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Bolitho dachte darüber nach; schon das war eine Anstrengung.»Kann sein. Vorausgesetzt, er hält sich von der See fern. Ich kannte Leute, die aus der Marine desertiert waren und unter einem anderen Namen auf einem anderen Schiff Unterschlupf fanden. Aber das kann gefährlich werden. Die Marine ist wie eine große Familie:

Immer ist jemand da, der sich an ein Gesicht erinnert. «Er dachte an Dumaresq und Egmont, miteinander verbunden durch Dumaresqs Vater, genau wie er jetzt mit ihnen verbunden war, was sie auch unternahmen.

Jury sagte:»Ich denke oft über Murray nach und über das, was hier geschah. «Er blickte zu den niedrigen Decksbalken hoch, als erwarte er, das Geklirr aufeinandertreffenden Stahls und den verzweifelten Tanz von Männern zu hören, die einander vor dem tödlichen Stoß umkreisten. Dann sah er Bolitho an.»Tut mir leid, Sir. Sie haben mir geraten, nicht mehr daran zu denken.»

Eine Pfeife schrillte, und eine Stimme schrie:»Ablösung für die Boote antreten! Lebhaft, Leute!»

Jury stand auf, sein blondes Haar streifte die Decke.

Bolitho sagte ruhig:»Mir hat man fast das gleiche geraten, als ich auf die Destiny kam. Und ich habe genau wie Sie noch immer die gleichen Schwierigkeiten mit dem Vergessen.»

Er blieb am Tisch sitzen, lauschte auf die Boote, die längsseits kamen, das Klappern der Riemen, als die Besatzungen bei der Ablösung darüber hinwegkletterten.

Die Tür ging auf. Palliser, tief gebückt wie einer der erschöpften Matrosen, tastete nach einem Sessel und ließ sich erleichtert nieder. Sie hörten beide, wie die Boote von der Bordwand absetzten und das Rudergeschirr der Brigantine unter ihnen auf das neu einsetzende Schleppen reagierte.

Dann sagte Palliser nüchtern:»Mir scheint, daß ich diese verteufelte Brigg verliere. Nachdem ich immerhin so weit gekommen bin, wird mir nun das Heft aus der Hand geschlagen.»

Bolitho konnte Pallisers Enttäuschung wie einen körperlichen Schmerz mitempfinden: die Tatsache, daß dieser seine Verzweiflung nicht verbarg, machte die Sache doppelt schlimm.

Er schob Flasche und Glas über den Tisch.»Warum trinken Sie nicht einen Schluck, Sir?»

Palliser fuhr aus seinen Gedanken hoch, und seine Augen leuchteten kurz auf. Matt lächelnd nahm er das Glas und goß den Wein achtlos ein, bis er über den Rand lief.»Ja, warum eigentlich nicht?»

Während die Sonne sich langsam dem Horizont näherte, saßen die beiden Offiziere einander schweigend gegenüber. Gelegentlich nahmen sie einen Schluck Wein, der inzwischen warm wie frisch gemolkene Milch geworden war.

Schließlich zog Bolitho seine Uhr heraus.»Noch eine Stunde im Schlepp, dann sollten wir alles für die Nacht festzurren, Sir.»

Palliser war tief in Gedanken gewesen, es dauerte einige Sekunden, ehe er antwortete:»Wir können nichts anderes tun.»

Bolitho war über die Veränderung in Palliser betroffen, aber er wußte, daß ihre augenblickliche Vertrautheit erschüttert worden wäre, wenn er den Versuch gemacht hätte, ihn aufzuheitern.

Vom Hauptdeck näherten sich Schritte, und Littles großer Kopf schaute herein.»Verzeihung, Sir, aber Mr. Slade hört Kanonendonner in nördlicher Richtung!»

Eine leere Flasche fiel zu Boden, rollte vor die Füße der Offiziere und dann gegen die Bordwand, als der Kajütboden sich plötzlich schräglegte.

Palliser starrte auf die Flasche. Er saß immer noch, aber sein Kopf berührte fast den Decksbalken über ihm.

«Wind!«rief er schließlich.»Verdammter, wunderbarer Wind!«Er hangelte sich zur Tür.»Und nicht einen Augenblick zu früh!»

Bolitho fühlte, wie das Schiff zitterte, als erwache es aus tiefem Schlaf. Dann eilte er mit einem Sprung hinter dem langen Palliser her und schrie vor Schmerz auf, als sein Schädel Bekanntschaft mit einem vorstehenden Bolzen machte.

An Deck schauten die Männer ungläubig auf die große Breitfock, die sich unter ihrer Rah mit lautem Knall füllte.

Palliser schrie:»Ruft die Boote zurück! Klar zum Abfallen!«Er schaute abwechselnd auf den Kompaß und auf den Wimpel im Masttopp, der vor den ersten Sternen gerade noch zu erkennen war.

