»Gibt es eine Möglichkeit, die Richtigkeit dieser Theorie zu beweisen?«, ließ der Außenminister die nächste Frage folgen.
»Wir konnten Gesteinsproben sichern und die Atome unter Laborbedingungen nachweisen«, sagte Dwyer, »aber es gibt keine Garantie, dass wir auch eine Probe mit einem noch intakten Virus finden. In einigen Fragmenten mag er noch erhalten sein, in anderen wieder nicht.«
Der Präsident ergriff noch einmal das Wort. »Mr. Overholt, weshalb haben Sie ein Privatunternehmen nach Grönland geschickt und nicht einige unserer eigenen Agenten?«
»Erstens«, antwortete Overholt, »glaubten wir seinerzeit, dass wir es mit einem relativ harmlosen Objekt zu tun hatten, und wir hatten keine Ahnung, dass es bei Echelon eine undichte Stelle gab. Die Information von der mittlerweile erheblichen Bedrohung wurde mir erst heute von Mr. Dwyer überbracht. Zweitens wollten wir das Objekt um jeden Preis in unseren Besitz bringen, und ich hatte die Absicht, die Regierung vor möglichen negativen Auswirkungen eines solchen Vorhabens zu bewahren.«
»Ich verstehe«, sagte der Präsident. »Und wen haben Sie für diese Operation angeheuert?«
»Die Corporation«, antwortete Overholt.
»Waren diese Leute nicht auch an der Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet beteiligt?«
»Ja, Sir.«
»Ich hatte angenommen, sie hätten sich längst zur Ruhe gesetzt«, sagte der Präsident. »Sie dürften sich mit dieser Operation damals allesamt finanziell saniert haben. Wie dem auch sei, ich habe nicht die geringsten Zweifel an ihren Fähigkeiten — an Ihrer Stelle hätte ich gewiss das Gleiche getan.«
»Vielen Dank, Sir«, sagte Overholt.
Als Nächster meldete sich der Chef der Luftwaffe zu Wort. »Die Lage sieht im Augenblick so aus, dass eine Iridiumkugel irgendwo — wie wissen nicht wo — durch die Weltgeschichte geistert, während eine ukrainische Atombombe vermisst wird. Wenn diese beiden Objekte auf irgendeine Art und Weise zusammentreffen, hätten wir ein Riesenproblem.«
Der Präsident nickte. Knapper und treffender konnte man die Situation nicht beschreiben. Er überlegte.
Dann gab er sich einen Ruck. »Ich stelle mir Folgendes vor«, sagte er mit ernster Miene. »Mr. Dwyer soll sich einige dieser außerirdischen Bucky Balls besorgen und sofort anfangen, umfangreiche Experimente damit durchzuführen. Falls tatsächlich die Möglichkeit existiert, dass ein außerirdischer Virus freigesetzt werden kann, dann müssen wir darüber Bescheid wissen. Zweitens wünsche ich, dass das Militär und die Geheimdienste gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um diesen Meteoriten zu finden. Drittens soll Mr. Overholt weiterhin mit der Corporation zusammenarbeiten — sie sind von Anfang mit dieser Angelegenheit befasst, daher will ich nicht, dass sie jetzt aussteigen. Ich werde sämtliche Gelder bereitstellen, die nötig sind, um ihr Honorar zu bezahlen. Viertens verlange ich, dass über diese Sache Stillschweigen bewahrt wird — sollte ich morgen in der New York Times auch nur ein Sterbenswörtchen über diese Vereinbarung lesen, dann wird derjenige, der einen derartigen Hinweis nach draußen dringen ließ, gefeuert. Der letzte Punkt liegt klar auf der Hand: Die ukrainische Atombombe und der Meteorit müssen so schnell wie möglich lokalisiert und aus dem Verkehr gezogen werden, wenn wir das neue Jahr nicht gleich mit einer Krise beginnen wollen.«
Er hielt inne und sah sich am Tisch um. »Okay, jeder von Ihnen müsste jetzt wissen, was er zu tun hat. Erledigen Sie die Angelegenheit, und zwar ein für alle Mal.«
Der Konferenzraum leerte sich, der Präsident aber gab Overholt und Dwyer ein Zeichen, sie sollten noch bleiben.
Sobald der Wachtposten, ein Marineinfanterist, alle Konferenzteilnehmer hinausgewinkt hatte, schloss er die Tür hinter sich und baute sich davor auf.
»TD, nicht wahr?«
»Ja, Sir«, sagte Dwyer.
»Schenken Sie mir reinen Wein ein.«
Dwyer blickte zu Overholt. Dieser nickte.
