«Nun, Captain Thurgood aus New Bedford«, lächelte Bolitho,»in Kriegszeiten hat ein Schiff des Königs nie genug Mannschaften, das ist des Kommandanten ständige Sorge.»
Thurgood setzte sich wieder, ohne von Probyn Notiz zu nehmen.»Das ist und bleibt Ihr Problem, Kommodore. Ich führe nicht Krieg, und meine Männer sind nicht für König George da. «Er lok-kerte sich etwas.»Meine Regierung wird aufs schärfste protestieren und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, wenn ich mich beschwere. »
Bolitho nickte.»Das ist Ihr gutes Recht, Captain. Aber Sie wissen ebenso wie ich, daß eine ganze Menge Ihrer Leute so wenig amerikanisch sind wie die Westminster Abbey. «Er hob die Hand.»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Spielt auch keine Rolle. Sie sind offenbar ein gescheiter Mann, und es hat keinen Sinn, daß wir uns streiten. «Er stand auf.»Ich werde Sie auf Ihre schöne Barkentine zurückbringen lassen und Ihnen ein kleines Geschenk schicken: exzellenten Käse aus England. Ich hoffe, es kann den Ärger lindern, den wir Ihnen verursacht haben, wenn auch nicht ungeschehen machen.»
Thurgood sprang auf.»Sie meinen, ich kann gehen?«Völlig überrascht starrte er erst Bolitho und dann dem wutschnaubenden Probyn ins Gesicht.»Also, da soll mich doch.»
«Und Ihre Fracht, Captain? Darf ich mich erkundigen, was Sie geladen haben?«fragte Bolitho beiläufig.
«Billigen Rotwein«, antwortete Thurgood.»Die ganze Last voll. In meinem Heimathafen würde man damit den Fußboden waschen. «Er lachte in sich hinein, bis seine Augen unter einem Netz von Krähenfüßen verschwanden.»Bei Gott, Sie wissen, wie man einem Mann den Ärger vertreibt!»
«Ich muß protestieren!«rief Probyn aus.
«Bitte lassen Sie uns allein, Captain Probyn«, sagte Bolitho ruhig.»Und Ihr Midshipman soll dem Flaggschiff signalisieren, daß mein Bootsführer nachher, wenn er mich abholen kommt, einen schönen Käse mitbringt, gut verpackt.»
Thurgood grinste hinter dem abgehenden Probyn her.»Bei Gott, ich bin froh, daß Sie gekommen sind, Kommodore. Ich glaube, der da hätte mich am liebsten an den Großmast binden und auspeitschen lassen.»
«Er war im letzten Krieg Gefangener.»
Thurgood zuckte die Schultern.»Ich auch.»
Bolitho nahm seinen Hut.»Eine Sache noch, Captain. Sie kommen aus Marseille, ohne Zweifel. «Er schüttelte den Kopf.»Nein, ich will Ihnen keine Falle stellen. Aber es ist unwahrscheinlich, daß Sie eine Fracht wie die Ihre anderswo hätten laden können. Und wo segeln Sie hin?»
Thurgood musterte ihn amüsiert.»Nach Korfu. Dann mache ich, daß ich wegkomme, nach Hause. Ich habe eine Frau und drei Kinder in New Bedford.»
«Beneidenswert. «Bolitho merkte nicht, mit welcher Wärme der Amerikaner ihn anblickte.»Ich habe eine spanische Prise bei me i-nem Geschwader. Sie wurde vor einiger Zeit gekapert. «Er blickte Thurgood bedeutsam an.»Wie wäre es, wenn Sie ein paar Ihrer Matrosen gegen, sagen wir mal, die doppelte Anzahl Spanier tauschten?«Er sah, daß der Amerikaner rasche Berechnungen anstellte.»Ich denke mir, wenn Sie die Spanier wieder laufen lassen, nachdem Sie Ihre Fracht in Korfu gelöscht haben und westwärts heimsegeln, würde die spanische Regierung Sie mit Freuden dafür entschädigen.»
«Das weiß man nicht genau«, erwiderte Thurgood zweifelnd.
Bolitho lächelte.»Sie brauchen ihnen keine Heuer zu zahlen. Und außerdem müssen Sie Ihren Profit nur mit so vielen Leuten teilen, wie Sie unbedingt für die Heimreise nötig haben.»
Thurgood hielt ihm die Hand hin.»Wenn Sie jemals einen Job brauchen, Kommodore, und ich meine das ernst, dann fragen Sie drüben nach mir. «Er schüttelte ihm kräftig die Hand.»Ich habe so ein paar Rauhbeine an Bord, die können Sie kriegen. Ausgebildete Seeleute, aber ich bin froh, wenn ich sie los bin.»
Bolitho lächelte wieder.»Bei uns werden sie schon ruhiger werden.»
Oben an Deck war es drückend heiß; der Wind kam in unregelmäßigen Böen, so daß die Schiffe ungemütlich dümpelten.
