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«Ich gehe an Deck und begrüße die Kommandanten«, sagte er. Und dann sage ich Herrick auf Wiedersehen, fügte er in Gedanken hinzu.»Danke, daß Sie — «, er blickte in Alldays vertrautes Gesicht — ,»daß Sie mich erinnert haben.»

Damit ging er hinaus.

Allday sah ihm nach und legte Ozzard den Arm um die Schulter.

«Bei Gott, nicht für 'n Dutzend Mädels und einen Ozean voll Rum möchte ich seinen Posten haben!»

Ozzard grinste.»Den wird man dir auch kaum anbieten.»

An Deck war es noch hell. Die abendliche See hatte eine lebhafte Kräuselung bei langer flacher Dünung. Die drei Linienschiffe lagen mit killenden Segeln beigedreht und hatten ihre Boote ausgesetzt. Zu jeder anderen Zeit hätte Bolitho bei diesem Anblick das Herz im

Leibe gelacht. Jetzt, als er auf der Kampanje stand und die beiden Boote in raschem Tempo auf die Lysander zukommen sah, war ihm zumute wie bei einem schweren Verlust.

Den Hut tief ins Gesicht gezogen, stand Herrick an der Leereling. Dicht neben ihm wartete Gilchrist, die Arme verschränkt, die dünnen Beine gespreizt, um die unregelmäßigen Bewegungen des Schiffes abzufangen. Spuren des Gefechtes waren kaum noch zu sehen: ein paar helle Stellen in den Planken, wo der Zimmermann und seine Maaten ihr Werk getan hatten; frische Farbe, wo etwas ersetzt worden war. Die Segel über dem geschäftigen Deck waren sauber geflickt. Nur schwer konnte man sich noch Pulverqualm und Kampfgetöse vorstellen.

Kaum wagte sich Bolitho auszumalen, was Herrick in diesem Moment dachte. Er mußte sehr stolz darauf sein, wie gut seine Mannschaft gekämpft und alles Schlimme hinterher verkraftet hatte. Noch vor ein paar Monaten hatten die meisten dieser tüchtigen Seeleute an Land gearbeitet, auf einer Farm, in der Stadt, mit mehr oder weniger Können und Erfolg, und hatten nicht entfernt daran gedacht, daß sie einmal auf einem Kriegsschiff dienen würden.

Es würde ihnen leid tun, daß ihr Kommandant von Bord ging. Besonders für die neuen Matrosen war Herrick so etwas wie einer von ihnen, in gewisser Hinsicht ein Anfänger wie sie selbst. Empfanden sie Bedauern oder Ärger, so mußte es sich gegen den Kommodore richten. Nun, damit würde er notfalls schon noch fertig werden, dachte er grimmig. Auf keinen Fall durfte das gute Andenken an Herrick durch diese Entscheidung beeinträchtigt werden, mochte sie nun richtig oder falsch gewesen sein.

Das erste Boot machte jetzt an den Rüsten fest. Es war Farquhar. Natürlich. Er stieg so elegant und schick durch die Fallreepspforte, als käme er von seinem Londoner Schneider. Als er grüßend den Hut zum Achterdeck hin lüftete, glitten seine Blicke gelassen über die angetretenen Marine-Infanteristen und ihre blinkenden Bajonette. Sein hellblondes Haar, im Nacken zusammengebunden, glänzte über dem Kragen wie blasses Gold.

Bolitho beobachtete ihn, wie er Herrick die Hand schüttelte. Wie schlecht die beiden zusammenpaßten! Farquhars Onkel, Sir Henry

Longford, war Bolithos erster Kommandant gewesen, als er, zwölf Jahre alt, mit ehrfurchtsvollem, erschrockenem Staunen an Bord des Achtzig-Kanonen-Schiffes Manxman[18] gekommen war. Vierzehn Jahre später hatte ihm Longford, inzwischen Admiral, eine Fregatte gegeben, der sein Neffe als Midshipman zugeteilt wurde. Und jetzt war Farquhar, Anfang Dreißig und Fregattenkapitän, wieder bei ihm. Wenn er den Krieg überlebte, würde er zu hohem Rang aufsteigen, in der Flotte wie in der Heimat. Bolitho hatte von Anfang an nicht daran gezweifelt, und Herrick hatte sich nie damit abgefunden.

Wieder trillerten die Pfeifen, und George Probyn von der Nica-tor, unordentlich wie immer, schob sich durch die Pforte.

Auf der anderen Seite des Achterdecks stand Pascoe bei Luce und seinen Signalgasten; und Bolitho fand, daß er selbst ebenso ausgesehen haben mußte, wenn er als junger Leutnant zugesehen hatte, wie irgendwelche unerreichbaren, erhabenen Vorgesetzte kamen und gingen.