»Wenn in den Molekülen, die diesen Meteoriten bilden, tatsächlich ein Virus enthalten ist«, sagte Dwyer langsam, »dann dürfte eine Atomexplosion unsere geringste Sorge sein.«
»Holen Sie mir Cabrillo ans Telefon«, sagte der Präsident zu Overholt.
23
Der Konferenzsaal auf der Oregon war bis auf den letzten Platz besetzt.
»Ab einer Entfernung von fünfhundertsechzig Kilometern können wir den Robinson starten lassen«, sagte Cabrillo. »Wenn wir trotz Gegenwind hundertsechzig Kilometer in der Stunde schaffen, sollte der Hubschrauber zur gleichen Zeit auf den Faröern eintreffen wie unser geheimnisvolles Schiff.«
»Das Problem ist«, sagte Max Hanley, »wenn nur ihr — du und George — am Ort des Geschehens seid, könnt ihr zu zweit unmöglich das Schiff stürmen. Jeder Versuch wäre glatter Selbstmord.«
»Diese Kerle«, fügte Eddie Seng hinzu, »sind ein ziemlich übler Haufen.«
In diesem Augenblick schwang die Tür des Konferenzsaals auf, und Gunther Reinholt, der alternde Antriebsingenieur der Oregon, steckte den Kopf herein.
»Juan«, sagte er, »da ist ein Anruf, den du auf jeden Fall entgegennehmen solltest.«
Cabrillo nickte, erhob sich am Kopfende des Tisches und folgte Reinholt hinaus in den Korridor. »Wer will mich sprechen?«, fragte er.
»Der Präsident persönlich«, antwortete Reinholt und ging voraus zum Kontrollraum.
Cabrillo sagte nichts — es gab auch nichts zu sagen. Im Kontrollraum wandte er sich sofort dem abhörsicheren Telefon zu und nahm den Hörer ab.
»Juan Cabrillo am Apparat.«
»Warten Sie einen Moment, hier ist der Präsident der Vereinigten Staaten«, antwortete eine Telefonistin.
Ein oder zwei Sekunden später meldete sich eine markante, unverkennbare Stimme. »Mr. Cabrillo?«, sagte sie. »Guten Tag.«
»Guten Tag, Sir«, erwiderte Juan Cabrillo.
»Mir sitzt hier im Augenblick Mr. Overholt gegenüber — er hat mich bereits ins Bild gesetzt. Könnten Sie die augenblickliche Lage skizzieren?«
Cabrillo lieferte dem Präsidenten einen knappen Abriss der bisherigen Ereignisse.
»Ich könnte in England ein paar Maschinen aufsteigen und das Schiff mit einer Harpoon-Rakete versenken lassen«, sagte der Präsident, als Cabrillo geendet hatte, »aber dann wäre die Atombombe immer noch vorhanden, nicht wahr?«
»Ja, Sir«, gab ihm Cabrillo Recht.
»Auf den Faröern können wir keine Truppentransporter landen lassen«, fuhr der Präsident fort. »Ich habe mir die dortigen Bedingungen angesehen — der Flughafen ist wirklich zu klein. Das bedeutet, dass unsere einzige Möglichkeit darin besteht, ein Team mit Hubschraubern dorthin zu bringen, und wenn meine Schätzungen zutreffen, dann würde es wahrscheinlich an die sechs Stunden dauern, um eine Kampfeinheit in Stellung zu bringen.«
»Wir gehen davon aus, dass wir dreieinhalb bis höchstens vier Stunden Zeit haben, Sir«, sagte Cabrillo.
»Ich habe auch bei der Marine nachgefragt«, sagte der Präsident. »Sie haben niemanden, der zurzeit in der Gegend operiert.«
»Mr. President«, sagte Cabrillo, »wir haben den Meteoriten mit einer Peilvorrichtung versehen. Solange er nicht mit der nuklearen Waffe kombiniert wird, geht nur eine begrenzte Gefahr von ihm aus. Wenn Sie uns die Erlaubnis geben, dann glauben wir, den Meteoriten bis zu dem Ort verfolgen zu können, wo er mit der Atombombe verbunden wird, und beides gleichzeitig aus dem Verkehr ziehen zu können.«
»Eine höchst riskante Strategie«, stellte der Präsident fest.
Er wandte sich an Overholt.
»Juan«, meldete sich dieser jetzt, »wie stehen die Chancen, dass deine Leute das erfolgreich durchziehen?«
»Gut«, antwortete Cabrillo schnell, »aber da ist ein Unsicherheitsfaktor.«
»Und welcher?«, fragte der Präsident.
»Wir wissen nicht genau, wer unser Gegner ist. Sollten die Leute, die im Besitz des Meteoriten sind, zur Hammadi-Gruppe gehören, dann glaube ich, dass wir sie ausschalten können.«