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«Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. Das nächste Mal wissen Sie's dann.»

Colpoys, der gerade eine Feldflasche mit warmem Wein an die Lippen hielt, setzte sie ab und beobachtete, wie sie in der Dunkelheit verschwanden. Der Dritte Offizier hatte sich seit Plymouth sehr herausgemacht, dachte er. Er mochte noch sehr jung sein, aber er handelte mit der Autorität eines Veteranen.

Bolitho wischte den Staub von seinem Fernrohr und versuchte, seinen bäuchlings ausgestreckten Körper in eine einigermaßen bequeme Lage zu bringen. Es war noch früher Morgen, aber der Sand und die Felsen waren schon heiß, und seine Haut juckte so, daß er gern sein Hemd heruntergerissen und sich überall gekratzt hätte. Colpoys rutschte heran und hielt ihm eine Handvoll trockenes Gras hin.»Beschatten Sie die Linse damit. Es braucht nur ein Sonnenstrahl reflektiert zu werden, und schon wird Alarm geschlagen.»

Bolitho nickte nur, um Stimme und Atem zu schonen. Er hob das Fernglas sehr vorsichtig und schwenkte es langsam von der einen Seite zur anderen. Es gab mehrere kleine Kuppen wie die, hinter der sie sich vor dem Feind und der Sonne versteckt hatten, aber alle wurden überragt von dem kahlen Hügel. Er verbarg die offene See, die direkt dahinter liegen mußte, aber an seiner rechten Seite sah Bolitho das Ende der Lagune und einige der sechs dort ankernden Schiffe. Alles Schoner, soweit er erkennen konnte, und alle wie festgenagelt im blendenden Sonnenlicht. Nur ein kleines Beiboot zeichnete Muster auf die glitzernde Wasserfläche. Dahinter und sie umfassend lief der gebogene Arm aus Fels und Korallen nach links weiter, doch die schmale Fahrrinne zur offenen See war ebenfalls durch den Hügel verdeckt.

Bolitho schwenkte das Glas abermals und konzentrierte sich auf das Land am entfernten Ende der Lagune. Nichts bewegte sich, und doch mußten Palliser und seine Leute dort, wo sie gelandet waren, im Versteck liegen, mit der See im Rücken. Er schätzte, daß die San Augustin, wenn sie noch schwamm, auf der anderen Seite des Hügels unterhalb der Batterie lag, von der sie bezwungen worden war.

Colpoys hatte sein Teleskop auf das Westende der Insel gerichtet.»Da, Richard — Hütten. Eine ganze Reihe.»

Bolitho stellte sein Fernglas darauf ein und setzte es kurz ab, um sich den Schweiß aus den Augen zu wischen. Die Hütten waren klein, roh gebaut und besaßen keine Fenster. Wahrscheinlich dienten sie nur als Lager für Waffen und Beutegut, dachte er. Das Glas beschlug, und als es wieder klar war, sah er eine kleine Gestalt auf der Spitze einer niedrigen Kuppe erscheinen: ein Mann in weißem Hemd, der seine Arme reckte und anscheinend gähnte. Erwanderte gemütlich zum Abhang, und was Bolitho für eine Muskete gehalten hatte, erwies sich als langes Fernrohr. Dies zog er ohne Hast auseinander und begann damit die See abzusuchen, von links nach rechts und vom Ufer bis zur harten blauen Linie des Horizonts. Mehrmals kehrte sein prüfender Blick auf einen Punkt zurück, der für Bolitho durch den Hügel ve r-deckt war. Aber er nahm an, daß der Ausguck die Destiny gesichtet hatte, die — scheinbar wartend wie bisher — vor der Insel kreuzte. Der Gedanke an das Schiff erfüllte sein Herz mit Sehnsucht und Verlassenheit.

Colpoys sagte leise:»Das ist der Platz, wo die Kanone stehen muß. Unsere Kanone«, setzte er betont hinzu.

Bolitho versuchte es noch einmal, doch im zunehmenden Dunst schienen die Kuppen vor seinen Augen abwechselnd zu ve rschmelzen und sich dann wieder zu trennen. Aber der Seesoldat hatte recht. Direkt hinter dem einsamen Ausguck erhob sich ein mit Segeltuch zugedeckter Höcker. Die einzelne Kanone, die den Spanier durch ihre schlechte Schießleistung über den entscheidenden Punkt hinausgelockt hatte, war wahrscheinlich darunter versteckt.

Colpoys flüsterte:»Die haben sie sicher dort aufgestellt, um die unten ankernden Prisenschiffe zu decken.»

