In der einen Minute hatten sie völlig klaren Himmel über sich, und in der nächsten tauchten sie in eine Wolkenbank ein und verloren sowohl die Cessna als auch das Wasser unter ihnen aus den Augen. Heftige Winde attackierten den Helikopter, so dass sie die Flugrichtung und die Geschwindigkeit wechselten wie ein Puck auf einem Airhockey-Tisch. Die schottische Küste lag gut vierhundert Kilometer weit im Süden. Von dort bis nach Inverness, der ersten Stadt, wo sie unter Umständen auftanken könnten, waren es noch einmal gut einhundert Kilometer.
Da beide Tanks gefüllt waren, konnten es Adams und Cabrillo bis zum Festland schaffen — aber nur wenn der Rückenwind mitmachte. Ohne Reservetank hatte der Robinson eine Reichweite von höchstens sechshundert Kilometern. Die Cessna 206 schaffte gut tausendzweihundert Kilometer. Bennett hatte die 206 auf den Faröern nicht aufgetankt — und sobald er erkannt hatte, dass Cabrillo ihn verfolgte, war er so schnell es ging gestartet –, daher waren beide Maschinen in dieser Hinsicht gleichwertig.
Was ihre Reisegeschwindigkeit betraf, schaffte jede 200 Stundenkilometer.
»Dort«, sagte Cabrillo und deutete auf eine Lücke in der Wolkenbank, »er ist drei Kilometer vor uns.«
Adams nickte. Er hatte während der letzten zehn Minuten beobachtet, wie die Cessna mehrmals in den Wolken verschwand und wieder auftauchte. »Ich bezweifle, dass er uns sieht«, sagte Adams. »Wir fliegen unter ihm und sind außerdem so weit zurück, dass wir uns außerhalb seines Gesichtsfeldes befinden.«
»Er kann uns aber immer noch auf seinem Sicherheitsradar erkennen«, entgegnete Cabrillo.
»Ich glaube nicht mal, dass er eins hat«, sagte Adams. »Die Cessna, die er fliegt, ist ein ziemlich altes Modell.«
»Kannst du nicht noch einen Zahn zulegen?«
»Wir sind am Limit, Juan«, erklärte Adams und deutete auf den Geschwindigkeitsmesser, »und er auch, vermute ich. Und ich kann nicht steigen, um in einen steilen Sinkflug zu gehen und so an Tempo zu gewinnen. Wenn ich steige, werde ich über Grund zu langsam — dann würden wir ihn völlig aus den Augen verlieren.«
Cabrillo überlegte kurz und nickte schließlich. »Also können wir wohl nichts anderes tun, als ihn weiter zu verfolgen und Hilfe anzufordern.«
»Genau«, sagte Adams.
James Bennett glaubte, am Himmel allein unterwegs zu sein. Er hatte keine Vorstellung von der Reisegeschwindigkeit des Robinson R-44, wusste jedoch, dass die meisten kleineren Hubschrauber an die einhundertachtzig Stundenkilometer schafften. Wenn er Schottland erreichte, müsste der Helikopter — falls er ihn noch verfolgte — nach seiner Schätzung mindestens eine halbe Stunde hinter ihm sein. Bennett griff nach seinem Telefon und wählte eine Nummer.
»Ich habe das Paket übernommen«, sagte er, »aber ich glaube, ich habe einen Schatten.«
»Sind Sie sicher?«, fragte die Stimme.
»Nicht hundertprozentig«, antwortete Bennett, »aber wenn es so sein sollte, kann ich ihn abhängen. Der Punkt ist nur, dass ich, sobald ich gelandet bin, höchstens eine halbe Stunde Zeit für die Übergabe haben werde. Ist das ein Problem?«
Der Mann am anderen Ende der Leitung überlegte einen Moment, ehe er antwortete. »Ich lasse mir was einfallen«, sagte er dann, »und rufe Sie zurück.«
»Ich warte«, sagte Bennett und beendete das Gespräch.
Nachdem er die Trimmung justiert hatte, damit die Cessna auf geradem Kurs blieb, konzentrierte sich Bennett auf die Anzeigeinstrumente, wobei er vor allem die Tankanzeige im Auge behielt. Es würde wirklich knapp. Indem er den Steuerknüppel festhielt, während die Cessna von einem Aufwind erfasst wurde, wartete er, bis sie wieder auf ihre Reisehöhe zurückkehrte. Dann griff er auf den Passagiersitz und schenkte sich aus einer verbeulten Stanley-Thermosflasche, die ihn schon seit fast zwanzig Jahren begleitete, einen Becher Kaffee ein.
