gruß mit einbezog; Wolfe war für Herrick wohl der häßlichste, wahrscheinlich aber einer der besten Seeleute, die ihm je begegnet waren.

Der Lärm verklang, und Herrick musterte die zum Seitepfeifen Angetretenen mit Wehmut. So viele neue Gesichter, die er sich einprägen mußte. Einstweilen sah er hinter ihnen immer noch die der anderen Männer, die in der Schlacht gefallen oder in irgendeinem Marinelazarett verschwunden waren.

Aber Major Clinton von der Marineinfanterie war noch da. Und hinter seiner roten Uniformschulter sah der alte Ben Grubb hervor, der Sailing Master.[4] Eigentlich konnte Herrick sich glücklich schätzen, daß ihm noch so viele erfahrene Leute geblieben waren, die nun Rekruten und Gepreßte zu einer Mannschaft zusammenschweißen mußten.

«Also, Mr. Wolfe, vielleicht erklären Sie mir, warum da oben die Flagge des Admirals weht?»

Er fiel neben dem Leutnant in Schritt, dessen grellrotes Haar wie zwei Leesegel zu beiden Seiten seines Huts hervorstand. Schon kam es ihm vor, als sei er nie von Bord gewesen. Das Schiff hatte ihn vereinnahmt, und das Land dort drüben, mit seinen schimmernden Häusern und gezackten Festungswällen, hatte jede Bedeutung für ihn verloren.

Mit seiner rauhen, trockenen Stimme sagte Wolfe:»Der Admi-ral kam gestern nachmittag an Bord, Sir. «Seine Pranke schoß vor und deutete auf einen Bunsch soeben aufgeschossener Fallen.»Was soll das sein — ein verdammtes Storchennest?«Er wandte sich von dem versteinerten Matrosen ab und bellte:»Mr. Swale, notieren Sie den Namen dieses Idioten! Er ist ein vermaledeiter Weber, kein Seemann!»

Schweratmend fuhr Wolfe fort, an Herrick gewandt:»Die meisten Ersatzleute sind solche Versager, Sir. Kehricht aus dem Karzer und nur ganz vereinzelt ein paar erfahrene Seeleute. «Er rieb sich die fleischige Nase.»Die hier habe ich von einem Indienfahrer. Behaupteten, sie seien vom Kriegsdienst freigestellt. Wollten angeblich auch Papiere besitzen, in denen das bestätigt wurde.»

Herrick grinste schief.»Aber bis Sie die Angelegenheit geklärt hatten, war der Indienfahrer schon ohne die Leute ausgelaufen, nicht wahr, Mr. Wolfe?»

Beide hegten keine sonderliche Sympathie für die vielen erstklassigen Matrosen, die vom Dienst bei der Kriegsmarine freigestellt blieben, bloß weil sie bei der Ostindischen Handeskompanie oder irgendeiner Hafenbehörde dienten. Schließlich befand sich England im Kriegszustand. Gebraucht wurden Seeleute, nicht Krüppel oder Kriminelle. Aber die Lage wurde von Tag zu Tag prekärer. Herrick hatte gehört, daß die Preßkommandos und Werber schon viele Meilen tief im Binnenland umherzogen.

Er blickte zum turmhohen Großmast und dem imponierenden Dickicht der Taljen, Rahen und Taue hoch. Wieder drängte sich ihm die Erinnerung an den Pulverrauch und die zerschossenen Segel auf, an die Seesoldaten in den Marsen, die da oben brüllten und jubelten und ihre Musketen und Drehbassen auf das Tohuwabohu unten abfeuerten.

Gemeinsam betraten sie den Schatten der Poop und beugten die Köpfe unter den schweren, niedrigen Decksbalken.

Wolfe sprach als erster.»Der Admiral ist allein gekommen, Sir. «Er zögerte, als fürchte er, zu weit gegangen zu sein.»Ich dachte, er wollte seine Lady mitbringen?»

