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Luft.

Hier also sollte es zu Ende gehen, dachte Bolitho. Das Schicksal hatte es längst vorhergewußt, nur die Menschen machten sich immer etwas vor.

Unten auf dem Hauptdeck duckten sich die Seeleute schutzsuchend, als noch mehr Wrackteile aus der Takelage prasselten, von den wippenden Netzen aufgefangen wurden oder spritzend ins Wasser schlugen. Die Leute waren erschöpft. Sie hatten ihr Bestes gegeben, weitaus mehr, als man von ihnen erwarten konnte.

Bolitho riß sich den Hut vom Kopf, hieb damit auf die ihm am nächsten stehende Kanone und rief gellend:»Auf, auf, Kinder! Eine letzte Breitseite!»

Eine Musketenkugel riß ihm die Goldepaulette von der rechten Schulter, und ein Seesoldat bückte sich rasch und steckte sie in die Tasche.

Betäubt, blutverschmiert und mit pulvergeschwärzten Gesichtern taumelten die Stückmannschaften noch einmal an ihre Kanonen, schwangen die Ladestöcke wie verlängerte Arme und verbannten alles aus ihren Gedanken — bis auf die grellbunte Trikolore hoch über den Rauchschwaden.

Bolitho rief zu Keen hinüber:»Noch eine Breitseite, Val, dann rammen sie uns!»

Erst danach merkte er, daß Keen beide Hände in die linke Seite preßte und Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll. Aber er schüttelte den Kopf, als er Bolithos Besorgnis gewahrte.

Zischend stieß er durch die zusammengepreßten Zähne hervor:»Nein, noch nicht, die Leute dürfen mich nicht fallen sehen!«Quan-tock begriff, was geschehen war, und schwenkte auffordernd den Hut.»Feuer!«befahl er an Keens statt.

Auf Kernschußweite brüllten die britischen Kanonen auf, ihre Kugeln kreuzten sich mit dem Gegenfeuer des Feindes. Das Deck schien in lauter Splittern zu explodieren, ächzend krümmten sich die Kämpf enden, andere schrieen Befehle für Kameraden, die längst gefallen waren.

Aber Quantock war sich nur eines ungeheuren Triumphgefühls bewußt. Im entscheidenden Moment, jetzt, da sie sich in den Nahkampf stürzten und harte Disziplin, nicht weiche Anbiederei den Ausschlag gab, übernahm er und nicht Keen das Kommando.

Aber irgend etwas stimmte nicht mit ihm. Die Beine rutschten unter ihm weg, er fiel. Kein Grund zur Sorge, irgendwer würde ihm schon wieder aufhelfen. Als Quantock endlich begriff, daß die Blutlache unter ihm seine eigene war, blickten seine Augen schon so totenstarr wie die des Kadetten, der Bolithos Hut aufgehoben hatte.

XVIII Ruhe den Tapferen

Immer noch, selbst in den letzten Sekunden vor dem Rammstoß, feuerten die beiden Schiffe aufeinander, wenn auch nur mit einigen wenigen Kanonen. Aber es war, als hätten die Besatzungen die Kontrolle über sich verloren oder als achteten sie, vom pausenlosen Kanonendonner betäubt, auf nichts mehr, was außerhalb ihrer eigenen höllischen Welt lag. An Deck oben war die Luft zu einem todbringenden Element geworden, erfüllt vom Feuer der Musketen und Pistolen, die vor allem auf die Offiziere und Wachgänger des Achterdecks gerichtet waren.

Vor Bolithos Augen verengte sich die Lücke zwischen den beiden Schiffen immer mehr, die von den Rümpfen eingefangene See schwappte an den Bordwänden hoch und verwandelte sich in Dampf, wo sie auf die glühenden Kanonenrohre traf.

Kugeln hämmerten in Decksplanken oder Hängemattsnetze; oben in der Takelage peitschte mörderischer Schrothagel den Rauch und überzog Freund wie Feind mit rot schimmernden Arabesken aus Blut.

Keen klammerte sich mit einer Hand an die Querreling und preßte die andere gegen die Rippen, mit dem Stoff seines Uniformrocks den Blutstrom aus der Wunde stillend. Aber sein Gesicht war totenbleich, und er reagierte nicht mehr, wenn die Kugeln zu seinen Füßen ins Deck schlugen oder Männer neben ihm fällten.

Adam riß den geschwungenen Säbel aus der Scheide und rief:»Da kommen sie!»

Mit blitzenden Augen beobachtete er, wie die Rümpfe so hart zusammenstießen, daß noch mehr Trümmer aus der Takelage fielen und beide Schiffe immer enger verflochten.

Allday warf sich mit der Schulter gegen Bolitho, stieß ihn beiseite und schrie, das Entermesser hoch über seinem Kopf schwingend:»Die haben's auf Sie abgesehen, Sir!»

