Литмир - Электронная Библиотека

«Treffer! Ein Treffer!«Die Männer der Geschützbedienung sprangen schweißtriefend und mit geschwärzten Gesichtern wie Verrückte um ihre Kanone herum.

Stockdale nutzte schon seine Kräfte, um die Mündung mit einer Handspake ein kleines Stück zu verschieben.

«Er brennt!«Pearse hielt die Hände als Sonnenschutz über die Augen.»Gott strafe sie! Sie versuchen, das Feuer zu löschen.»

Aber Bolitho beobachtete den Schoner am fernen Ende der Lagune. Er hatte von allen Schiffen den sichersten Ankerplatz; noch während er ihn beobachtete, sah er, wie sein Klüver gesetzt wurde und ein Mann dabei war, die Ankertrosse zu kappen.

Bolitho streckte den Arm aus, da er nicht wagte, den Blick von dem Schoner abzuwenden, und rief:»Ein Glas! Schnell!»

Jury eilte herbei und legte ihm ein Fernglas in die Hand.

Dann trat er etwas zurück und beobachtete ihn gebannt.

Bolitho spürte den Luftzug einer Musketenkugel, die dicht an seinem Kopf vorbeistrich, zuckte aber nicht mit der Wimper. Er durfte das kleine Bild nicht aus den Augen verlieren, selbst wenn er sich dabei der Gefahr aussetzte, erschossen zu werden.

Was er sah, war für andere auf diese Entfernung kaum zu erkennen; doch für ihn sprach es eine deutliche Sprache, weil er die Akteure kannte: Pallisers lange Gestalt, den Säbel in der Hand. Slade und ein paar Matrosen an der Pinne und Rhodes, der mit den übrigen Leuten Fallen und Schoten bediente, als der Schoner sich von seinem Ankerplatz löste und zunächst schwerfällig vor den Wind drehte. Dabei spritzte an seiner Bordwand Wasser hoch, und einen Augenblick glaubte Bolitho, Palliser würde beschossen. Doch dann erkannte er, daß seine Leute die Schiffsbesatzung einfach über Bord warfen, statt kostbare Zeit mit ihrer Bewachung zu verschwenden.

Colpoys rief aufgeregt:»Sie müssen zum Schiff hinausgeschwommen sein! Ein schlauer Fuchs, dieser Palliser! Hat unseren Angriff als Ablenkung genutzt.»

Bolitho nickte. Seine Ohren dröhnten vom ständigen Krachen des

Musketenfeuers und dem gelegentlichen Bellen der Schwenkgeschütze. Statt die Mitte der Lagune anzusteuern, hielt Palliser direkt auf den Schoner zu, der von Littles glühender Kugel getroffen worden war.

Als er dem brennenden Schiff näherkam, sah Bolitho Mündungsfeuer und schloß daraus, daß Palliser auf die Männer zielen ließ, die sich bemühten, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Immer stärkere Rauchwolken stiegen vom Rumpf des Getroffenen auf und trieben aufs Ufer und die verlassenen Hütten zu.

Bolitho rief:»Little! Zielwechsel auf den nächsten Schoner!»

Minuten später donnerte die glühende Kugel durch die dünne Bordwand eines weiteren Schoners und löste mehrere Explosionen im Schiffsinnern aus, worauf ein Mast von oben kam und der Großteil der Takelage in Brand geriet.

Als sie sahen, daß zwei ihrer Schiffe lichterloh brannten, bedurfte es für die übrigen Besatzungen keiner Überlegung mehr, die Ankertrossen zu kappen, um der Feuerhölle zu entrinnen. Pallisers Schoner war nun unter Kontrolle, seine großen Segel blähten sich und ragten über den dicken Qualm wie die Flügel eines Racheengels.

Bolitho sagte plötzlich: «Zeit, daß wir aufbrechen. «Er wußte nicht, woher ihm der Gedanke kam. Er spürte es einfach.

Colpoys schwang seinen Säbel.»Hebt die Verwundeten auf! Korporal, legen Sie einen Zünder an das Pulvermagazin!»

Littles Lunte senkte sich wieder zum Zündloch, und eine weitere Feuerkugel sauste über das Wasser und traf das Schiff, das schon in Flammen stand. Man sah Leute über Bord springen und im Wasser strampeln wie sterbende Fische, bis die große Rauchwolke sie erreichte und vor allen Blicken verbarg.

Pearse warf sich einen verwundeten Seesoldaten über die Schulter, behielt aber sein großes Entermesser in der anderen Hand.

Er sagte:»Der Wind hält sich, Sir. Der Qualm wird der verdammten Batterie die Sicht nehmen.»

Keuchend wie Tiere kletterten Matrosen und Seesoldaten den Abhang hinunter, wobei sie sich bemühten, die Bodenwelle zwischen sich und der Hügelbatterie zu halten.

