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Er wurde wieder sachlich.»Beenden Sie dieses Kommen und Gehen so bald wie möglich, Mr. Palliser. Ich habe der Rosario geraten, nach Rio zurückzusegeln. Ihr Kapitän wird seine Version der Geschichte dem Vizekönig mitteilen können, während es mir nicht möglich ist, ihm meine Version zu erzählen. Er weiß jetzt, daß er den Anschein der Neutralität in Zukunft nicht so einseitig auslegen kann. «Als Palliser und Bolitho aufstanden, sagte er:»Ich fürchte, wir sind durch unser plötzliches Auslaufen mit dem Trinkwasser knapp dran. Mr. Codd konnte zwar Gemüse, Yamwurzeln und Fleisch in Mengen kaufen, aber Wasser müssen wir woanders finden.»

Außerhalb der Kajüte sagte Palliser:»Sie sind vorübergehend vom Dienst befreit, Mr. Bolitho. Auch was junge Menschen aushallen können, hat seine Grenzen. Gehen Sie in Ihre Kammer, und ruhen Sie sich aus, so gut Sie können. «Er sah, daß Bolitho zögerte.»Nun?»

«Ich — ich überlege. Was wird aus Egmont?«Bolitho versuchte, seiner Stimme nichts anmerken zu lassen.»Und aus seiner Frau?»

«Egmont war ein Narr. Durch sein Schweigen unterstützte er Garrick. Garrick versuchte, den Franzosen auf Martinique gegen uns zu helfen, und dadurch wird Egmonts Schweigen noch belastender. Wenn er einen Rest Verstand hat, wird er dem Kommandanten alles sagen, was er weiß. Ohne unser Dazwischentreten wäre er jetzt tot. Auch das wird er sich hoffentlich überlegen.»

Palliser wandte sich zum Gehen, und seinen Bewegungen war wenig von den Strapazen anzumerken, denen auch er ausgesetzt gewesen war. Er trug noch immer sein altes Bordjackett, das jetzt durch einige Blutflecken auf der rechten Schulter dort, wo sein Säbel geruht hatte, zusätzlich gezeichnet war. Bolitho sagte:»Ich möchte Stockdale zur Beförderung vorschlagen,

Sir.»

Palliser kam zurück und zog den Kopf unter einem Decksbalken ein, um Bolitho ins Gesicht zu sehen.»So, das möchten Sie wohl?»

Bolitho holte tief Luft. Das klang wieder nach dem alten sarkastischen Palliser. Doch der sagte:»Da bin ich Ihnen bereits zuvorgekommen. Wirklich, Mr. Bolitho, Sie sollten etwas schneller schalten.»

Bolitho lächelte trotz der Schmerzen in seinen Gliedern und des Durcheinanders in seinem Herzen, das eine Dame namens Aurora mit einem Kuß verursacht hatte. Er begab sich zur Messe, wo Poad ihn wie einen Helden begrüßte.»Nehmen Sie Platz, Sir. Ich hole Ihnen etwas zu essen und zu trinken. «Er trat zurück und sah ihn strahlend an.»Wir sind froh, Sie wiederzusehen, Sir, und das ist die reine Wahrheit.»

Bolitho lehnte sich im Sessel zurück und erlaubte es, daß ihn die Müdigkeit nun übermannte. Über ihm und um ihn herum lief das Bordleben auf vollen Touren, er hörte geschäftig eilende Füße und das Knarren durchgeholter Taljen.

Eine Aufgabe war erledigt, die nächste stand bevor. Matrosen und Seesoldaten waren es gewohnt, Befehle auszuführen und ihre Gedanken für sich zu behalten. Drüben, einige Kabellängen auf dem dunkler werdenden Wasser entfernt, waren auf der Brigg ebenfalls Seeleute eifrig bei der Arbeit. Morgen sollte die Rosario einen sicheren Hafen ansteuern, wo ihre Geschichte von Mund zu Mund gehen würde. Man würde auch über den schweigsamen Engländer und seine schöne junge Frau reden, die so viele Jahre unauffällig unter ihnen gelebt hatten und nach außen hin mit ihrem selbstgewählten Exil zufrieden schienen. Auch von der Fregatte mit ihrem wunderlichen Kommandanten, der nach Rio gekommen war und sich bei Nacht wie ein Meuchelmörder davongeschlichen hatte, würde die Rede gehen.

Bolitho blickte zu den Decksbalken empor und horchte auf die Geräusche des Schiffes und der See, die gegen die Bordwand klatschte. Er fühlte sich vom Schicksal begünstigt, denn er hatte Kampf, Verschwörung und Verrat überlebt, und bald würde auch sie an Bord sein.

Als Poad mit einem Teller Fleisch und einem Krug Madeirawein zurückkam, fand er den Leutnant fest eingeschlafen. Er hatte die Beine weit von sich gestreckt, Kniehose und Strümpfe wiesen Löcher auf und dunkle Flecken, die wie geronnenes Blut aussahen. Die Haare hingen ihm wirr in die Stirn, und die Hand, mit der er am Morgen den Säbel so fest gepackt hatte, war wund.