Tatsächlich waren schon die ersten französischen Enterer von Argo-nautes Bugspriet an Deck gesprungen, als die Spiere über das Vorschiff knirschte, dabei Rigg und Abwehrnetze zerreißend, während der Seegang beide Rümpfe anhob und immer dichter zusammenschob.

Eine Musketensalve der Briten fällte jedoch die meisten Enterer, ehe sie die Netze ganz weghacken konnten, und der Rest wurde mit Piken aufgespießt, obwohl er schon im Rückzug begriffen war.

Hauptmann Dewar zog seinen schweren Säbel.»Auf sie, Soldaten!»

Doch damit hatte er seinen letzten Befehl auf Erden gegeben; eine Kugel riß ihm die untere Gesichtshälfte weg und warf ihn die Niedergangstreppe hinunter an Deck. Fassungslos starrte Hawtayne, sein Leutnant, die Leiche an, als weigere er sich, den Tod seines Vorgesetzten zu akzeptieren.

Endlich raffte er sich auf und rief:»Folgt mir!»

Bolitho sah die roten Uniformen durch den Rauch zum Vorschiff stürzen, wobei einige fielen, andere aber zum letztenmal ihre Musketen abfeuerten, ehe sie mit den Bajonetten gegen die zweite Welle der Enterer vorgingen, die wie vom Himmel gefallen an Deck landete.

Es nützte nichts, der Feind war in der Überzahl. Bolitho hörte schon französisches Jubelgeschrei, das jedoch noch einmal in Fluchen und Angstgebrüll überging, als der Schrot einer Drehbassensalve ihre Reihen wie mit einer blutigen Sense ummähte.

Er sah Midshipman Evans neben der Niedergangsleiter kauern.

«Unter Deck mit Ihnen!«befahl er.»Sagen Sie ihnen, sie sollen weiterfeuern! Auf Befehl des Admirals!»

Das Feuer konnte beide Schiffe in Brand setzen, war aber ihre einzige Chance.

Aus dem Augenwinkel sah Bolitho französische Seeleute drüben in die Besanwanten klettern; das vom Rauch getrübte Sonnenlicht schimmerte matt auf Hieb- und Stichwaffen, während die Angreifer darauf warteten, daß Wind und Seegang ihr Achterschiff näher an Achates heranschoben. Bald mußte ihnen aus den unteren Decks Verstärkung erwachsen.

Bolitho verzog das Gesicht, als unten einige seiner Vierund-zwanzigpfünder noch einmal in die Bordwand des Franzosen feuerten. Rauch, Funken und Splitter wirbelten über das Seitendeck und rissen einige feindliche Enterer über Bord, die zwischen den Rümpfen zermalmt oder unter Wasser gedrückt wurden.

Aber schon rannten Franzosen auf dem Seitendeck nach achtern, obwohl Bolitho entgangen war, wie sie sich durchgeschlagen hatten. Einer davon, ein Leutnant, hackte einen Matrosen nieder, bevor er nach unten auf das Batteriedeck springen konnte, und einige Kugeln zischten schon zum Achterdeck hinauf, wo Knocker mit seinen Männern am Ruder stand, einem Häuflein Überlebender auf ihrem Floß vergleichbar.

Der französische Offizier entdeckte Keen an der Reling und machte einen Ausfall; entsetzt gewahrte Bolitho, daß Keen vor Schmerzen die Augen geschlossen hatte und nichts zu seiner Rettung tat.

Bolitho stieß einen lauten Ruf aus, und als der Blick des Leutnants zu ihm hin zuckte, hieb er ihm den alten Säbel in den Hals. Noch während der Franzose mit einem gurgelnden Schrei, der in Blut erstickte, vornüber taumelte, schlug Allday mit dem Entermesser zu und fällte ihn wie ein Waldarbeiter einen jungen Baum.

Stahl klirrte gegen Stahl, als sich die britischen Matrosen auf dem Achterdeck sammelten, taub und blind für das Gemetzel ringsum und nur darauf bedacht, die Stellung zu halten und nicht unter diese grausamen Schneiden und stampfenden Füße zu geraten.

Bolitho sah Adam den Ausfall eines zweiten französischen Leutnants parieren und wollte hin zu ihm, wollte zu Hilfe eilen. Doch selbst im Lärm und Schlachten des Handgemenges blieb ihm nicht verborgen, mit welcher Geschicklichkeit Adam focht, wie gut er den Schwung des schwereren Angreifers gegen diesen selbst lenkte. Schon drängte er nach, rückte, bei jedem Ausfall mit dem rechten Fuß aufstampfend, vor und zwang seinen Gegner aufs Vorschiff zurück.

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