Colpoys wies aufs Wasser:»Das ist am nächsten!«Plötzlich brach er in die Knie und preßte die Hände an die Brust.»O Gott, jetzt hat's mich erwischt!»

Bolitho befahl zwei Seesoldaten, ihn vorsichtig aufzuheben. Trotz des Krachens der Musketen und des Prasselns der Flammen, die hinter der Rauchwolke ein Schiff verzehrten, arbeiteten seine Gedanken fieberhaft. Er hörte auch Geschrei von Besatzungsmitgliedern der Schoner, die an Land gewesen waren, als der Angriff begann, und nun zum Hügel rannten in der Hoffnung, daß sie im Bereich der Batterie Schutz finden konnten.

Bolitho hielt erst an, als seine Füße fast im Wasser standen. Er konnte kaum atmen, und seine Augen tränten so stark, daß er nicht übers Ufer hinaussehen konnte.

Sie hatten das scheinbar Unmögliche geschafft, aber während Palli-ser ihren Angriff zur Ablenkung genutzt hatte, gab es für ihn selbst jetzt kein Weiterkommen mehr.

Er kniete hin, um seine Pistole neu zu laden, und seine Hände zitterten, als er sie für einen letzten Schuß spannte.

Jury war bei ihm, auch Stockdale. Aber sonst war es wohl nur noch die Hälfte der Truppe, die den Hügel erstürmt und die Kanone erobert hatte.

Bolitho sah Stockdales Augen aufleuchten, als das Magazin explodierte und dabei die Kanone herausriß, die mit einer Lawine von Leichen und zerborstenen Felsen den Abhang hinunterrollte.

Fähnrich Cowdroy wies plötzlich mit seinem Säbel in den Qualm.»Ein Boot! Schauen Sie!»

Pearse ließ den verletzten Seesoldaten zu Boden gleiten und watete ins Wasser, wobei er sein schreckliches Entermesser über dem Kopf schwang.

«Wir nehmen es ihnen ab, Jungs!»

Bolitho spürte ihre verzweifelte Entschlossenheit wie eine lebenspendende Kraft. Seeleute waren sich in einem Punkt alle gleich: Man gebe ihnen ein Boot, auch noch so klein, und sie waren ihrer Sache sicher.

Little zog sein Entermesser heraus und fletschte die Zähne.»Schlagt sie nieder, bevor sie uns entwischen!»

Jury lehnte sich an Bolitho, der einen Augenblick annahm, er sei von einer Kugel getroffen, doch der Junge deutete nur ungläubig in den Qualm und auf das schattenhaft hervorkommende Boot.

Bolitho nickte nur, denn er konnte es selbst nicht fassen.

Er sah Rhodes im Bug des Langbootes stehen und dahinter die karierten Hemden der Matrosen von der Destiny an den Riemen.

«Nun aber lebhaft!«Rhodes reichte herunter und faßte Bolitho am Handgelenk.»Noch ganz?«Er sah den verwundeten Colpoys und rief:»Faßt mal mit an!»

Das Boot war binnen kurzem so voll mit zum Teil verwundeten Menschen, daß es nur noch knapp fünf Zoll Freibord hatte, als es wie trunken rückwärts rudernd im Qualm untertauchte.

Hustend und fluchend erklärte Rhodes:»Wir wußten, daß ihr versuchen würdet, uns zu erreichen. Einzige Chance. Mein Gott, habt ihr ein Tohuwabohu angerichtet, ihr Halunken!»

Ein brennender Schoner trieb querab vorbei. Bolitho spürte die Hitze wie Höllenfeuer im Gesicht. Explosionen dröhnten durch den Rauch, und er nahm an, daß ein weiteres Pulvermagazin in die Luft flog oder daß die Batterie auf dem Hügel blindlings über die Lagune feuerte.

«Was jetzt?»

Rhodes stand auf und gestikulierte heftig zum Bootssteurer.»Hart Steuerbord!»

Bolitho sah die Zwillingsmasten eines Schoners direkt über sich, und schon griffen die Männer nach den Leinen, die ihnen aus dem Qualm wie Schlangen entgegenflogen.

Stöhnend und manchmal vor Schmerzen schreiend, wurden die Verwundeten die Bordwand hinaufgezogen oder — geschoben, und als sie das Boot mit einem Kameraden darin, der noch angesichts der sicheren Rettung gestorben war, treiben ließen, hörte Bolitho Pallisers vertraute Stimme.

Bolitho tastete sich durch den Rauch zu Palliser und Slade an der Pinne.

Palliser rief:»Mann, Sie sehen aus wie ein entsprungener Sträfling!«Er schenkte ihm ein kurzes Lächeln, und Bolitho erkannte darin ebenso Erschöpfung wie Erleichterung.

66
{"b":"112734","o":1}