»Ja, Tim?«
»Mir wurde eine Aufgabe übertragen, von der ich glaube, dass sie meine Fähigkeiten übersteigt«, sagte der junge Mann zaghaft.
Dwyer streckte die Arme hoch und umfasste die Querstange zwischen den Türpfosten. Denn verdrehte er seinen Körper, hakte die Hängeschuhe von der Stange los und stellte sich mit einer einzigen fließenden Bewegung auf den Fußboden.
»Diese Nummer habe ich bei der letzten Olympiade gesehen«, erklärte Dwyer grinsend. »Was halten Sie davon?«
»Toll, Sir«, sagte der junge Mann leise.
Dwyer ging in sein Büro, ließ sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch sinken und bückte sich dann, um die Hängeschuhe auszuziehen. Der junge Techniker folgte ihm in unterwürfiger Haltung. Er hatte einen Schnellhefter mit der Aufschrift »Echelon A-1« in der Hand. Dwyer schob die Hängeschuhe mit den Füßen in eine Ecke seines Büros und streckte die Hand aus, damit Tim ihm den Schnellhefter reichen konnte. Er entfernte einen Aufkleber vom Deckel, zeichnete ihn ab und gab ihn dem jungen Wissenschaftler zurück.
»Jetzt ist es mein Problem«, stellte er lächelnd fest. »Ich werde alles analysieren und einen Bericht dazu schreiben.«
»Danke, Mr. Dwyer«, sagte Tim.
»Nennen Sie mich ruhig TD«, sagte Dwyer. »Das tun alle hier.«
Thomas »TD« Dwyer saß in seinem Büro und hatte die Füße auf seinen Schreibtisch gelegt.
In der Hand hielt er eine Arbeit über die natürliche Entstehung von Buckminster Fullerenen, bekannter unter der Bezeichnung »Bucky Balls«. Meteoriten. Die kugelförmigen Gebilde — nach dem amerikanischen Architekten R. Buckminster Fuller benannt, der seinen Ruhm der Konstruktion der geodätischen Dome verdankte — sind die rundesten und symmetrischsten Moleküle, die der Mensch kennt. Im Jahr 1985 während eines Weltraumexperiments mit Kohlenstoffmolekülen entdeckt, haben »Bucky Balls« die Wissenschaftler immer wieder aufs Neue verblüfft.
Wenn der Hohlraum innerhalb des Kugelkörpers mit Cäsium gefüllt ist, stellt er den perfektesten organischen Halbleiter dar, der je getestet wurde. Experimente mit Bucky Balls aus reinem Kohlenstoff haben einen Schmierstoff hervorgebracht, der als so gut wie reibungsfrei gilt. Zu den möglichen Anwendungen gehörte die Entwicklung von praktisch schadstofffreien Maschinen, von Techniken zur zeitlich punktgenauen Verabreichung von Medikamenten und von leistungsfähigeren nanotechnologischen Geräten. Die Möglichkeiten für weitere Entwicklungen in dieser Richtung waren geradezu grenzenlos.
Obwohl zukünftige Anwendungen von großem Interesse waren, galt Dwyers Aufmerksamkeit nicht diesem Bereich. Ihm ging es mehr um die Gegenwart. In der Natur vorkommende Bucky Balls waren in Meteoritenkratern gefunden worden. Als diese Proben untersucht wurden, war man in den Hohlräumen der Kugelkörper auf Spuren von Argon und Helium gestoßen.
Einen Moment lang dachte Dwyer über dieses Phänomen nach.
Zuerst stellte er sich vor, dass zwei geodätische Dome zusammengefügt wurden und eine Kugel von der Größe eines Fußballs oder der des Meteoriten auf dem Foto bildeten. Dann stellte er sich den Hohlraum als mit Gasen gefüllt vor. Und wie dieser Kugelkörper entweder mit einer Nadel angestochen oder seine Spitze mit einem Schwert abgeschlagen wurde. Das Gas, das sich darin befand, würde ausströmen. Was dann? Helium und Argon waren harmlos und kamen in der Natur reichlich vor. Aber wenn diese Gase nun noch etwas anderes enthielten? Etwas, das nicht von dieser Welt stammte?
Er öffnete das Telefonverzeichnis in seinem Computer, fand eine Nummer und befahl dem Computer, sie zu wählen. Sobald er ihm anzeigte, dass die Anwahl vollzogen war und das Rufzeichen ertönte, griff Dwyer nach dem Hörer.
Drei Zeitzonen weiter, auf der anderen Seite des Erdteils, reagierte ein Mann auf das Klingeln seines Telefons.
»Nasuki«, meldete sich eine Stimme.
»Mike, du Gauner, hier ist TD.«
»TD, alter Mensa-Versager, wie läuft das Spionagespiel?«, fragte Nasuki.
