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Bolitho hatte den schrecklichen Eindruck zweier starrer Augen und gefletschter Zähne, die einem der Wilden gehörten, die auf ihn eindrangen; er schwang ein Entermesser, das er aufgehoben hatte.

Bolitho duckte sich und versuchte, seitwärts auszuweichen. Dann kam der Schlag — zu stark, um zu schmerzen, zu mächtig, um seine Wirkung abzuschätzen.

Er wußte nur noch, daß er fiel, seine Stirn schien in Flammen zu stehen, und wie aus einer anderen Welt hörte er sich verzweifelt aufschreien. Und dann, gnädigerweise, fühlte er gar nichts mehr.

Als sein Bewußtsein schließlich zurückkehrte, war der Schmerz, der sich gleichzeitig einstellte, kaum zu ertragen.

Bolitho bemühte sich, die Augen zu öffnen, als könne er damit die Qual vertreiben, aber sie war so stark, daß sich sein ganzer Körper krümmte. Stimmen murmelten über seinem Kopf, doch durch seine halb zugequollenen Augen konnte er nur sehr wenig sehen: ein paar nebelhafte Gestalten und dunkle Decksbalken über ihm.

Ihm war, als würde sein Kopf langsam und methodisch zwischen zwei heiße Eisen gepreßt und sein mürbes Hirn mit spitzen Nadeln und Lichtblitzen gemartert.

Jemand wischte ihm Gesicht, Nacken und Körper mit kühlen Tüchern ab. Er war nackt, nicht gefesselt, wurde aber von Händen, die seine Hand- und Fußgelenke umspannten, festgehalten, damit er sich nicht bewegte.

Ein schrecklicher Gedanke ließ ihn plötzlich entsetzt aufschreien: außer am Kopf war er vielleicht noch an anderer Stelle verwundet, und sie trafen jetzt Vorbereitungen zur Amputation. Er hatte so etwas schon einmal mit angesehen: das Messer, das im schwachen Licht der Hängelampe aufblitzte und zu einem schnellen Rundumschnitt niederfuhr. Und dann die Säge.

«Ruhig, Junge!»

Das war Bulkley, und die Tatsache, daß er da war, beruhigte Bolitho irgendwie. Bolitho bildete sich ein, den Arzt zu riechen: seinen typischen Duft nach Branntwein und Tabak.

Er versuchte zu sprechen, doch seine Stimme war nur ein heiseres Wispern.»Was ist passiert?»

Bulkley schaute über die Schulter, wobei sein eulenhaftes Gesicht mit den kleinen Brillengläsern wie eine Blase in der Luft zu hängen schien.

«Sparen Sie Ihre Kräfte. Atmen Sie ruhig. «Bulkley nickte.»Schon besser.»

Bolitho knirschte mit den Zähnen, als sich der Schmerz erneut verstärkte. Am schlimmsten war es über dem rechten Auge, wo ein Verband saß. Seine Haare lagen fest an, waren wohl blutverklebt. Ein Bild formte sich undeutlich in seiner Erinnerung: zwei starre Augen, ein Entermesser, das auf ihn niedersauste. Versinken.

«Meine Männer — sind sie gerettet?«stammelte er.

Er spürte Uniformstoff an seinem nackten Arm und sah Dumaresq auf sich herabschauen, der aus diesem Blickwinkel noch grotesker wirkte. Seine Augen waren nicht mehr zwingend, sondern ernst.

«Die Bootscrew ist in Sicherheit. Zwei Leute aus Ihrer Gruppe haben sie gerade noch erreicht.»

Bolitho versuchte, den Kopf zu bewegen, doch irgend jemand hielt ihn fest.

«Und Stockdale, ist er.?»

Dumaresq lächelte.»Er hat Sie zum Strand getragen. Ohne ihn wären alle verloren gewesen. Das alles erzähle ich Ihnen aber später. Jetzt müssen Sie ruhen. Sie haben eine Menge Blut verloren.»

Bolitho fühlte, wie sich die Dunkelheit wieder über ihm schloß. Er hatte den kurzen Blickaustausch zwischen Dumaresq und dem Arzt bemerkt. Also war es noch nicht geschafft. Er konnte noch sterben. Diese Erkenntnis war fast zuviel für ihn, und er spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Er stöhnte:»Ich möchte… Destiny… nicht… verlassen. So… nicht.»

Dumaresq sagte:»Sie werden wieder gesund. «Er legte die Hand auf Bolithos Schulter, als wolle er etwas von seiner Kraft auf ihn hinüberfließen lassen.

Dann ging er, und Bolitho bemerkte zum erstenmal, daß er sich in der Heckkajüte befand und daß es hinter den hohen Fenstern stockdunkel war.

Bulkley beobachtete ihn.»Sie waren den ganzen Tag ohne Bewußtsein, Richard. «Dann drohte er ihm mit dem Finger.»Sie haben mir Sorgen gemacht, das muß ich schon sagen.»

