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Bolitho fühlte sich seltsamerweise enttäuscht.»Haben Sie Mr. Eg-mont denn nicht aus Liebe geheiratet?»

«Aus Liebe?«Sie schüttelte den Kopf.»Ich finde Männer nicht sehr anziehend, müssen Sie wissen. Darum war ich mit allem, was er für mich arrangierte, einverstanden. Ich glaube, er braucht mich ebenso als Dekoration wie seine anderen schönen Besitztümer. «Sie öffnete den Schal, den sie an Deck trug.»Wie diesen Vogel, verstehen Sie?»

Bolitho sah den zweiköpfigen Vogel mit den rubinbesetzten Schwanzfedern, den sie bei dem Fest in Rio getragen hatte.

Leidenschaftlich und unvermittelt stieß er hervor:»Ich liebe Sie!»

Sie versuchte zu lachen, aber es gelang ihr nicht. Stattdessen seufzte sie:»Ich habe den Verdacht, daß Sie sogar noch weniger über die

Liebe wissen als ich. «Sie hob die Hand und strich über sein Gesicht.»Aber Sie meinen es ernst. Tut mir leid, wenn ich Sie verletzt habe.»

Bolitho ergriff ihre Hand und preßte sie fest an seine Wange. Sie hatte ihn nicht verlacht ode r wegen seines plumpen Geständnisses verhöhnt. Er sagte:»Man wird Sie bald in Frieden lassen.»

Wieder seufzte sie.»Damit Sie als wackerer Ritter auf Ihrem Schlachtroß kommen und mich retten können? Solche Dinge träumte ich als Kind. Aber nun denke ich als Frau. «Sie zog seine Hand hinab und drückte sie gegen ihre Brust, sodaß ihm die Wärme des edelsteinbesetzten Vogels vorkam wie ein Stück von ihr selbst.»Fühlen Sie etwas?«Sie beobachtete ihn gespannt. Er spürte den heftigen Schlag ihres Herzens, der dem seinen gleichkam, fühlte ihre weiche Haut und die feste Wölbung ihrer Brust.

«Ich bin kein Kind mehr. «Sie wollte sich abwenden, doch als er sie festhielt, sagte sie:»Was soll daraus werden? Wir sind nicht allein auf der Welt. Wenn mein Mann argwöhnt, daß ich ihn betrüge, wird er sich weigern, Ihrem Kommandanten zu helfen. «Sie legte die Fingerspitzen auf seine Lippen.»Hören Sie mir gut zu, Richard. Wissen Sie, was das bedeutet? Mein Mann würde in ein englisches Gefängnis geworfen und abgeurteilt, wenn nicht gar hingerichtet. Ich als seine Frau würde vielleicht ebenfalls eingesperrt oder mittellos mir selber überlassen, um auf einen weiteren portugiesischen Händler oder auf Schlimmeres zu warten. «Sie zögerte, bis er sie losließ, und flüsterte dann:»Aber glauben Sie nicht, ich wollte oder könnte Sie nicht lieben!»

Stimmen waren an Deck zu hören, ein Bootsmannsmaat verlas die Namen der neuen Wache, die gleich nach achtern kommen und Bo-lithos Leute ablösen würde.

In diesen wenigen Sekunden haßte Bolitho seinen Dienst aus vollem Herzen. Er stieß hervor:»Ich muß Sie wiedersehen!»

Sie ging schon zur anderen Seite, ihre schlanke Gestalt hob sich wie ein Geist von dem dunklen Wasser ab.

«Dreitausend Meilen sagten Sie, Leutnant? Das ist eine sehr lange Fahrt. Jeder Tag wird eine Qual werden. «Sie zögerte und schaute zu ihm zurück.»Für uns beide.»

Rhodes kam den Niedergang herauf und trat beiseite, um Mrs. Eg-mont vorbeizulassen. Er nickte Bolitho zu und sagte:»Eine wirkliche

Schönheit. «Er bemerkte Bolithos Stimmung und ahnte, daß es eine scharfe Erwiderung geben würde, wenn er weitere Bemerkungen über sie machte. Entschuldigend sagte er:»Das war blöd von mir.»

Bolitho zog ihn zur Seite, ungeachtet der Wache, die an der Achterdecksreling antrat.

«Ich bin verzweifelt, Stephen, und kann es sonst niemandem sagen. Es macht mich noch verrückt.»

Rhodes war von Bolithos Offenheit und der Tatsache, daß er sein Geheimnis mit ihm teilte, tief bewegt.

Er sagte:»Wir werden uns etwas ausdenken. «Das klang angesichts der Verzweiflung seines Freundes so wenig überzeugend, daß er hinzufügte:»Bevor wir Saint Christopher erreichen, kann eine Menge passieren.»

Der Steuermannsmaat tippte an seinen Hut:»Wache hat gewechselt,

Sir.»

