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«Vorsicht!«gellte Alldays Schrei.

Bolitho fuhr herum und sah einen französischen Unteroffizier mit der Pistole auf ihn zielen. Da sauste Stahl vor seinen Augen nieder, die Pistole polterte an Deck und explodierte, immer noch von der abgetrennten Hand des Franzosen umklammert.

Einen blutigen Schnitt quer über die Stirn, ein Entermesser in der einen und einen schweren Belegnagel in der anderen Hand, keuchte Tyrrell:»Das war knapp!«Dann warf er sich, ein hinkender Riese, mitten ins Handgemenge, ließ seine Waffen wirbeln und brüllte Anfeuerndes in jedes Ohr, das ihn noch hören konnte.

Im unteren Batteriedeck war das Klirren und Scharren über den Köpfen erschreckend anzuhören: als sei ein irrer Mob außer Rand und Band geraten.

Midshipman Evans tastete sich durch den Rauch und suchte die Leiter zum Oberdeck. Er rutschte in Blutlachen aus und wäre fast über die Leiche eines Stückmeisters gefallen. Als er sich wieder aufrichtete, sah er einige Gestalten durch eine offene Stückpforte hereinklettern, deren Kanone aus Munitionsmangel aufgegeben worden war.

Das war der Feind!

Die Erkenntnis lähmte ihn, verschlug ihm den Atem, und er wollte fliehen, wollte sich verkriechen vor dem Gräßlichen, das ihn umgab. Aber ein verwundeter Matrose taumelte neben ihm von seiner Kanone zurück, beide Hände auf eine klaffende Bauchwunde gepreßt, in den hervorquellenden Augen das helle Entsetzen.

Zwei Franzosen sahen ihn und holten nach ihm aus. Der Matrose stürzte und versuchte mit ausgestreckten Fingern, Evans' Fuß zu erreichen.

«Hilfe!«krächzte er.»Hilf mir, um Gottes willen!»

Evans war erst dreizehn Jahre alt, aber für den Verwundeten bedeuteten sein blauer Uniformrock und die weißen Kniehosen Macht und vielleicht Sicherheit vor Tod und Verzweiflung.

Also zog Evans seinen kurzen Dolch und richtete die Spitze auf die Franzosen.

Rutschend kamen die beiden zum Stillstand, vielleicht ernüchtert beim Anblick ihres kindlichen Gegners.

Wie ein heller Lichtfleck tauchte Crockers weißer Haarschopf im Halbdunkel auf. Er schwang einen Ladestock mit beiden Händen, hieb damit auf die Franzosen ein und warf sie auf die Knie. Ein weiterer Matrose sprang herzu und bereitete ihnen mit blitzendem Entermesser ein schnelles Ende.

Crocker wandte den Kopf, musterte den kleinen Kadetten perplex und keuchte:»Ein richtiger kleiner Feuerfresser, wie?»

Blicklos starrte Evans zum Niedergang, wo jemand die Leiter herabgepoltert kam. Sein Verstand konnte das Geschehen nicht verarbeiten, ihm war nur bewußt, daß er immer noch lebte.

Adam Bolitho wischte sich die vor Rauch tränenden Augen und blickte sich um. Hier unten konnte man ja kaum atmen, geschweige denn erkennen, was vor sich ging.

«Wo ist der Vierte Offizier?«Er musterte den langen Ladestock, den Crocker immer noch umklammert hielt, das blutige Entermesser in der Hand des zweiten Matrosen.

Leutnant Hallowes taumelte mit gezücktem Säbel durch den Rauch.»Verdammt, wer will was von mir?«Da erkannte er Adam und grinste.»Ach so, unser flotter Flaggleutnant!»

«Wie kommen Sie hier unten zurecht?«fragte Adam drängend.

Lässig schwenkte Hallowes seinen Säbel in der Runde.»Ich habe meine Leute an die Steuerbordpforten gestellt, wie Sie sehen. «Und mit einer wütenden Geste: «Simms! Hau ihn nieder, den Franzmann!»

Die Szene erinnerte an ein makabres Ballett. Ein französischer Matrose stürzte aus den Rauchschwaden, beide Hände wie schützend über dem Kopf. Er mußte in der Erwartung, das Batteriedeck voller Kameraden vorzufinden, durch eine Stückpforte gesprungen sein. Nun sank er auf die Knie, und das Weiße seiner Augäpfel schimmerte grell durch Qualm und Zwielicht.

Der Wachtposten am Niedergang stieß mit seinem Bajonett zu; so viel Gewalt saß in dem Stoß, daß der unglückliche Franzose auf die Decksplanken gespießt wurde.