»Ich würde es dir gern erzählen, aber es ist so geheim, dass ich mich anschließend selbst umbringen müsste.«
»Das ist wirklich geheim«, pflichtete ihm Nasuki bei.
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten«, sagte Dwyer.
Miko »Mike« Nasuki war Astronom bei der National Oceanographic and Atmospheric Administration, kurz NOAA. Die NOAA ist eine Abteilung des Handelsministeriums. Die Behörde betrieb auf breiter Basis wissenschaftliche Forschung, allerdings konzentrierte sie sich vorwiegend auf hydrographische Probleme.
»Gehört zu dieser Gefälligkeit, dass niemand etwas von diesem Gespräch erfahren darf?«
»Genau«, bestätigte Dwyer. »Alles ist rein hypothetisch und absolut inoffiziell.«
»Na schön«, sagte Nasuki, »dann lass mal hören.«
»Ich beschäftige mich gerade mit Meteoriten und in diesem Zusammenhang speziell mit Bucky Balls.«
»Genau mein Fachgebiet«, sagte Nasuki, »wenn auch eher ein Randbereich.«
»Weißt du von irgendwelchen Theorien hinsichtlich der Beschaffenheit von Gasen innerhalb der Kugelkörper?«, fragte Dwyer vorsichtig. »Zum Beispiel weshalb man dort vorwiegend Helium und Argon findet?«
»Der wesentliche Grund ist, dass diese Gase auch auf anderen Planeten vorkommen.«
»Demnach«, sagte Dwyer, »besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Hohlräume der Bucky Balls auch mit anderen Substanzen gefüllt sein können, zum Beispiel mit Stoffen, die man nicht auf unserer Erde antrifft. Ist das richtig?«
Nasuki überlegte kurz. »Klar, TD. Ich habe vor einigen Monaten an einem Symposium teilgenommen, bei dem jemand eine Arbeit vorlegte, in der er die Behauptung aufstellte, dass die Dinosaurier von einem Virus aus dem Weltraum ausgelöscht wurden.«
»Einem Virus, der von einem Meteoriten transportiert wurde?«, fragte Dwyer.
»Genau«, bestätigte Nasuki. »Jedoch gibt es hier ein Problem.«
»Und welches?«
»Ein Meteorit, der fünfundsechzig Millionen Jahre alt ist, muss erst noch entdeckt werden.«
»Kannst du dich noch an irgendwelche Einzelheiten dieser Theorie erinnern?«
Nasuki kramte in seinem Gedächtnis. »Der Hauptpunkt war, dass im Helium enthaltene extraterrestrische Mikroben beim Aufprall freigesetzt wurden und dass diejenigen, die nicht beim Eintritt in die Erdatmosphäre verbrannten, Lebensformen, die zu dieser Zeit existierten, vergifteten. Es gab noch zwei andere wichtige Punkte«, fuhr Nasuki fort.
»Der erste war, dass es sich bei den Mikroben um einen sich schnell ausbreitenden Virus — wie den einer Supergrippe, SARS oder AIDS — handelte, der die Dinosaurier auf direktem Weg attackiert haben müsste.«
»Und was war der zweite Punkt?«
»Dass das, was im Helium gebunden war, die Atmosphäre insgesamt veränderte«, sagte Nasuki, »und vielleicht sogar die Molekularstruktur der Luft angriff.«
»In welcher Form, zum Beispiel?«
»Indem es ihr sämtlichen Sauerstoff entzog.«
»So dass die Dinosaurier regelrecht erstickten?«, fragte Dwyer ungläubig.
Nasuki kicherte verhalten. »TD«, sagte er, »immer mit der Ruhe — es ist nur eine Theorie.«
»Was wäre denn, wenn ein Meteorit existierte, der vorwiegend aus Iridium bestünde und noch völlig intakt wäre?«, fragte Dwyer. »Der also nicht beim Aufprall zerschellt wäre?«
»Wie du weißt, ist Iridium extrem hart und relativ radioaktiv«, erklärte Nasuki. »Es wäre ein nahezu perfektes Transportmittel für einen im Gas enthaltenen Krankheitserreger. Möglicherweise könnte das Gas sogar die Mutation des Virus auslösen und ihn verändern. Ihn zum Beispiel stärker, virulenter werden lassen.«
»Demnach«, schlussfolgerte Dwyer, »könnte in den Molekülen ein mutierter Virus enthalten sein, der einige Millionen Jahre alt ist und von einer Milliarden Kilometer weit entfernten Welt stammt?«
»Absolut, so verrückt es auch klingen mag«, bestätigte Nasuki.
»Ich glaube, ich muss sofort Schluss machen«, sagte Dwyer schnell.