Die fehlende Sicht vermittelte ihm ein Gefühl, als hätte ihm jemand eine Einkaufstüte über den Kopf gestülpt.
Cabrillo konnte nicht eindeutig feststellen, ob Ackerman schon tot war oder noch lebte.
Von Zeit zu Zeit glaubte er etwas spüren zu können, das ein schwacher Puls sein konnte, doch die Wunde blutete nicht mehr — und das war ein schlechtes Zeichen. Seit Cabrillo in die Höhle zurückgekehrt war, hatte sich Ackerman nicht gerührt. Seine Augen waren geschlossen, nicht einmal die Lider zuckten. Cabrillo richtete ihn so weit auf, um sehen zu können, dass sich die Wunde unterhalb seines Herzens befand. Dann deckte er ihn mit einem Schlafsack zu. Viel mehr konnte er nicht für ihn tun.
Nun klingelte sein Telefon.
»Das Peilsignal des Meteoriten führt direkt zur Akbar«, meldete Hanley.
»Al-Khalifa!« Juan Cabrillo spuckte den Namen regelrecht aus. »Ich möchte bloß wissen, wie er von dem Meteoriten erfahren hat.«
»Ich habe Overholt bereits alarmiert, dass es bei Echelon eine undichte Stelle gibt«, sagte Hanley. »Das wäre die einzige Möglichkeit.«
»Demnach versucht die Hammadi-Gruppe, eine schmutzige Bombe herzustellen«, sagte Cabrillo, »aber das liefert uns keinen Hinweis darauf, wer überhaupt die Ersten waren, die den Meteoriten an sich gebracht haben.«
»Über die Flugpassagiere haben wir nichts herausfinden können«, gab Hanley zu, »aber ich vermute stark, dass es jemand war, der mit Al-Khalifa zusammengearbeitet hat, und dass sie in Streit geraten sind.«
Cabrillo ließ sich das einige Sekunden lang durch den Kopf gehen. Es wäre eine einleuchtende Erklärung — vielleicht sogar die einzige, die einen Sinn ergab — dennoch hatte er ein unbehagliches Gefühl. »Ich denke, das werden wir erfahren, wenn wir erst einmal den Meteoriten geborgen und den Emir befreit haben.«
»Das ist unser Plan«, pflichtete Hanley ihm bei.
»Dann wäre auch diese Affäre erledigt«, sagte Cabrillo.
»Und zwar elegant und sauber.«
Weder Cabrillo noch Hanley konnte voraussehen, dass es bis zum Ende dieser Affäre noch Tage dauern sollte.
Und sie hatten auch nicht die geringste Ahnung, dass dieses Ende alles andere als elegant und sauber sein würde.
»Bitte Julia Huxley, mich anzurufen«, sagte Cabrillo. »Ich brauche ihren medizinischen Rat.«
»Soll sofort geschehen«, erwiderte Hanley und meldete sich ab.
An Bord der Akbar wurden starke Scheinwerfer eingeschaltet, um das Landefeld auszuleuchten.
In sicherem Abstand standen zwei Araber und beobachteten, wie Al-Khalifa kurz über dem Heck der Jacht verharrte, dann langsam vorwärts schwebte und aufsetzte. Sobald die Gleitkufen des Helikopters das Deck berührten, rannten die Männer geduckt unter den Rotorblättern zur Maschine, um die Kufen auf dem Deck zu sichern.
Der große Rotor drehte sich zunehmend langsamer, als Al-Khalifa die Bremse betätigte. Sobald er stillstand, kletterte der Mann aus der Maschine und ging zur anderen Seite der Kanzel. Er öffnete die Tür, nahm den Kasten vom Passagiersitz, schleppte ihn zur Tür des Hauptsalons und wartete, bis sie geöffnet wurde.
Er ging hinein, steuerte auf den langen Tisch zu und stellte den Kasten ab.
Während er den Verschluss aufschnappen ließ und den Deckel öffnete, versammelten sich die Terroristen um den Tisch und betrachteten andächtig die Kugel. Dann beugte sich Al-Khalifa vor, hob den runden Stein aus dem Kasten und hielt ihn hoch über seinen Kopf.
»Eine Million Ungläubige werden sterben«, verkündete er, »und London wird untergehen.«
»Allah sei gepriesen!«, riefen die Terroristen.
»Eine Meile vor uns«, sagte der Kapitän der Free Enterprise, »Geschwindigkeit fünfzehn Knoten.«
Insgesamt neun Männer in schwarzen wasserdichten Kombinationsanzügen drängten sich im Ruderhaus. Sie waren mit Gewehren, Pistolen und Handgranaten bewaffnet.