Adam wandte den Blick ab.»Ich habe eine Idee«, sagte er zu Hallowes.»Wir gehen durch die Messe nach achtern. «Ob der Mann ihn verstand? Er machte einen fast irren Eindruck. »Argonaute hat eine breite Heckgalerie.»

«Und entern sie?«rief Hallowes. Sein Blick zuckte nach oben, als ein schwerer Schlag die Decksbalken erschütterte.»Wie steht's an

Deck?»

Adam dachte an das ungeschützte Achterdeck, an den Splitterhagel und das Gebrüll, mit dem an Deck um die Kontrolle über das Schiff gekämpft wurde.

«Schlecht«, sagte er.»Aber viele französische Enterer kamen aus dem Zwischendeck.»

Er duckte sich vor einer Kugel, die durch eine Stückpforte pfiff und von einer Backbordkanone abprallte.

Dann sah er Crocker an.»Könnten Sie Ihren Großmast sprengen?»

Erst starrte Crocker ihn nur an, aber dann bejahte er heiser.»Klar, Sir. Ich bin dabei. «Er wandte sich um, brüllte ein paar Namen, und schon hasteten Leute von den Kanonen herbei.

Nur Hallowes war noch nicht überzeugt, ließ sich von der tollkühnen Idee nicht mitreißen.

«Warum? Was soll das nützen? Wir kommen doch niemals lebend hinüber.»

Adam stieß seinen Säbel in die Scheide, mit einer Bewegung, die er Bolitho abgeschaut hatte, und zuckte die Schultern. Wie sollte er Hallowes das erklären, auch wenn er gewollt hätte? Im Geiste sah er Bo-litho auf dem von Trümmern übersäten Achterdeck stehen, das bevorzugte Ziel aller Feinde. Wenn er ausfiel, mußte jeder Widerstand zusammenbrechen, jetzt, da Keen verwundet und Quantock gefallen war. Schon in den nächsten Sekunden konnte es zu spät sein.

So sagte er nur:»Ich verdanke ihm alles. Alles, verstehen Sie?«Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich um und rannte nach achtern.»Also, komm mit, Junge, wenn du willst«, rief er.

Hallowes fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und lachte hysterisch auf.

«Sagen Sie bloß nicht >Junge< zu mir, Mister Bolitho!»

Damit rannte er ihm nach, gefolgt von anderen, die von irgendwoher geladene Pistolen aufhoben und sich anschlossen, ohne zu wissen, wohin es ging.

Verwirrt starrte Evans nach achtern zur Messe. Dann fiel sein Blick auf einen Offizier, der sitzend an einer Lafette lehnte; er erkannte in ihm Foord. Der Fünfte Offizier hatte gerade noch versucht, ihm Mut zuzusprechen.

Als er sich neben ihn kniete, sah er, daß Weste und Kniehose des Leutnants blutgetränkt waren. Vor seinen Augen sickerte das Leben aus dem Körper, der nicht einmal zusammenzuckte, als wieder eine Kanonenkugel in die Bordwand schlug und das ganze Schiff erbebte, als sei es auf ein Riff gelaufen.

Foord erkannte den kleinen Kadetten und versuchte zu sprechen.

Ratlos hielt Evans seine Hand.

«Sag dem Kommandanten…«Foords Augen verdrehten sich im Todeskampf.»Sag ihm…»

Die Finger in Evans Hand erstarrten wie im Krampf und erschlafften dann. Vage kam dem Jungen zu Bewußtsein, daß seine Angst verflogen war. Vorsichtig löste er den Säbel aus Foords anderer Faust und spürte den leeren Blick des Toten zwischen seinen Schulterblättern, als er sich aufrichtete und steif nach achtern zur Messe ging.

«Alles klar, Leute?«Adam musterte noch einmal die gespannten Gesichter in der Runde.

Crocker warf sich den Ledersack über die Schulter und studierte das reich geschmückte Heck des Franzosen, das dicht neben ihnen stampfte. Die Galerie lag etwas höher als die Messe, aber damit bot sich ihnen Deckung beim Entern.

Crocker nickte.»Sagen Sie nur, wann.»

Adam zog sich durch eines der zerschossenen Heckfenster, zögerte kurz und sprang dann zum Heck des anderen Schiffes hinüber. Einen Moment fürchtete er schon, den Halt zu verlieren und ins Wasser zu stürzen. Unten zwischen den beiden Hecksteven trieben schon mehrere Leichen, tanzten in den Wellen auf und ab, ohne sich noch um den mörderischen Kampf da oben zu scheren.

Adam rechnete jeden Augenblick damit, ein Gesicht über dem ve r-goldeten Geländer auftauchen zu sehen oder den Hieb eines Säbels, den Einschlag einer Kugel zu spüren.

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