Bolitho ging zum Niedergang. Auf der ersten Stufe hielt er an. Au-roras Parfüm hing noch in der Luft. Oder haftete es an seinem Uniformrock? Laut sagte er vor sich hin:»Was kann ich bloß tun?»

Doch die einzige Antwort kam von der See und dem Rumpeln des Ruders unter Dumaresqs Kajüte.

Die erste Woche Fahrt verging recht schnell mit einigen heftigen Böen, welche die Männer in Bewegung hielten und die brennende Hitze vertrieben.

Es ging hinauf zum Kap Branco und dann mit Kurs Nordwest zu den Westindischen Inseln. Längere Perioden leichter Winde wechselten mit Flauten, in denen die Boote ausgesetzt wurden und das anstrengende Pullen des Schiffes begann.

Trinkwasser wurde immer knapper, und da keine Aussicht auf Regen oder baldige Landberührung bestand, wurde es rationiert. Nach einer weiteren Woche wurden die Rationen sogar auf einen knappen Liter pro Mann und Tag verringert.

Während seiner Tageswachen unter der brennenden Sonne sah Bo-litho sehr wenig von Egmonts Frau. Er sagte sich, daß dies nur zu ihrem und auch seinem Besten sei. Es gab ohnedies Aufregungen genug: Ausbrüche von Ungehorsam, die von den Maaten mit Faustschlägen und Tritten oder dem Gebrauch des Tauendes unterdrückt wurden. Aber Dumaresq verzichtete auf Auspeitschungen, und Bolitho fragte sich nach dem Grund: War er nur darauf aus, möglichst Frieden zu wahren, oder geschah es der Passagiere wegen?

Auch Bulkley zeigte sich besorgt: Drei Mann waren mit Skorbut zusammengebrochen. Trotz seiner Vorsorge und der täglichen Ausgabe von Fruchtsaft hatte er es nicht verhindern können.

Einmal, als sich Bolitho im Schatten des großen Besansegels aufhielt, hatte er Dumaresqs Stimme durch das Skylight der Kajüte gehört. Er wies Bulkleys dringende Bitte zurück und beschuldigte ihn, keine besseren Vorsichtsmaßnahmen für seine kranken Matrosen getroffen zu haben.

Bulkley hatte offensichtlich die Seekarte studiert, denn er protestierte:»Warum laufen wir nicht Barbados an, Sir? Wir könnten draußen vor Bridgetown ankern und dafür sorgen, daß uns Trinkwasser gebracht wird. Was wir jetzt noch haben, ist voll ekligem Getier, und wenn Sie darauf bestehen, so weiterzusegeln, kann ich die Verantwortung für die Gesundheit der Männer nicht länger tragen.»

«Verflucht noch mal, Sir! Ich werde Ihnen sagen, wer hier Verantwortung trägt: ich! Und ich werde nicht nach Barbados segeln und vor aller Welt ausposaunen, was wir vorhaben. Halten Sie sich an Ihre Aufgabe, ich halte mich an meine!»

Damit war die Unterredung beendet.

Siebzehn Tage, nachdem sie sich von der Rosario getrennt hatten, fand der Wind sie wieder. Unter vollen Segeln — sogar die Leesegel wurden ausgebracht — kam die Destiny wieder so in Fahrt, wie es sich für das Vollschiff, das sie war, gehörte.

Aber vielleicht war es schon zu spät, um eine Explosion an Bord zu verhindern. Slade, der Steuermannsmaat, der immer noch spürte, daß Palliser ihn verachtete, und wußte, daß der Erste Offizier ihm bei jeder Aussicht auf Beförderung im Wege stehen, wenn nicht gar sie zunichte machen würde, beschimpfte Midshipman Merrett, weil er die Mittagsposition des Schiffes falsch berechnet hatte. Merrett hatte seine anfängliche Ängstlichkeit überwunden, aber er war erst zwölf Jahre alt; vor allen Leuten, die beiden Rudergänger eingeschlossen, derart heruntergeputzt zu werden, war zu viel für ihn. Er brach in Tränen aus.

Rhodes war wachhabender Offizier und hätte eingreifen können. Statt dessen blieb er auf der Luvseite des Achterdecks, den Hut gegen die Sonne schief auf dem Kopf und taub gegen Merretts Ausbruch. Bolitho beaufsichtigte unten am Großmast seine Toppsgasten, die einen neuen Block an der Obermarsrah einschoren. Er hörte das meiste mit an.

Stockdale neben ihm murmelte:»Es ist wie in einem überfüllten Wagen, Sir. Irgendwas muß passieren.»

Merrett ließ den Hut fallen und wischte sich die Augen mit dem Handrücken. Ein Matrose hob den Hut auf und gab ihn zurück, wobei er Slade einen wütenden Blick zuwarf.

Slade schrie ihn an:»Wie können Sie es wagen, sich in eine Angelegenheit zwischen Vorgesetzten einzumischen?»

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