Die Free Enterprise lag wie ein Brett im Wasser. Draußen auf dem hinteren Deck wurde ein großes schwarzes kugelsicheres Boot an der Seite herabgelassen. Im Bug und Heck waren Fünfzig-Millimeter-Maschinengewehre auf Drehgestellen montiert. Am Glasfiberrumpf war ein Hochleistungsbenzinmotor befestigt.
Das Boot verschwand hinter der Reling und landete mit einem lauten Klatschen im Wasser.
»Wir entern von achtern«, erklärte der Anführer, »neutralisieren die Gegner, holen den Meteoriten und verschwinden. Ich will, dass wir in spätestens fünf Minuten wieder hier an Bord sind.«
»Gibt es irgendwelche Freunde oder Verbündete auf dem Boot?«, fragte einer der Männer.
»Einen«, antwortete der Anführer und reichte seinen Männern ein Foto, das sie unter sich herumgehen ließen.
»Was tun wir mit ihm?«
»Wenn möglich soll er beschützt werden«, sagte der Anführer, »aber nicht, wenn ihr dabei euer Leben in Gefahr bringt.«
»Sollen wir ihn an Bord zurücklassen?«
»Er ist für uns ohne Nutzen«, sagte der Anführer, »und jetzt los.«
Die Männer verließen das Ruderhaus und begaben sich zum Achterdeck. Im Gänsemarsch stiegen sie einige Stufen am Rumpf zu einer kleinen Plattform hinunter, an der das Schlauchboot vertäut war, dessen Motor bereits im Leerlauf leise vor sich hin blubberte. Sobald alle Männer eingestiegen waren, bezog einer von ihnen hinter dem Ruder Position, kuppelte ein und lenkte das Boot von der Free Enterprise weg.
Bei einer Geschwindigkeit von fünfundfünfzig Knoten brauchte das Schlauchboot nicht lange, um die Akbar zu erreichen.
Sobald sie sich am Heck der Jacht befanden, sorgte der Mann, der das Schlauchboot lenkte, dafür, dass es dicht an der hinteren Badeplattform der Akbar blieb, die weiter durch das Wasser pflügte. Die Männer kletterten auf die Plattform, der Kapitän des Schlauchboots ließ sich ein kleines Stück zurückfallen und hielt dann einen konstanten Abstand zur Jacht ein. Langsam schlichen die acht Männer nach oben.
Der Gefangene in seiner Kabine auf der Akbar hatte es zwar geschafft, seine Hände zu befreien, nicht aber seine Beine. Er hüpfte hinüber zur Toilette, leerte seine Blase und setzte sich wieder zurück aufs Bett und fesselte erneut seine Hände. Falls nicht bald jemand erschien, um ihn zu retten, müsste er wohl oder übel selbst aktiv werden. Er war hungrig, und wenn er hungrig war, wurde er reizbar und wütend.
Das einzige Geräusch, das oben an Deck zu hören war, bestand aus einem leisen Tappen von Stiefeln, deren Fußteile in Filzhüllen steckten. Die Männer von der Free Enterprise verteilten sich auf und in der Akbar. Sekunden später drang ein leises Knallen wie von einer Popcornmaschine durch das Schiff. Gleich danach war das dumpfe Poltern von Körpern zu hören, die zusammenbrachen und auf die Decksplanken aufschlugen.
Nach ein paar weiteren Sekunden wurde die Tür der Kabine aufgerissen, in der der Gefangene untergebracht war, und ein Mann mit schwarzer Kapuze über dem Kopf leuchtete ihm mit einer starken Handlampe ins Gesicht. Der Mann mit der Kapuze musterte ihn eingehend, verglich das, was er sah, mit einer Fotografie, die er ins Licht hielt, dann schloss er die Tür hinter sich. Der Gefangene zerrte an dem Material, das sein Gesicht bedeckte.
Die Akbar verlangsamte ihre Fahrt und stoppte schließlich.
Vier der Männer beschwerten, indem sie sich den Anführer zuerst vornahmen, die Leichen der Terroristen mit zusätzlichen Gewichten und warfen sie über Bord, während die andere Hälfte des Trupps die Blutspuren entfernte. Vier Minuten und vierzig Sekunden, nachdem der Erste von ihnen das Deck der Akbar betreten hatte, kehrten sie wieder zur Badeplattform zurück.
Der Anführer des Teams von der Free Enterprise deponierte sorgfältig eine Kiste im Heck des Schlauchboots, die Männer stiegen wieder zu. Der Bootslenker kuppelte ein, und das Boot kehrte in schneller Fahrt zu seinem Mutterschiff zurück.