Bolitho winkte Probyn heran.»Signalisieren Sie der Lysander: die Segura soll näher herankommen. Dann teilen Sie einen verläßlichen Offizier ein, der mit Captain Thurgood an Bord der Santa Paula geht. Thurgood wird Ihnen erklären, um was es sich handelt.»
Probyn sah aus, als wolle er platzen.»Jawohl, Sir.»
Lächelnd sagte Bolitho zu dem Amerikaner:»Ich schicke Ihnen also durch meinen Bootsmann einen schönen reifen Käse hinüber. Er könnte sogar Ihren billigen Wein trinkbar machen.»
Vom achteren Davit wurde ein Boot gefiert, und Thurgood sagte:»Dann gehe ich, Kommodore. Aber warten Sie. Bolitho? Wir hatten im Krieg einen Kaperkapitän dieses Namens.»
«Mein Bruder. Er ist tot«, antwortete Bolitho mit abgewandtem
Blick.
Thurgood hielt ihm die Hand hin.»Viel Glück, was Sie auch vorhaben. Ich werde meiner Frau und den Jungen von dieser Begegnung erzählen. Und von dem Käse«, grinste er.
Ein Leutnant kam über das Achterdeck und faßte an den Hut.»Jolle ist längsseit, Sir«, meldete er.
Thurgood wollte schon gehen, drehte sich aber noch einmal um. Er sah nachdenklich drein.»Ich will mit diesem oder sonst einem Krieg nichts zu tun haben. Ich habe die Nase voll davon. «Er kniff ein Auge zu.»Aber wenn ich ein so kleines Geschwader hätte wie Ihres, dann würde ich sehr ernsthaft daran denken, von hier zu verschwinden.»
Bolitho suchte seine Erregung zu verbergen, seine Betroffenheit.»Tatsächlich?»
Thurgood grinste.»In Toulon wartet, höre ich, eine ganze Flotte, und obendrein liegen dort dreihundert Transporter.»
«Danke, Captain. «Bolitho begleitete ihn zur Reling.»Und auch Ihnen eine sichere Reise.»
Erwartete, bis Thurgood im Boot war, und sagte dann:»Rufen Sie meine Gig!»
Eine Flotte von dreihundert Transportern? Eine Armada war das.
Probyns Stimme schnitt in seine rasenden Gedanken.»Ich muß aufs entschiedenste protestieren, Sir! Sie haben mich vor diesem Yankee gedemütigt!»
Mit blitzenden Augen fuhr Bolitho herum.»Gedemütigt? Und was denken Sie, wie mir zumute ist, wenn ein Linienschiff meines Geschwaders ein unbewaffnetes, neutrales Handelsschiff beschießt? Wenn einer meiner Kommandanten, nur um seinen Kopf durchzusetzen, unnötig Menschenleben aufs Spiel setzt, vielleicht sogar einen Krieg vom Zaun bricht?«Er sprach gefährlich leise.»Und das alles nur, weil Sie wußten, daß ich dafür geradestehen muß, nicht wahr?»
Probyn schwoll etwas ab.»Das ist ungerecht, Sir!»
Bolitho sah ihn gelassen an.»Mag sein. Aber halten Sie mich gefälligst nicht für dumm. Das empfinde ich nämlich als Demütigung.»
Er sah, daß seine Gig schon auf dem Weg war, und schritt zur Fallreepspforte.»Sie kriegen Ihre Männer. Sie hätten sie wahrscheinlich auch bekommen, wenn Sie gesunden Menschenverstand gebraucht hätten statt Kanonen. «Er deutete mit dem Kopf zu einigen Matrosen hin, die an den Taljen standen.»Sehen Sie sich die an, Captain. Hätten Sie Lust, für jemanden zu kämpfen, der Sie schlechter hält als einen Hund?«Er wartete die Antwort nicht ab.»Behandeln Sie die Leute anständig, sonst kämpfen sie nicht für Sie. «Er lehnte sich über die Reling und rief durch die hohlen Hände:»Bringen Sie das Paket zur Barkentine, Allday! Anschließend holen Sie mich ab!»
Allday winkte Bestätigung und änderte seinen Kurs.
Eine Stunde später war Bolitho wieder an Bord des Flaggschiffes. Farquhar konnte kaum seine Neugier verbergen.
«Signalisieren Sie der Harebell, sie soll sofort herkommen. Ich kann nicht auf Javal warten. Inch soll meine Depeschen zum Admi-ral bringen.»
Bolitho wartete, bis Farquhar nach Luce geschickt hatte und die triefende Gig wieder an Bord gehievt war. Als Farquhar zurückkam, fragte dieser:»Darf ich mich erkundigen, was Sie vorhaben, Sir? Und was soll mit der Segura werden?»
«Ich gebe Captain Thurgood ein paar von den spanischen Matrosen im Austausch gegen die, äh, Nicht-Amerikaner seiner Barken-tine.»