Der Angestellte griff nach den Schlüsseln, dann schnippte er mit den Fingern, und ein Gepäckträger kam zum Empfangspult. Gleichzeitig betraten Bob Meadows und Eddie Seng das Hotelfoyer.
»Wie ich sehe, haben Sie kein Gepäck, Mr. Cabrillo«, stellte der Mann am Empfang fest. »Möchten Sie, dass wir für Sie einkaufen?«
»Ja.« Cabrillo nickte, nahm einen Notizzettel und einen Stift zur Hand und machte einige Notizen. »Rufen Sie morgen früh bitte bei Harrods an. Lassen Sie sich mit einem Mr. Mark Anderson in der Abteilung für Herrenbekleidung verbinden — bitten Sie, folgende Teile zu liefern. Meine Maße hat er bereits.«
Meadows und Seng kamen zum Empfangspult. Jeder trug zwei Reisetaschen. Cabrillo reichte ihnen jeweils einen Schlüssel. »Braucht ihr etwas von Harrods?«
»Nein«, antworteten beide Männer wie aus einem Mund.
Der Gepäckträger wollte sich der Reisetaschen bemächtigen, doch Eddie Seng hob die Hand und bremste ihn.
»Überlassen Sie das lieber uns«, sagte er und steckte dem Mann eine Zwanzig-Pfund-Note zu. »Folgen Sie uns nur nach oben und nehmen Sie nachher den Gepäckkarren wieder mit.«
Die Reisetaschen waren mit Waffen, Kommunikationsgeräten und genügend C-6-Sprengstoff voll gestopft, um das Hotel in einen Schutthaufen zu verwandeln. Der ahnungslose Gepäckträger nickte, schob den Karren näher heran und wartete, um gemeinsam mit den Männern die Suiten aufzusuchen.
»Habt ihr Hunger?«, fragte Cabrillo, während Seng und Meadows die Taschen auf den Karren luden.
»Ich könnte ein Frühstück gebrauchen«, sagte Meadows.
»Dann schicken Sie bitte drei Englische Frühstücke auf mein Zimmer«, sagte Cabrillo und zeigte dem Angestellten seinen Schlüssel. »Und zwar in einer Dreiviertelstunde, wenn möglich.«
»Duschen wir erst mal und ziehen uns um«, sagte Juan Cabrillo zu seinen Freunden, »und dann treffen wir uns um halb zwei in meiner Suite.«
Danach begaben sie sich mit Gepäckkarren und Hausdiener zu den Fahrstühlen und fuhren zu ihren Zimmern hinauf. Cabrillo blieb vor seiner Zimmertür stehen, schloss sie auf und gab dem Gepäckträger ein Zeichen.
»Warten Sie bitte einen Moment«, sagte er. »Sie müssen ein paar Sachen in die Wäscherei bringen, die schnellstens gereinigt und gebügelt werden sollen.«
Er trat ins Zimmer, zog sich aus, schlüpfte in einen der Bademäntel, die im Schrank hingen, und kehrte mit den Kleidern, die er getragen hatte, zur Tür zurück. Er reichte sie dem Hausdiener in einem Wäschesack aus Plastik zusammen mit einem Hundert-Dollar-Schein. »Ich brauche die Sachen so schnell wie möglich zurück.«
»Sollen auch Ihre Schuhe geputzt werden?«, erkundigte sich der Hausdiener.
Cabrillo schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank, das ist nicht nötig.«
Sobald der Hotelangestellte sich entfernt hatte, stellte sich Cabrillo unter die Dusche. Danach zog er den Bademantel wieder über und öffnete die Zimmertür. Davor war eine Plastiktasche mit Toilettenartikeln abgestellt worden. Er nahm sie mit ins Badezimmer, rasierte sich, benetzte seine Wangen mit einem teuren Aftershave, dann putzte er sich die Zähne und kämmte die Haare. Anschließend kehrte er ins Wohnzimmer zurück und wählte die Nummer des Kontrollraums auf der Oregon.
Zur gleichen Zeit, als Cabrillo letzte Hand an seine äußere Erscheinung legte, zeigte die Uhr in Washington 8:00 abends. Thomas »TD« Dwyer hatte während der letzten Tage Doppelschichten im Labor für Infektionserreger in Fort Derrick, Maryland, absolviert. Es war eine abgelegene Ortschaft in den Bergen nördlich von Washington. Die nächste größere Gemeinde war Frederick. Dwyer war erschöpft und fast geneigt, für diesen Tag Feierabend zu machen. Bisher hatte er die in Arizona aufgesammelten Gesteinsproben ultraviolettem Licht, verschiedenen Säuren, speziellen Gaskombinationen und unterschiedlicher Strahlung ausgesetzt.
