Sie nickte, ohne sich umzudrehen.»Wir werden einfach nicht mehr mit anderen Leuten zusammen sein. Richtige Liebe verträgt keine Leute. Dann kriegen wir auch keinen Krach und keine Eifersuchtsanfälle. Dieser Breuer und die ganze andere Gesellschaft soll zum Teufel gehen, was?«»Ja«, sagte sie,»und die Markowitz auch.«»Markowitz? Wer ist denn das?«»Die, mit der du an der Bar gesessen hast in der Kaskade.«»Aha«, sagte ich, plötzlich ziemlich vergnügt,»aha, die.«Ich kramte meine Taschen aus.»Sieh dir das an. Etwas hat die Geschichte wenigstens genützt. Ich habe einen Haufen Geld im Poker gewonnen. Dafür gehen wir heute abend noch einmal aus, was? Aber richtig, ohne andere Leute. Die sind für uns vergessen, wie?«- Sie nickte.
Die Sonne ging hinter den Dächern des Gewerkschaftshauses auf. Die Fenster begannen zu blitzen. Pats Haar war voll Licht, und ihre Schultern waren golden.»Was sagtest du eigentlich, was macht dieser Breuer? Als Beruf, meine ich?«
»Architekt.«
»Architekt«, sagte ich etwas betroffen, denn ich hätte lieber gehört, er wäre gar nichts,»na, Architekt, was ist das schon, was, Pat?«
»Ja, Liebling.«
»Nichts Besonderes, wie?«
»Gar nichts«, sagte Pat überzeugt und drehte sich um und lachte,»gar nichts ist das, überhaupt nichts. Ein Dreck ist es!«
»Und diese Bude, die ist nicht zu jämmerlich, was, Pat? Andere Leute haben natürlich bess…«
»Sie ist wunderbar, diese Bude«, unterbrach mich Pat,»es ist eine ganz herrliche Bude, ich weiß wirklich keine schönere, Liebling!«
»Und ich, Pat, ich hab' ja meine Fehler und bin nur ein Taxifahrer, aber…«
»Du bist ein ganz Geliebter, ein Brötchenklauer und Rumsäufer, ein Liebling bist du!«
Mit einem Schwung warf sie sich mir an den Hals.»Ach, du Dummer, wie schön ist es zu leben!«
»Nur mit dir, Pat. Wahrhaftig!«
Der Morgen stieg wunderbar und strahlend herauf. Über den Grabsteinen unten lag ein feiner Nebel und zog hin und her. Die Wipfel der Bäume waren schon voll im Licht. Aus den Schornsteinen der Häuser stieg wirbelnd der Rauch. Die ersten Zeitungen wurden ausgerufen. Wir legten uns zu einem Morgenschlaf nieder, einem Schlafwachen, einem Schlafträumen an der Grenze, einer im Arm des andern, einem wunderlichen Verschweben, Atem in Atem. Dann, um neun Uhr, telefonierte ich zunächst als Geheimrat Burkhard mit Oberstleutnant Egbert von Hake persönlich und darauf an Lenz, damit er meine Morgenfuhre mit der Droschke übernahm.
Er unterbrach mich gleich.»Laß nur, Kindchen, dein Gottfried ist nicht umsonst ein Kenner der Variationen des menschlichen Herzens. Hab' schon damit gerechnet. Viel Spaß, Goldbaby.«
»Halt den Schnabel«, sagte ich glücklich und erklärte in der Küche, ich sei krank, ich würde bis Mittag zu Bett bleiben. Dreimal mußte ich noch den besorgten Angriff Frau Zalewskis abschlagen, die mir Kamillentee, Aspirin und Umschläge offerierte. Dann konnte ich Pat ins Badezimmer schmuggeln, und wir hatten Ruhe.
XIV
Eine Woche später erschien unvermutet der Bäcker mit seinem Ford auf unserm Hof.»Geh mal 'raus, Robby«, sagte Lenz mit einem giftigen Blick durchs Fenster,»der Topfkuchen-Casanova will sicher was reklamieren.«
Der Bäcker sah ziemlich verdrossen aus.»Ist was an dem Wagen?«fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.»Im Gegenteil. Er läuft großartig. Ist ja jetzt auch wieder so gut wie neu.«
»Das ist er«, bestätigte ich und sah ihn mit mehr Interesse an.
»Es ist -«, sagte er -»also – ich möchte einen anderen Wagen haben. Größer…«Er blickte sich um.»Hatten Sie nicht damals einen Cadillac?«
Ich begriff im Augenblick, was los war. Die schwarze Person, mit der er zusammen lebte, hatte ihn mürbe gemacht.»Ja, der Cadillac«, sagte ich schwärmerisch,»da hätten Sie damals zufassen sollen! Das war ein Prachtstück! Für siebentausend Mark ist er weggegangen. Halb verschenkt!«
»Na, verschenkt…«
»Verschenkt!«wiederholte ich nachdrücklich und überlegte, was zu machen wäre.»Ich kann mal nachfragen«, sagte ich dann,»vielleicht braucht der Mann, der ihn damals gekauft hat, Geld. So was geht ja schnell heutzutage. Einen Moment.«
Ich ging in die Werkstatt und erzählte rasch, was geschehen war. Gottfried sprang auf.»Kinder, wo kriegen wir nur im Galopp einen alten Cadillac her?«
»Laß das meine Sorge sein«, sagte ich,»paß du lieber auf, daß der Bäcker inzwischen nicht wegläuft.«
»Gemacht!«Gottfried verschwand.
