Rhodes kniete neben dem Offizier der Seesoldaten.»Er wird überleben, wenn wir ihn bald zum alten Bulkley schaffen.»
Palliser hob eine Hand, und das Ruder wurde leicht gelegt. Ein anderer Schoner stand unter vollen Segeln genau querab von ihnen und hielt von den brennenden Wracks weg auf die Einfahrt zu.
Er sagte:»Bis sie entdeckt haben, daß wir eines ihrer Schiffe geschnappt haben, sind wir klar von ihnen.»
Er wandte sich abrupt um, als die gewaltigen Masten der San Augustin plötzlich über dem Rauch emporstiegen. Sie lag noch vor Anker, und sicherlich stand jeder Mann an Bord bereit, die treibenden Branderschiffe fernzuhalten und jeden überspringenden Funken zu erstik-ken.
Palliser setzte hinzu:»Was danach kommt, ist zum Glück nicht mehr mein Problem.»
Eine Kugel platschte neben dem Backbordbug ins Wasser. Bolitho schloß daraus, daß Garricks Kanoniere endlich erkannt hatten, was vor sich ging. Doch als der Qualm dünner wurde und Teile der Insel bleich, aber klar im Sonnenlicht hervortraten, waren sie schon hinter dem kritischen Punkt.
Pearse flüsterte:»Schau, Bob, da ist sie!«Er hob den Kopf eines verwundeten Matrosen so an, daß er die hart angebraßten Marssegel der Destiny sehen konnte, die von Dumaresq so nahe an die Riffe herangeführt worden war, wie er es wagen konnte. Dann sagte Bootsmannsmaat Pearse, der wie ein Teufel gekämpft hatte und auf Befehl seines Kommandanten den Rücken manches Delinquenten mit der neunschwänzigen Meerkatze blutig geschlagen hatte, leise zu Palliser:»Der arme Bob ist tot, Sir. «Er schloß die Augen des jungen Matrosen mit seinen teerigen Händen und setzte hinzu:»Noch ein paar Minuten, und er wäre gerettet worden.»
Bolitho beobachtete, wie die Fregatte Segel wegnahm und viele Leute auf ihren Laufbrücken hin und her rannten, als beide Schiffe einander näherkamen. Die Galionsfigur der Destiny hob, unverändert nackt und bleich, den Siegeskranz wie zum Hohn der rauchgeschwärzten Insel entgegen.
Bolitho dachte an den toten Seemann namens Bob und an den einsamen Leichnam, der im Langboot zurückgelassen worden war. Er dachte auch an Stockdales Sorge, daß er abkommandiert werden könnte, als er gebraucht wurde. Und er dachte an Colpoys, an den Korporal mit dem Spitznamen >Dipper<, an Jury und Cowdroy und an die vielen, die sie tot hatten zurücklassen müssen.
«Vorsegel bergen!«Palliser beobachtete die langsame Annäherung der Destiny mit grimmiger Genugtuung.»Es gab Augenblicke, in denen ich dachte, ich würde diese Lady nie wiedersehen.»
Josh Little trat an Pearses Seite und brummte:»Darauf genehmigen wir uns einen Schluck, wenn wir wieder an Bord sind, eh?»
Pearse schaute noch immer auf den Toten nieder.»Aye, Josh. Und einen auf ihn.»
Rhodes sagte:»Der >Herr und Meisten wird auf seinem Willen bestehen: Kampf bis zur Entscheidung. «Er duckte sich, als eine Wurfleine neben ihm landete.»Ich für meine Person wünschte, die Chancen wären ausgeglichener. «Er blickte hinüber auf den großen Mantel aus Rauch, der den abgeflachten Hügel einhüllte, als wolle er ihn wegtragen.»Sie waren großartig, Dick. Wirklich.»
Sie sahen einander so prüfend an wie zwei Fremde. Dann sagte Bo-litho:»Ich fürchtete, ihr würdet euch zurückhalten in der Annahme, daß wir gefangen wurden.»
Rhodes winkte einem Mann auf der Laufbrücke der Destiny zu.»Oh, habe ich das noch nicht erzählt? Wir wußten, wo Sie waren und was Sie machten, alles.»
Bolitho starrte ihn ungläubig an.»Wieso?»
«Erinnern Sie sich an Ihren Toppsgasten Murray, den Deserteur? Er war Garricks Ausguck. Er sah Sie und den jungen Jury, wie Sie aus der Deckung kamen. «Rhodes packte den Arm seines Freundes.»Es ist die Wahrheit. Er liegt jetzt unter Deck, mit einem Splitter im Bein. Hat eine tolle Geschichte zu erzählen. Glück für Sie und den jungen Jury, nicht wahr?»
Bolitho schüttelte den Kopf und schaute, gegen das Schanzkleid des Schoners gelehnt, der Annäherung der beiden Schiffe in der langen Dünung zu.