»Ich habe Overholt benachrichtigt«, sagte Hanley, »und ihn gebeten, die Briten zu alarmieren, dass sie ein paar Kampfjets losschicken, um das Flugzeug zur Landung zu zwingen. Damit sollte die Angelegenheit erledigt sein.«
»Sorg bloß dafür, dass die Briten warten, bis die Cessna über Festland ist«, sagte Juan Cabrillo. »Ich möchte den Meteoriten nicht noch im letzten Moment verlieren.«
»Ich kümmere mich schon darum«, versprach Hanley.
»Wie weit bist du von den Faröern entfernt?«
»Etwa zwanzig Minuten.«
»Wie steht es mit den Dänen und der Jacht?«, wollte Cabrillo wissen.
»Nach der letzten Meldung aus Washington haben sie nicht genug Leute dafür«, erklärte Hanley. »Aber auf einem Hügel in der Nähe des Flughafens sitzt ein Polizist und beobachtet das Schiff — mehr können sie im Augenblick nicht tun.«
Juan Cabrillo überlegte. »Wurde die Atombombe schon geborgen?«
»Laut den letzten Geheimberichten noch nicht.«
»Sie könnte sich auf der Jacht befinden.«
»Einer Quelle Overholts zufolge wurde sie auf einen alten Frachter geladen.«
»Wer immer diese Typen sind«, sagte Cabrillo, »sie scheinen eine Vorliebe für Umladeaktionen auf See zu haben. Sehr gut möglich, dass sie irgendwo mit dem Frachter ein Rendezvous hatten und die Bombe an Bord genommen haben.«
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Ich würde Overholt empfehlen, die Jacht aus dem Hafen auslaufen zu lassen«, sagte Cabrillo. »Die Oregon sollte sich heraushalten — die britische oder die amerikanische Marine soll sich lieber mit dem Problem herumschlagen. Sie können die Jacht auf See kapern — das Risiko ist viel geringer.«
»Ich rufe Overholt sofort an«, sagte Hanley, »und gebe ihm unsere Empfehlungen durch.«
Die Leitung wurde getrennt, und Cabrillo lehnte sich in seinem Sitz zurück. Er konnte nicht ahnen, dass sich der Meteorit und die Bombe in den Händen zweier verschiedener Gruppierungen befanden.
Eine Gruppe plante eine Aktion im Namen des Islam.
Die andere Gruppe plante einen Schlag gegen den Islam.
Und beide Gruppen wurden von unstillbarem Hass getrieben.
27
Sobald die Gulfstream in Las Vegas gelandet war, ließ Truitt Chuck Gunderson und Tracy Pilston bei der Maschine zurück und nahm sich ein Taxi. Das Wetter war klar und sonnig, und aus den Bergen vor Las Vegas wehte eine kühle Brise. Die trockene Luft wirkte wie ein Vergrößerungsglas, so dass die Berge, obwohl kilometerweit entfernt, zum Anfassen nah erschienen.
Truitt warf seine Reisetasche auf den Rücksitz und setzte sich nach vorn zum Taxifahrer.
»Wohin?«, fragte dieser mit einer Stimme, die nach einem Sean Connery mit Raucherhusten klang.
»Dreamworld«, antwortete Truitt knapp.
Der Fahrer legte den Gang ein und verließ zügig das Flughafengelände.
»Waren Sie schon mal in Dreamworld?«, fragte der Cabbie, während sie sich dem berühmten Sunset Strip näherten.
»Noch nie«, antwortete Truitt.
»Es ist das reinste Hightech-Paradies«, sagte der Fahrer, »eine künstlich geschaffene Welt.«
Der Fahrer bremste ab und ließ den Wagen bis zum Ende einer Schlange von Taxis und Privatwagen rollen, die langsam zur Einfahrt vorrückten. »Lassen Sie sich auf keinen Fall das Gewitter heute Abend auf dem hinteren Gelände entgehen«, sagte der Fahrer und wandte sich halb zu Truitt um. »Die Vorstellung findet zu jeder vollen Stunde statt.«
Die Schlange schob sich vorwärts, der Fahrer lenkte das Taxi in eine Zufahrt, die zum Hotel führte. Wenige Meter weiter, und er fuhr durch ein Portal mit langen Plastikstreifen, die Truitt unwillkürlich an die Einfahrten zu Kühlhäusern für Lebensmittel erinnerten.
Sie befanden sich jetzt mitten in einem Tropendschungel. Ein dichtes Blätterdach spannte sich über ihnen, und die Feuchtigkeit sorgte dafür, dass die Fenster des Taxis beschlugen. Der Fahrer lenkte sein Fahrzeug vor den Hoteleingang und stoppte.
»Nehmen Sie sich vor den Vögeln in Acht, wenn Sie aussteigen«, warnte er. »Letzte Woche hatte ich einen Kunden, der behauptete, erst eine volle Ladung abgekriegt zu haben und dann auch noch angegriffen worden zu sein.«