Ich rief Blumenthal an. Viel Hoffnung hatte ich nicht, aber man konnte es ja mal versuchen. Er war im Büro.»Wollen Sie Ihren Cadillac verkaufen?«fragte ich geradezu.
Blumenthal lachte.
»Ich habe jemand dafür«, fuhr ich fort,»mit Barzahlung auf den Tisch.«
»Barzahlung -«, erwiderte Blumenthal nach einer Weile Nachdenken,»das ist in diesen Zeiten ein Wort von reinster Poesie…«
»Das meine ich auch«, sagte ich und wurde plötzlich munter.»Also wie ist es, können wir mal darüber reden?«
»Reden kann man immer«, meinte Blumenthal.
»Schön. Wann kann ich Sie treffen?«
»Heute mittag nach dem Essen habe ich Zeit. Sagen wir um zwei hier im Büro.«
»Gut.«
Ich hängte auf.»Otto«, sagte ich ziemlich aufgeregt zu Köster,»ich hätte es nie erwartet, aber ich glaube, unser Cadillac kehrt zurück!«
Köster ließ seine Papiere liegen.»Tatsächlich? Will er verkaufen?«Ich nickte und blickte durchs Fenster, wo Lenz lebhaft auf den Bäcker einsprach.»Er macht das falsch«, sagte ich beunruhigt,»er redet zuviel. Der Bäcker ist ein Turm von Mißtrauen; man muß ihn durch Schweigen überreden. Ich will Gottfried mal rasch wieder ablösen.«
Köster lachte.»Hals- und Beinbruch, Robby.«
Ich blinzelte ihm zu und ging hinaus. Aber ich traute meinen Ohren nicht – Gottfried dachte nicht daran, vorzeitige Hymnen auf den Cadillac zu singen -, er erklärte dem Bäcker lediglich mit großem Eifer, wie die Indianer in Südamerika ihr Maisbrot backen. Ich warf ihm einen anerkennenden Blick zu und wandte mich dann an den Bäcker.»Leider will der Mann nicht verkaufen…«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Lenz prompt, als hätten wir es verabredet.
Ich zuckte die Achseln.»Schade – aber ich kann es verstehen…«Der Bäcker stand unschlüssig da. Ich sah Lenz an.
»Kannst du es nicht doch noch mal versuchen?«fragte er sofort.
»Das auf jeden Fall«, erwiderte ich.»Ich habe ohnehin wenigstens abmachen können, daß wir uns heute mittag treffen. Wo kann ich Sie nachher erreichen?«fragte ich den Bäcker.
»Ich bin um vier in der Gegend hier. Da komme ich dann noch mal vorbei…«
»Gut – dann weiß ich auch bestimmt Bescheid. Ich hoffe, daß die Sache doch noch klappt.«
Der Bäcker nickte. Dann bestieg er seinen Ford und dampfte ab.
»Du bist wohl ganz von Gott verlassen«, brach Lenz los, als er um die Ecke war.»Erst soll ich den Knaben mit Gewalt festhalten, und dann läßt du ihn ohne weiteres laufen!«
»Logik und Psychologie, mein guter Gottfried!«erwiderte ich und klopfte ihm auf die Schulter.»Das verstehst du noch nicht so…«
Er schüttelte meine Hand ab.»Psychologie«, erklärte er wegwerfend.»Die beste Psychologie ist ein guter Zufall! Und der war da! Der Mann kommt niemals wieder…«
»Um vier Uhr kommt er wieder…«
Gottfried sah mich mitleidig an.»Wetten?«fragte er.
»Gern«, erwiderte ich,»aber du fällst 'rein. Den Mann kenne ich besser als du! Der muß mehrmals aufs Feuer. Außerdem kann ich ihm doch nicht etwas verkaufen, was wir selbst noch nicht haben…«
»Ach, du lieber Gott, wenn's das nur ist«, sagte Gottfried kopfschüttelnd,»dann wird aus dir im Leben nichts, Baby! Das sind doch gerade erst die wahren Geschäfte! Komm, ich will dir einen Gratiskurs über modernes Wirtschaftsleben geben…«
Mittags ging ich zu Blumenthal. Unterwegs hatte ich das Gefühl eines jüngeren Ziegenbocks, der einen alten Wolf besuchen muß. Die Sonne brannte auf den Asphalt, und ich spürte bei jedem Schritt weniger Lust, von Blumenthal auf dem Rost gebraten zu werden. Es war am besten, kurzen Prozeß zu machen.»Herr Blumenthal«, sagte ich deshalb rasch, als ich eintrat, ehe er beginnen konnte,»einen anständigen Vorschlag unter der Tür! Fünftausendfünfhundert Mark haben Sie für den Cadillac bezahlt – ich biete Ihnen sechs wieder -, unter der Bedingung, daß ich ihn wirklich loswerde. Das entscheidet sich heute abend…«