Der Tod war ihnen so nahe gewesen, und er hatte nichts davon bemerkt. Murray mußte mit dem ersten verfügbaren Schiff Rio verlassen haben, und das hatte ihn zu Garricks Insel gebracht. Er hätte Alarm schlagen oder sie beide niederschießen können, dann wäre er von Garricks Leuten als Held gefeiert worden. Statt dessen hatte ihn irgend etwas, das sie eins t verbunden hatte, zurückgehalten und ihm klargemacht, wohin er gehörte.
Dumaresqs Stimme dröhnte durch ein Megaphon zu ihnen:»Etwas
Bewegung da drüben! Ich sitze gleich auf Grund, wenn ihr nicht an Bord kommt!»
Rhodes grinste.»Endlich wieder zu Hause!»
Kapitän Dumaresq stand, die Hände auf dem Rücken, an den Heckfenstern seiner Kajüte und lauschte Pallisers Bericht über die regelrechte Schlacht und ihre Flucht aus der Lagune.
Er gab Macmillan ein Zeichen, seinen arg mitgenommenen und todmüden Offizieren noch ein Glas einzuschenken, und sagte dann:»Ich hatte ein Landungskorps ausgesetzt, um Garrick ein wenig am Bart zu zupfen. Ich hatte nicht erwartet, daß Sie gleich eine ganze Invasion auf eigene Faust unternehmen würden!«Er lächelte dabei, sah dadurch aber erst recht traurig und übermüdet aus.»Ich werde morgen bei Sonnenaufgang zu Ihnen und Ihren Leuten sprechen. Ohne Ihre Tat wäre die Destiny auf so starken Widerstand gestoßen, daß ich bezweifle, ob ich sie heil wieder herausbekommen hätte. Die Dinge stehen noch immer schlecht, meine Herren, aber zumindest wissen wir jetzt, woran wir sind.»
Palliser fragte:»Haben Sie immer noch die Absicht, den Schoner nach Antigua zu schicken, Sir?»
Dumaresq sah ihn nachdenklich an.»Ihren Schoner, meinen Sie?«Er ging zu den Fenstern und starrte in das Spiegelbild der untergehenden Sonne auf dem Wasser. Es war wie rotes Gold.»Ja. Tut mir leid, daß ich Ihnen abermals eine Prise wegnehmen muß.»
Bolitho beobachtete sie, alle Sinne trotz der Anspannung und der bitteren Erinnerungen dieses Tages hellwach. Er erkannte, daß es zwischen dem Kommandanten und seinem Ersten Offizier ein Band gab, das unzerreißbar war.
Dumaresq fügte hinzu:»Wenn die San Augustin nur wenig beschädigt ist, müssen wir sie schnellstens besiegen. Sobald Garricks Ausguckposten melden, daß der Schoner uns verläßt, wird er wissen, daß die Zeit gegen ihn arbeitet. Daß ich Hilfe herbeirufe. «Er nickte grimmig.»Morgen wird er herauskommen, ganz sicher.»
Palliser blieb hartnäckig.»Er wird dabei von den restlichen Schonern unterstützt werden. Zwei könnten das Feuer überstanden haben.»
«Ich weiß. Aber besser so, als daraufwarten, bis Garrick uns mit einem völlig überholten Kriegsschiff entgegentritt. Auch ich hätte gern bessere Bedingungen, aber nur wenige Kommandanten haben das Glück, sich ihre Bedingungen selbst aussuchen zu können.»
Bolitho dachte an die Männer, die auf den Schoner geschickt worden waren. Mit ganz wenigen Ausnahmen waren sie alle verwundet, aber dennoch so stolz und herausfordernd gewe sen, daß sie beim Ablegen mit Hochrufen von der Destiny verabschiedet worden waren.
Aus Gründen, die nur er selber kannte, hatte Dumaresq dem Steuermannsmaaten Yeames das Kommando über die Prise gegeben. Das mußte ein harter Schlag für Slade gewesen sein.
Bolitho war sehr bewegt, als Yeames vorm Ablegen des letzten Bootes an ihn herangetreten war. Er hatte den Steuermannsmaaten immer gemocht, aber nie über ihn nachgedacht.
Yeames streckte ihm die Hand hin.»Sie werden morgen siegen, Sir, ich zweifle nicht daran. Aber es könnte sein, daß wir einander nicht wieder begegnen. Wenn es aber doch der Fall sein sollte, möchte ich, daß Sie sich an mich erinnern. Ich wäre froh, unter Ihnen dienen zu dürfen, wenn Sie einmal ein eigenes Schiff bekommen.»
Er war gegangen und hatte Bolitho verwirrt und ein wenig stolz zurückgelassen.
Dumaresqs sonore Stimme unterbrach seine Gedanken.»Wir werden morgen bei Anbruch der Dämmerung das Schiff klar zum Gefecht machen. Ich werde mit den Männern sprechen, bevor wir auf den Feind stoßen, aber Ihnen möchte ich schon jetzt meinen besonderen Dank sagen.»