Sie sahen einander an, denn auf einmal war ihnen die Bedeutung ihrer Aufgabe klargeworden. Die Kanone mußte genommen werden, bevor Palliser es wagen konnte, aus seinem Versteck zu kommen. Wenn er vorher entdeckt wurde, konnte ihn die geschickt postierte Kanone an seinem Platz festnageln und in Ruhe abschlachten. Wie um diesen Gedanken zu unterstreichen, kamen einige Leute über die Seite des Hügels und marschierten auf die Hütten zu.

Colpoys sagte:»Großer Gott, schauen Sie sich das an! Es müssen mindestens hundert Mann sein!»

Und es waren bestimmt keine Gefangenen. Sie gingen zu zweien oder zu dreien und wirbelten Staub auf wie eine ganze Armee. Auf der Lagune zeigten sich einige Boote, und an ihrem Ufer waren weitere Leute mit langen Stangen und Taurollen zu sehen. Es hatte den Anschein, als richteten sie einen Behelfskran auf, um Lasten in die Boote hinunterzulassen.

Dumaresq hatte recht gehabt, wieder einmal: Garricks Männer bereiteten alles zum Verlassen der Insel vor.

Bolitho sah Colpoys an.»Nehmen wir mal an, wir hätten uns geirrt, was die San Augustin betrifft. Aber daß wir sie nicht sehen, heißt noch nicht, daß sie unbenutzbar ist.»

Colpoys schaute immer zu den Männern bei den Hütten hinüber.»Ich stimme Ihnen zu. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. «Er drehte den Kopf, als Jury atemlos den Hang hochkam.»Bleiben Sie in Deckung!»

Jury bekam einen roten Kopf und warf sich neben Bolitho zu Boden.»Mr. Cowdroy möchte wissen, ob er noch Wasser ausgeben darf, Sir. «Sein Blick wanderte über Bolitho hinweg zu dem geschäftigen Treiben am Ufer.

«Noch nicht. Sagen Sie ihm, er soll die Leute gut versteckt halten. Wenn sich einer sehen oder hören läßt, sind wir alle erledigt. «Er machte eine Kopfbewegung zur Lagune hin.»Danach kommen Sie zurück. Haben Sie Lust auf einen kleinen Spaziergang?«Er sah, daß die Augen des Jungen sich weiteten und gleich wieder zusammenzogen.»Ja, Sir.»

Als Jury außer Sicht war, fragte Colpoys:»Warum Jury? Er ist doch noch ein Junge!»

Bolitho hob sein Glas wieder ans Auge.»Morgen im ersten Tageslicht wird die Destiny einen Scheinangriff auf die Einfahrt machen. Das ist schon Wagnis genug. Aber wenn sie außer von der Batterie auf dem Hügel auch noch von der Artillerie der San Augustin aufs Korn genommen wird, könnte sie schwer beschädigt, ja zum Wrack geschossen werden. Wir müssen also wissen, was uns bevorsteht. «Er machte eine Kopfbewegung zum anderen Ende der Lagune.»Der Erste Offizier hat seine Befehle. Er wird in dem Augenblick angreifen, in dem die Verteidiger der Insel durch die Destiny abgelenkt sind. «Er begegnete dem beunruhigten Blick des Seesoldaten und hoffte, daß er überzeugender wirkte, als ihm zumute war.»Und wir müssen Palliser helfen. Wenn ich die Lage nüchtern betrachte, komme ich zu dem Schluß, daß Sie bei dieser Unternehmung der wichtigere von uns beiden sind. Darum werde ich gehen und Mr. Jury als Melder mitnehmen. «Er sah zur Seite.»Wenn ich heute falle…»

Colpoys drückte seinen Arm.»Sie — fallen? Dann werden wir Ihnen so schnell folgen, daß Petrus Mühe bei der Einlaßkontrolle hat.»

Gemeinsam schätzten sie die Entfernung zum niedrigen Nachbarhügel. Jemand hatte ein Stück des Segeltuchs hochgerollt, und darunter war jetzt deutlich ein Rad zu erkennen, das Rad einer Landkanone.

Colpoys sagte bitter:»Französisches Fabrikat, darauf halte ich jede Wette.»

Jury kam zurück und wartete, daß Bolitho ihn ansprach. Bolitho löste seinen Säbelgurt und gab ihn dem Seesoldaten. Dann sagte er zu Jury:»Lassen Sie alles hier, außer Ihrem Dolch. «Er versuchte ein Lächeln.»Wir wandern wie Landstreicher mit leichtem Gepäck.»

Colpoys schüttelte den Kopf.»Sie werden auffallen wie weiße Meilensteine!«Er hielt ihnen seine Feldflasche hin.»Begießen Sie sich damit, und wälzen Sie sich anschließend im Staub. Das nützt, wenn auch nicht viel.»

Schließlich waren sie — schmutzig und zerknittert — fertig zum Gehen.

Colpoys sagte:»Vergessen Sie nicht: kein Pardon! Es ist besser zu sterben, als von diesen Barbaren gefangen zu werden.»

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