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Bolitho lächelte.»Sie wollen Ihrem Kommodore den Gehorsam verweigern, Mr. Veitch? In Kriegszeiten könnten Sie dafür gehängt werden!»

Beide lachten; dann entgegnete Veitch:»Das Risiko will ich gern eingehen, Sir.»

Schon kletterten die Matrosen über Bord, und Bolitho hoffte nur, auf dem französischen Schiff würde niemand bemerken, daß hier etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Es hatte schließlich wenig Sinn, schneller sein zu wollen als ein so bewegliches Kriegsschiff. Und der Versuch, in einem Kutter über das offene Mittelmeer zu entkommen, wäre purer Irrsinn gewesen.

Schwer atmend kam Allday nach achtern.»Lunte ist verkürzt, Sir. «Er spähte nach der Korvette hinüber. Die Geschütze waren ausgerannt, kleine Sechspfünder. Sie würden für die alte Segura ausreichen, auch ohne ihre tödliche Fracht.»Nur wir beide sind noch an Bord. Und dieser verrückte Schwede.»

Larssen grinste mit kindlicher Furchtlosigkeit.»Aye, Sir.»

Ein scharfes Krachen. Sie fuhren herum und sahen eine Rauchwolke von der Korvette aufsteigen; eine einzelne Kugel fuhr durch die Takelage des Fockmasts und warf weit an Steuerbord eine dünne Fontäne hoch.

Bolitho lächelte gelassen.»Signal verstanden. «Er nickte Allday zu.»Gehen Sie nach vorn und brüllen Sie ihre unsichtbare Mannschaft an.»

Bestimmt beobachtete der französische Kommandant persönlich die Segura. Bolitho warf einen raschen Blick auf den Kutter, der langsam von der Leeseite der Segura abstieß, bis ans Dollbord voll mit Männern und Riemen und dem Gewirr aus Segel und Mast, den Veitch jetzt aufzurichten begann. Eine Heckleine verband sie noch mit dem Schiff, an der das Sprengkommando später eingeholt werden sollte.

Bolitho griff in die Speichen und sagte:»Setzen Sie die Flagge, Larssen!»

Der Schwede grinste, und Sekunden später flatterte die amerikanische Flagge von der Gaffel.

Die Antwort kam augenblicklich: eine neue, scharfe Detonation; diesmal schmetterte die Sechspfundkugel wie ein mächtiger Hammer in den Rumpf der Segura und erschütterte das Schiff heftig.

Bolitho hatte auch nicht erwartet, daß sich die Korvette zum Narren halten lassen würde. Aber alles brauchte seine Zeit; aus dem Augenwinkel sah er, daß Veitch seinen Hut schwenkte zum Zeichen, daß er fertig war.

Ein dumpfer Schlag im Vorschiff; er sah Allday mit einer Axt zur Seite springen; der bräunliche Klüver kam rauschend herunter und hüllte ihn in einen fallenden Haufen Leinwand. Damit schien der Franzose zufrieden zu sein, denn der Kommandant brachte die Korvette bereits herum auf einen fast parallelen Kurs, so daß die Segura in Lee von ihm lag, und ließ auch schon Segel wegnehmen, um längsseit zu kommen. Schon enterten Matrosen mit Wurfankern in die Wanten, Stahl glitzerte auf, ein Enterkommando rannte bereits zum Vorschiff, wo der erste Kontakt erfolgen würde.

Bolitho fühlte, wie das Ruder unter seinen Händen bockte, denn ohne Vorsegel gierte die Segura wild, und die Segel schlugen heftig.

«Lunte zünden!»

Er hörte Allday unter Deck rennen und übergab dem Schweden wieder das Rad. Auf der Großrah der Korvette sah er einen Matrosen herüberdeuten und heftig gestikulieren; wahrscheinlich hatte er von oben den Kutter gesehen und wollte es den Offizieren auf dem Achterdeck melden, doch konnte er sich offenbar nicht verständlich machen: denn achtern quietschten Blöcke und Taljen, schlugen Segel, brüllten die Männer, begierig nach Kampf, mochte er auch nur einseitig sein.

Bolitho blieb noch am Ruder stehen. Machte er sich zu früh davon, würde der Franzose immer noch abdrehen können. Und unter Deck zischte die Lunte — hoffentlich war Allday nicht zu erschöpft gewesen, um die Länge richtig zu bemessen.

«Lunte brennt!»

Allday war voller Heuhalme, als hätte er sich eben durch eine Scheune gewühlt. Wahrscheinlich hatte er die Lunte, damit es keine vorzeitige Explosion gab, sorgfältig um die Viehfutterlast herumführen müssen.

«Über Bord! Packt die Achterleine!»