Im Schlaf wirkte der Dritte Offizier noch jünger, dachte Poad. Jung und — in diesem friedvollen Augenblick — wehrlos.

Bolitho ging ruhelos auf dem Achterdeck auf und ab, wobei er aufgeschossenem Tauwerk und Belegklampen ohne sonderliche Mühe auswich. Es war kurz vor Sonnenuntergang und nun einen vollen Tag her, seit sie sich von der schwer mitgenommenen Rosario getrennt hatten. Jetzt lag sie schon weit achteraus und wirkte mit ihrem mühsam aufgerichteten Notmast erbärmlich und mißgestaltet wie ein Krüppel. Mit diesem ärmlichen Aufgebot an Segeln würde sie einige Tage bis zum nächsten Hafen benötigen.

Bolitho warf einen Blick auf das Skylight der Kajüte und sah den Widerschein des von unten kommenden Lichtes auf dem Besanbaum. Er versuchte, sich den Speiseraum der Kajüte mit Aurora vorzustellen, und wie der Kommandant den Tisch mit seinen beiden Gästen teilte. Wie fühlte sie sich jetzt? Wieviel mochte sie von Anfang an gewußt haben?

Bolitho hatte sie nur kurz gesehen, als sie mit ihrem Mann und einigen Gepäckstücken von der Brigg herübergebracht worden war. Sie hatte bemerkt, daß er von der Laufbrücke aus zusah, und hatte ihm wohl mit ihrer behandschuhten Rechten zuwinken wollen, doch die Geste war in einem kurzen Zucken erstorben: ein Zeichen der Ergebung, ja der Verzweiflung.

Er schaute zu den angebraßten Rahen hinauf. Die obersten Segel standen schon dunkler als die unteren gegen die hellen Schäfchenwolken, die sie den ganzen Tag begleitet hatten. Sie steuerten Nordnordost-Kurs und hielten sich gut frei vom Land, um neugierige Blicke oder einen weiteren Verfolger zu meiden.

Die Deckswache erledigte ihre üblichen Aufgaben, prüfte den Trimm der Rahen und ob stehendes und laufendes Gut richtig durchgesetzt war. Von unten hörte er das klägliche Kratzen der Fidel des

Shantyvorsängers und die Stimmen der Männer, die auf ihr Abendessen warteten.

Bolitho hielt in seinem ruhelosen Spaziergang inne und griff in die Hängemattsnetze, um sich gegen die Schlinger- und Stampfbewegungen des Schiffes zu wappnen. An Backbord war die See schon viel schwärzer, und die Dünung, die von schräg achtern anrollte, sie hob und dann unter ihrem Kiel weiterlief, lag schon im Halbdunkel.

Er blickte das Oberdeck entlang, auf die in regelmäßigen Abständen festgezurrten Kanonen hinter ihren geschlossenen Stückpforten, durch die schwarzen Wanten und das sonstige Tauwerk bis hin zur bleichen Schulter ihrer Galionsfigur. Er zitterte, als er sich vorstellte, daß es Aurora sei, die so in die Ferne griff; aber nach ihm und nicht nach dem Horizont.

Irgendwo lachte jemand, und er hörte Midshipman Lovelace einen Mann der Wache anfahren, der alt genug war, um sein Vater zu sein. Weil Lovelace eine sehr hohe Stimme hatte, klang es besonders komisch. Lovelace hatte von Palliser Strafdienst zudiktiert bekommen, weil er während der Hundewachen allerlei Unsinn angestellt hatte, statt sich mit seinen navigatorischen Aufgaben zu beschäftigen.

Bolitho erinnerte sich an seine eigenen frühen Versuche, all das zu lernen, was der Steuermann ihm in mühsamen Lektionen eingetrichtert hatte. Das lag nun alles weit zurück: die Dunkelheit im muffigen Orlopdeck und der Versuch, die Zahlen und Berechnungen beim flak-kernden Licht eines Kerzenstummels, der in einer alten Austernschale stand, zu lesen.

Und doch war seitdem erst wenig Zeit vergangen. Er warf einen Blick auf die vibrierende Leinwand, und dabei wurde ihm wieder einmal bewußt, wie schnell er diesen großen Schritt getan hatte. Wie lange war es her, daß er noch fast vor Angst erstarrt war, weil man ihm das erstemal die Wache anvertraut hatte? Jetzt fühlte er sich völlig sicher, aber er wußte auch, wann es an der Zeit war, den Kommandanten zu rufen. Aber niemanden sonst. Er konnte sich nicht mehr einem Wachführer oder treuen Steuermannsmaaten zuwenden und ihn um Rat oder Hilfe bitten. Diese Zeiten waren vorüber, es sei denn, er machte etwas fürchterlich falsch. Das würde ihn aber all den Respekt kosten, den er seither errungen hatte.

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