Und nichts war geschehen.
»Wollen Sie nicht für heute Schluss machen?«, fragte der Armeetechniker.
»Ich will nur schnell noch eine Probe für morgen abschneiden«, erwiderte Dwyer, »damit wir gleich um acht Uhr wieder anfangen können.«
»Soll ich den Laser warmlaufen lassen?«, fragte der Techniker.
Durch das Sichtfenster aus dickem Glas betrachtete Dwyer die Probe, die in einem Schraubstock auf einer Werkbank in dem hermetisch abgeriegelten Raum steckte. Dwyer hatte schon vorher eine mit Diamantsplittern versehene Druckluftsäge hinter der Einlassschleuse deponiert und bugsierte sie zu der Werkbank hinüber, indem er seine Arme durch die Wand in die dicken Kevlarhandschuhe schob. Die Säge wurde von den Greifarmen eines Arbeitsroboters gehalten, den Dwyer mit Hilfe eines Joysticks steuern konnte.
»Ich werde jetzt die Säge einsetzen«, sagte Dwyer, »halten Sie die Augen offen.«
Der Techniker ließ sich auf einem Stuhl hinter einer ausladenden Steuerkonsole nieder. Die Wand vor ihm — inklusive der Fläche um die kleinen Fenster, die einen Blick auf das Innere der Versuchskabine gestattete — war mit Anzeigeinstrumenten und Bedienungsknöpfen übersät.
»Keinerlei Störungen oder Auffälligkeiten«, stellte der Techniker fest.
Dwyer bewegte behutsam den Joystick und schaltete die Säge ein. Dann senkte er sie langsam auf die Probe herab. Die Säge qualmte erst, dann blieb sie knirschend stehen.
Sie würden sich bis zum Mittag des folgenden Tages mit einer Reparatur gedulden müssen.
Tiny Gunderson drosselte das Gas und schwenkte in die Einflugschneise von Heathrow ein. Er und Tracy Pilston hatten während des Fluges aus Las Vegas abwechselnd geschlafen. Richard Truitt hatte weiter hinten in der Maschine gedöst, war jetzt hellwach und trank seine zweite Kanne Kaffee.
»Wollt ihr auch noch einen Schluck?«, fragte er durch die offene Cockpittür.
»Ich bin fit«, sagte Gunderson. »Was ist mit dir, Tracy?«
Tracy Pilston unterhielt sich gerade per Funk mit dem Tower, doch sie deutete mit der Hand ein Nein an.
»Max hat euch beide in einem Hotel in der Nähe des Flughafens untergebracht«, sagte Truitt. »Ich fahre mit dem Taxi in die Stadt.«
Tiny Gunderson wendete und ging in den Landeanflug.
»Wir tanken auf und halten uns anschließend im Hotel einsatzbereit«, sagte er.
»Das wird das Beste sein«, sagte Truitt.
Etwas hatte Dick Truitt während des gesamten Fluges in einem Zustand der Unruhe gehalten, und er konnte nicht sagen, was es war. Stundenlang hatte er versucht, sich die Inneneinrichtung von Hickmans Büro ins Gedächtnis zu rufen, aber so sehr er sich auch anstrengte, das Bild wurde nicht klarer. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, schloss den Sicherheitsgurt und wartete ungeduldig darauf, dass die Gulfstream endlich aufsetzte.
Zehn Minuten später saß er in einem Taxi, das in Richtung Savoy Hotel rollte. Als draußen die Paddington Station vorbeiglitt, fiel es ihm schlagartig ein.
Overholt hatte die Absicht, auf seiner Couch im Büro zu schlafen, denn er glaubte genau zu wissen, dass während der nächsten achtundvierzig Stunden irgendetwas geschehen würde. Es war fast zehn Uhr abends, als der Präsident noch einmal anrief.
»Ihre Leute haben Mist gebaut«, sagte er ohne Einleitung. »In dem Zug war nichts.«
»Unmöglich«, sagte Overholt. »Ich arbeite schon seit Jahren mit der Corporation zusammen — sie machen keine Fehler. Der Meteorit war in diesem Zug — er muss von dort entfernt und wer weiß wohin gebracht worden sein.«
»Demnach«, sagte der Präsident, »geistert er jetzt irgendwo in England herum.«
»Cabrillo ist zur Zeit in London«, sagte Overholt, »und kümmert sich um die verloren gegangene Bombe.«
»Langston«, sagte der Präsident, »sehen Sie zu, dass Sie die Situation irgendwie unter Kontrolle bekommen, oder denken Sie darüber nach, ob Sie in Zukunft von Ihrer Pension leben wollen.«
»Jawohl, Sir«, konnte Overholt noch erwidern, ehe die Verbindung getrennt wurde.