Er wartete, bis Allday mit seiner Axt am Schanzkleid war.»Du auch, Larssen! Schnell!«Er sah einen Schatten zu seinen Füßen sich bewegen, blickte darauf zur amerikanischen Flagge hoch und verzog das Gesicht.»Diese Flagge ist für heute genug mißbraucht worden; ich werde sie kappen. «Doch als er nach seinem Degen tastete, merkte er, daß er vergessen hatte, ihn mit an Deck zu nehmen.

Allday sah Bolithos bestürztes Gesicht und drückte dem Matrosen die Axt in die Hand.»Halt mal! Ich geh 'runter, den Degen holen!»

«Laß ihn!«schrie Bolitho.

Eine Kugel zischte an ihm vorbei, und dann riß ein ganzer Hagel von Schüssen Splitter aus den Planken, die wie Pfeile in alle Richtungen flogen. Bolitho hörte Larssen aufschreien und sah ihn in die Knie brechen; verzweifelt versuchte er, das Blut zu stillen, das reichlich aus seinem Oberschenkel rann. Bolitho ordnete seine rasenden Gedanken. Die verdammte Lunte! Fünf Minuten. Die mußten doch schon vorbei sein!

Er zog den Matrosen an die Reling, und da hörte er auch schon Allday herankeuchen.

«Halt ihn! Wir springen zusammen!«stieß er hervor.

Dann standen sie auf der Reling, deren Holz noch feucht von der Nachtluft war: Allday kappte die lange Achterleine, und alle drei platschten wie Lumpenbündel ins Wasser, von der Leine zusammengehalten.

Tiefer, immer tiefer; das Sonnenlicht verdämmerte in einem rötlichen Nebel — das muß Larssens Blut sein, dachte Bolitho — , die Leine schnürte ein wie eine Vogelschlinge: Veitchs Männer ruderten wahrscheinlich wie die Wilden. Seltsamerweise mußte er an die beiden Matrosen denken, die auf Malta desertiert waren. Die würden nie erfahren, was sie für Glück hatten, daß sie nicht mehr an Bord gewesen waren. Denn in dem einen noch vorhandenen Boot wäre kaum für sie Platz gewesen.

Es wurde heller über Bolithos Kopf, er kam an die Oberfläche, schüttelte sich das nasse Haar aus den Augen, schnappte nach Luft und sah den Kutter; das Segel war gesetzt, die Männer winkten und schrien — vielleicht schrien sie sogar hurra.

Larssen war bewußtlos: Allday und Bolitho konnten gerade noch seinen Kopf über Wasser halten und sich dabei an die Leine klammern, die jetzt, Hand über Hand, gegen den Druck der Strömung eingeholt wurde.

«Herrgott«, japste Allday,»so was möchte ich wirklich nicht öfter machen!»

Bolitho wandte den Kopf, um zu antworten; da platzten ihm beinahe die Trommelfelle bei der ohrenbetäubenden Explosion, von der die stille Morgenluft zerrissen wurde. Die Druckwelle schlug ihnen gegen Brust und Beine, preßte ihnen die Luft aus den Lungen und wirbelte sie mitsamt der Leine herum wie hilflose Puppen.

Holzstücke, Taufetzen, Heubündel regneten auf sie nieder. Eine lange Planke fiel direkt neben Allday ins Wasser und schoß wie ein Rammbock wieder hoch, nur ein paar Zoll von seinem Kopf entfernt.

«Jesus«, krächzte Allday,»das war knapp!«Bolitho konnte sich herumwerfen; wassertretend sah er sich nach den beiden Schiffen um. Aber da war nur noch eins; von der Segura sah man weiter nichts als einen wachsenden Kreis aus Schaum, Blasen, Treibgut und Heu, das nun kein französisches Kavalleriepferd mehr fressen würde.

Es war, als verblute die Segura beim Sinken, denn der immer noch wild wirbelnde Schaum färbte sich jetzt rot: Die Weinfässer mußten von der Explosion zerrissen worden sein.

Auch die Korvette war übel dran. Auf den ersten Blick mochte man meinen, sie sei dem Schlimmsten entgangen, doch als sie sich in dem aufgewühlten Wasser schräg legte, sah er in dem unsicheren Licht einen tiefen Riß im kupfernen Rumpfbeschlag wie den aufgerissenen Bauch eines Haifisches leuchten. Tauwerk und Segel waren zerfetzt, hingen wie Algen über Bord und verbargen das Leck, durch das jetzt die See einströmte. Daß sie nicht Feuer gefangen hatte, war ein reines Wunder; der Kommandant würde alle Hände voll zu tun haben, um seine Überlebenden zu retten, und konnte froh sein, wenn sein Schiff nicht hinter der Segura her in die Tiefe ging.

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