«Dann sind Sie jetzt nicht länger in Sorge um mich?«Wieder versuchte er, sich zu bewegen, und wurde abermals von den Händen daran gehindert.

Bulkley machte sich noch einmal an dem Verband zu schaffen.»Ein Hieb mit dem Entermesser auf den Kopf ist kein Spaß. Ich habe getan, was ich konnte, alles übrige müssen wir der Zeit und guter Pflege überlassen. Es war ein Kampf auf Biegen und Brechen. Ohne Stock-dales Mut und seine Entschlossenheit, Sie zu retten, wären Sie tot. «Er schaute sich um, ob der Kommandant gegangen war.»Stockdale sammelte die restlichen Seeleute um sich, die mit dem Boot flüchten wollten. Er war wie ein wilder Stier, aber als er Sie an Bord trug, machte er das so zart wie eine Frau. «Er seufzte.»Dies war wohl die kostspieligste Trinkwasserergänzung in der Geschichte der Seefahrt.»

Bolitho fühlte, wie ihn Schläfrigkeit überkam, die selbst den Schmerz in seinem Schädel verdrängte. Bulkley hatte ihm wohl etwas eingegeben.

Er flüsterte:»Sie würden es mir sagen, wenn.»

Bulkley wischte sich die Hände ab.»Sicherlich. «Er blickte auf und fügte hinzu:»Sie sind in guten Händen. Wir werden gleich ankerauf gehen, also bemühen Sie sich zu schlafen.»

Bolitho versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Gleich ankerauf gehen? Dann waren sie den ganzen Tag hier gewesen. Und sie mußten Wasser bekommen haben. Dafür waren Männer gefallen. Auch hinterher, als Colpoys Seesoldaten die erschlagenen Matrosen gerächt hatten, dachte er.

Er sprach sehr langsam, da er wußte, daß die Worte nur undeutlich aus seinem Mund kamen.»Sagen Sie Auro. Sagen Sie Mrs. Egmont, daß.»

Bulkley beugte sich über ihn und zog seine Augenlider hoch.»Sagen Sie es ihr doch selber. Sie ist bei Ihnen, seit Sie an Bord gebracht wurden. Ich sage doch: Sie sind in guten Händen.»

Bolitho begriff endlich, daß sie neben ihm stand. Ihr schwarzes Haar hing ihr über die Schultern und glänzte im Lampenlicht.

Sie berührte sein Gesicht und streichelte seine Lippen, als sie mit weicher Stimme sagte:»Sie können jetzt schlafen, Leutnant. Ich bin hier.»

Bolitho fühlte, daß die Hände nachgaben, die seine Hand- und Fußgelenke gehalten hatten, und schloß daraus, daß der Arzt und seine Helfer sich zurückziehen wollten.

Er flüsterte matt:»Ich. wollte nicht, daß Sie mich so sehen, Aurora.»

Sie lächelte und sah dabei doch unendlich traurig aus.»Sie sind schön«, sagte sie.

Bolitho schloß die Augen; seine Kräfte schienen ihn endgültig zu verlassen.

Bulkley drehte sich an der Tür noch einmal um. Er hatte eigentlich geglaubt, an Schmerz oder Freude am Krankenbett gewöhnt zu sein, doch er war es offenbar noch nicht. Denn was er hier sah, bewegte ihn. Es glich einer Allegorie zum Thema >Die liebliche Frau beweint ihren gefallenen Helden<, dachte er. Er hatte Bolitho nicht belogen. Es war sehr knapp gewesen, denn das Entermesser hatte nicht nur eine tiefe Wunde über dem Auge in die Kopfhaut geschlagen, sondern auch die Schädeldecke darunter eingekerbt. Wäre Bolitho ein alter Mann gewesen oder das Enterme sser von einer geübten Hand geführt worden, hätte es das Ende bedeutet.

Aurora sagte:»Er ist eingeschlafen. «Aber sie sprach nicht zu Bulkley, sondern zu sich selbst. Sie nahm ihren weißen Schal ab und deckte ihn über Bolitho, als ob seine Nacktheit ebenso wie ihre Worte ihr ganz persönlicher Besitz wären.

In der anderen und wie gewohnt disziplinierten Welt der Destiny brüllte eine Stimme:»Anker ist los, Sir!»

Bulkley streckte eine Hand aus, um sich festzuhalten, als sich das Deck unter dem plötzlichen Druck von Wind und Ruder schräg legte. Er wollte in sein Krankenrevier gehen und einige Drinks zu sich nehmen. Er hatte keine Lust, die Insel in der Dunkelheit zurückbleiben zu sehen. Sie hatte ihnen frisches Wasser gewährt, aber als Gegenleistung einige Menschenleben genommen. Bolithos Gruppe am Tümpel war bis auf Stockdale und zwei andere Leute niedergemetzelt worden. Colpoys hatte gemeldet, daß die Wilden, die sie überfallen hatten, ehemalige Sklaven waren, die wahrscheinlich beim Transport geflüchtet waren.

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