Slade meldete:»Der Wind hat gedreht, Sir, kommt jetzt aus Südwest.»

Palliser rieb sich das Kinn.»Kanonendonner, sagten Sie?»

Slade nickte.»Unzweifelhaft. Kleines Kaliber vermutlich.»

«Gut. Sobald die Boote festgemacht sind, nehmen wir Fahrt über Steuerbordbug auf und steuern Nordwest zu Nord. «Er trat beiseite, als die Männer durch die länger werdenden Schatten auf ihre Stationen rannten.

Bolitho testete sein neues Verhältnis zum Ersten Offizier.»Wollen Sie nicht auf die Destiny warten, Sir?»

Palliser hob Schweigen gebietend die Hand. Beide hörten jetzt gedämpft Kanonendonner. Dann sagte er entschlossen:»Nein, Mr. Bo-litho, das will ich nicht. Selbst wenn unser Kommandant gut aus dem Hafen gekommen ist und günstigeren Wind angetroffen hat als wir, wird er es mir nicht danken, wenn ich zulasse, daß die Beweise, die er so dringend braucht, vernichtet werden.»

Pearse rief:»Boote achtern festgemacht, Sir!»

«An die Schoten und Brassen! Abfallen!»

Eine Bö zischte über das Wasser heran, warf sich mit Kraft in die Segel und schob die Brigantine so heftig voran, daß sich weißer Gischt über ihren Vorsteven ergoß.

Palliser befahl:»Verdunkeln Sie das Schiff, Pearse! Ich möchte, daß nichts unsere Gegenwart verrät.»

Slade sagte:»Das Gefecht kann noch vor Morgengrauen vorbei sein, Sir.»

Aber Palliser fuhr ihn an:»Unsinn! Das Schiff, das wir verfolgen, wird angegriffen, wahrscheinlich von Seeräubern. Die werden in der Dunkelheit nicht eine Kollision riskieren. «Er wandte sich nach Bo-litho um.»Im Gegensatz zu uns, wie?»

Little schüttelte den Kopf und atmete geräuschvoll aus. Bolitho roch Alkohol in dem Luftzug, der so stark war, als käme er aus einer offenen Kellertür.

«Tja, Mr. Bolitho, nun ist er endlich wieder zufrieden.»

Bolitho dachte plötzlich an ihr Gesicht auf dem Schiff, das jetzt angegriffen wurde.»Bitten Sie Gott, daß wir noch rechtzeitig kommen.»

Little, der ihn nicht verstand, schlenderte für ein neues Schlück-chen zu seinem Freund Pearse. Der neue Dritte Offizier war also genauso scharf auf Prisengeld wie der Kommandant, dachte er. Immerhin ein Vorteil für sie alle.

Palliser marschierte auf dem Achterdeck auf und ab wie ein eingesperrtes Raubtier.

«Nehmen Sie Segel weg, Mr. Bolitho, und zwar Bram- und Stagsegeln zuerst. Etwas munter, bitte!»

Männer bahnten sich ihren Weg zu Fallen und Belegnägeln, während andere flink die Webeleinen hinaufkletterten und auf der Bram-rah auslegten.

Bolitho staunte immer wieder, wie schnell die Matrosen sich auf einem fremden Schiff selbst bei Dunkelheit zurechtfanden. Bald würde der Morgen dämmern, aber er spürte noch die Anstrengungen des vergangenen Tages und die vielen schlaflosen Stunden, die an seiner Widerstandskraft zerrten. Palliser hatte die kleine Besatzung über Nacht in Trab gehalten: mit Kursänderungen, Segelmanövern und neuen Versuchen, den Standort der anderen Schiffe zu peilen und anzusteuern. Mehr als einmal hatten sie kurzes Kanonenfeuer gehört, doch Palliser meinte, es deute mehr auf Verhinderung eines Fluchtversuches als auf ein Nachtgefecht hin. Eines aber ging klar aus dem gelegentlichen Kanonendonner hervor: Da vorn waren mindestens drei Schiffe. Zwei davon umkreisten offenbar das dritte wie Wölfe ein verwundetes Stück Wild und warteten darauf, daß es einen verhängnisvollen Fehler machte.

Little rief:»Alle Kanonen geladen, Sir!»

«Sehr gut!«Mit geringerer Lautstärke fügte Palliser für Bolitho hinzu:»Alle Kanonen? Ein paar Drehbassen und gerade genug Kartuschen, um einen Schwarm Krähen zu verjagen!»

Midshipman Ingrave fragte:»Erlaubnis, die Flagge zu setzen, Sir?»

Palliser nickte.»Ja. Dies ist zur Zeit ein Schiff des Königs. Und es besteht wenig Aussicht, daß wir noch ein zweites treffen.»

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