Herrick wandte sich seinem Ersten prüfend zu. Wolfe war ein vierschrötiger, manchmal brutaler Mann und hatte auf den unterschiedlichsten Schiffen gedient, von der Kohlenbrigg bis zum Sklaventransporter. Er hatte keine Geduld mit Faulpelzen und kein Verständnis für menschliche Schwächen. Aber er war auch kein Schwatzmaul.

Deshalb sagte Herrick, was er dachte.»Das hatte ich ebenfalls gehofft. Weiß Gott, der Mann hätte es verdient…»

Der Rest des Satzes wurde übertönt vom Ruf des Wachtpostens vor der Kajüte, der mit seiner Muskete auf den Boden stampfte und ankündigte:»Der Flaggkapitän, Sir!»

Wolfe wandte sich grinsend ab.»Verdammte Holzköpfe!»

Die Tür wurde ihnen von Ozzard, Bolithos Steward, geöffnet. Ozzard war ein seltsamer Kauz. Jetzt galt er als tüchtiger Steward, aber man munkelte, daß er früher ein noch besserer Anwaltsgehilfe gewesen sei, der vor einer langen Kerkerstrafe oder dem Galgen mit knapper Not zur Marine entkommen war.

Die große Achterkajüte, von weißen Lamellentüren in einen Schlaf- und einen Speiseraum unterteilt, war frisch gestrichen, und den Boden bedeckte wieder eine schwarz-weiß gewürfelte Persenning, welche die Narben der Schlacht den Blicken entzog. Bolitho hatte sich aus einem Heckfenster gebeugt, wandte sich aber jetzt um, seinen Freund zu begrüßen. Erleichtert stellte Herrick fest, daß er sich äußerlich nicht verändert hatte. Sein goldbetreßter Admiralsrock lag achtlos über einen Stuhl geworfen, er trug nur Hemd und Kniehose. Mit dem schwarzen Haar, von dem eine Strähne übers rechte Auge fiel, und mit seinem raschen, warmherzigen Lächeln wirkte Bolitho eher wie ein Leutnant als wie ein Flaggoffizier.

Ihr Händedruck war kurz, enthielt für beide aber eine ganze Welt gemeinsamer Erinnerungen. Dann sagte Bolitho:»Bring uns Wein, Ozzard. «Er zog einen Stuhl für Herrick heran.»Setzen Sie sich, Thomas. Es tut gut, Sie wiederzusehen.»

Bolithos graue Augen ruhten etwas länger als sonst auf seinem Freund; Herrick wirkte breiter, sein Gesicht etwas voller, aber das lag wohl an den Kochkünsten seiner fürsorglichen jungen Frau. Sein braunes Haar hatte hier und da hellgraue Lichter, wie Reif auf einem struppigen Busch. Aber die klaren blauen Augen, die so trotzig, aber auch so verletzt blicken konnten, waren noch dieselben.

Sie stießen an, und Bolitho fragte:»Wie steht's mit Ihrer Einsatzbereitschaft, Thomas?»

Herrick verschluckte sich fast am Wein. Einsatzbereitschaft? Sie lagen erst seit einem Monat im Hafen, und zwei Schiffe des Geschwaders waren während der Schlacht verlorengegangen! Sogar ihr leichtester Zweidecker, die mit 64 Kanonen bestückte Odin unter dem Kommando von Kapitän Inch, hatte nur mit knapper Not bis zur Nore[5] hinken können, so tief war sie schon weggesackt. Und hier in Plymouth lagen die Indomitable und die Nicator, beides 74er wie die Benbow, im Reparaturdock fest.

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4

sailing master: ursprünglich Segelschiffskapitän. Bei der Kriegsmarine jedoch für Seemannschaft und Navigation verantwortlicher Decksoffizier

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5

Sandbank in der Themsemündung und Reede gleichen Namens

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