Mit einem Seufzer schritt er zur Kampanjeleiter. Eben sagte Herrick:»Wenn Sie bitte in meine Kajüte kommen wollen, Captain Probyn. Der Kommodore will erst Captain Farquhar sprechen.»

Farquhar zog die Brauen leicht hoch.»Ach? So dienstlich, Cap-tain Herrick?»

«Jawohl«, antwortete Herrick kalt.

Bolitho beobachtete Farquhar beim Eintreten. Wachsam, im Zweifel vielleicht, wie sein Kommodore reagieren würde; er spürte wohl auch, daß etwas Besonderes in der Luft war. Doch im ganzen blieb er durchaus selbstsicher.

«Hier mein Bericht, Sir.»

Bolitho deutete auf einen Stuhl.»Gleich. Unser Angriff war, wie Sie bemerkt haben werden, erfolgreich. Wir haben eine gute Prise, ein weiteres spanisches Schiff aus der Bucht ist auf dem Weg nach Gibraltar. Vor vier Tagen hatten wir Feindberührung: zwei französische Linienschiffe. Wir haben beide zerschossen und dann die Aktion abgebrochen. Unsere Verluste waren gering — verhältnismäßig.»

Farquhar lächelte gelassen, sah aber nicht mehr ganz so selbstbewußt aus.»Ich handelte nach Ihren Instruktionen, Sir. Die Buz-zard meldete mir einen Konvoi von fünf Schiffen, und wir nahmen die Verfolgung auf. Unter diesen Umständen.»

«Das war durchaus korrekt. Haben Sie sie erwischt?»

«Captain Javal konnte ein paar Schiffe beschädigen, Sir, aber nur eins zum Beidrehen zwingen. Unglücklicherweise konnte ich nicht rechtzeitig zur Stelle sein, da ich meine Großmaststenge in einer Sturmbö verloren hatte. Die Nicator griff an und feuerte auf Grund eines, äh, mißverstandenen Signals eine halbe Breitseite in das französische Schiff, so daß es zu sinken begann.»

«Und dann?»

Farquhar zupfte ein Kuvert aus seinem eleganten Rock.»Dem Führer meines Enterkommandos ist es gelungen, diesen Brief aus dem Panzerschrank des Kommandanten zu retten, ehe das Schiff kenterte und sank. Er ist an einen gewissen Yves Gorse adressiert, der anscheinend in Malta wohnt. Dieser Gorse soll Ankermöglichkeiten schaffen. «Er warf den Brief auf den Tisch.»Für normale Handelsschiffe, oder so ähnlich wird es ausgedrückt. Ich nehme an, der Text ist verschlüsselt; aber der Kommandant war ein solcher Dummkopf, daß ich nichts aus ihm herausbringen konnte. Das kleine Geleit kam aus Marseille. Eskorte war eine französische Korvette, nicht weil sie sich irgendwie von uns bedroht fühlten, sondern wegen der Berberpiraten und dergleichen. «Das Wichtigste hob sich Farquhar bis zuletzt auf.»Mein Erster hat etwas herausbekommen, Sir. Ich habe mehrere französische Matrosen für meine Mannschaft gepreßt; und einer von ihnen hat gehört, wie einer der Überlebenden behauptete, dieser Brief sei auf persönlichen Befehl von Admiral Brueys an Bord gebracht worden!»

Überrascht sah Bolitho auf. Brueys war vielleicht der beste und fähigste Admiral der französischen Flotte. Vielleicht sogar aller Flotten.

«Das haben Sie gut gemacht. «Bolitho rieb sich die Hände an den Schenkeln trocken.»Dieser Gorse muß ein Spion oder Agent sein. Vielleicht haben die Franzosen einen Angriff auf Malta vor.»

«Oder auf Sizilien?«überlegte Farquhar stirnrunzelnd.»Bonaparte soll Absichten auf das Königreich haben. Sie sind im Frieden miteinander; aber wahrscheinlich denkt er, daß man sich im Kriege einen Luxus wie Neutralität nicht leisten kann — womit er meiner Ansicht nach recht hat.»

«Mag sein. «Bolitho versuchte, nicht an Herrick zu denken.»Wir segeln möglichst schnell nach Toulon und Marseille. Auf Grund Ihres Fundes können wir uns jetzt ein Bild davon verschaffen, wie weit sie mit ihren Vorbereitungen sind.»

«Und Ihre Prise, Sir«, fragte Farquhar,»was hat sie geladen?»

«Pulver und Munition. Und Futtermittel.»

«Futter?»

«Ja. Mich beunruhigt das auch. Alle Vorbereitungen der Franzosen und Spanier deuten auf einen Angriff großen Stils. Aber Futter? Das sieht nicht nach einem örtlich begrenzten Angriff aus. Mehr nach Kavallerie und schwerer Artillerie mit den nötigen Männern und Pferden.»

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18

Manxman: Einwohner der Insel Man.

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