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«Zündloch stopfen!»

«Auswischen!»

Die Männer auf dem Batteriedeck duckten sich, als einige Finknetze an der Reling unter dem Beschuß zerplatzten und Fetzen der Hängematten durch die Luft flogen. Die Kugeln fällten zwei Seeleute, ein dritter konnte noch davonhinken und sich wie ein scheues Tier unter der Gangway verkriechen.

«Laden!»

Hallowes deutete mit dem Säbel auf den zusammengekauerten Mann und schrie:»Zurück an deinen Platz — sofort!«Und dann:»Ausrennen!»

Wieder rumpelten und quietschten die Lafetten, als das Schiff Kanone um Kanone dem Feind seine Breitseite präsentierte. Dieser lag nach einem leichten Richtungswechsel jetzt auf konvergierendem Kurs mit Achates und feuerte pausenlos weiter.

Bolitho sah Keen zur anderen Seite des Achterdecks hinübergehen. Neue Treffer hämmerten in den Rumpf, ein vielstimmiger Aufschrei aus dem unteren Batteriedeck verriet Bolitho, daß ein Vierundzwan-zigpfünder umgestürzt sein mußte oder — noch schlimmer — sich aus seinen Taljen losgerissen hatte.

Beide Schiffe waren der Bewaffnung nach ebenbürtig. Achates hatte zwar mehr Kanonen, aber die schwereren Kaliber des Feindes forderten einen schrecklichen Blutzoll. Ein einziger Glückstreffer konnte die Entscheidung bringen. Bolitho starrte auf Keens Rücken, als könne er ihn durch Willenskraft zum Handeln antreiben: Aufschließen, Val. Geh ran, ehe er dich entmastet.

Wieder übertönten Schreie das allgemeine Inferno der Kanonade. Ein Seesoldat taumelte, die Hände vors Gesicht geschlagen, von seinem Platz an den Finknetzen zurück; seine Brust war gespickt mit scharfen Holzsplittern.

«Herrgott, was für ein Schlamassel!«Tyrrell bahnte sich mit seinem Stumpf mühsam einen Weg durch zerrissene Taljen und gebrochene Leinen, die trotz der Schutznetze herabgefallen waren.

Bolitho wies ihn an:»Gehen Sie nach unten. Sie sind Zivilist.»

Tyrrell zog eine Grimasse, als eine Kugel am Verschlußstück eines Neunpfünders auf dem Achterdeck zerbarst und es Splitter hagelte, die abermals zwei Seeleute zu Boden rissen, wo sie sich in Lachen ihres eigenen Blutes wälzten.

Keen fuhr herum und funkelte Tyrrell an.»Verdammt, was machen Sie hier?»

Durch zusammengepreßte Zähne knurrte Tyrrell:»Bringen Sie Ihren Kahn endlich längsseits, Käpt'n, Ihre Leute können dieses Tempo nicht mehr lange durchhalten.»

Keen sah zu Bolitho hinüber.»Aber dann wird Ihr Flaggschiff erkannt, Sir!»

Daran lag's also. Bolitho zog seinen alten Säbel.»Legt Ruder! Wir bringen ihnen jetzt das Fürchten bei«, er hob die Stimme,»stimmt's, Jungs?»

Als sie ihm zujubelten, mußte er sich abwenden. Halbnackt, pulvergeschwärzt, schweißüberströmt, waren dies nicht die romantischen Helden, wie er sie auf manchem prächtig gemalten Schlachtenpanorama in London gesehen hatte.

Wieder spürte er die schon vertraute Wildheit des Nahkampfes in sich aufsteigen.»Lebhaft, dort drüben!«drängte er.

Als Ruder gelegt wurde, schwangen die Rahen leicht herum, und binnen weniger Minuten war die Distanz auf eine Kabellänge geschrumpft und verringerte sich schnell weiter. Bald waren es nur noch fünfzig Meter und weniger, die Takelage des Feindes ragte hoch über ihren Köpfen empor, und jetzt fiel Musketengeknatter in den betäubenden Chor der Kanonen ein.

Dem anderen Kommandanten blieb keine Wahl. Er konnte nicht mehr halsen und sich davonmachen, denn das Land, das ihm bisher Zuflucht geboten hatte, war jetzt zu einer tödlichen Gefahr geworden und drohte ihm mit den steinernen Fängen des Riffs, auf dem sich tobend die Brandung brach. Und wenn er es mit einer Wende versuchte, mußte er sich mit backstehenden Segeln festfahren und genau die entscheidenden Sekunden verlieren, die Keen brauchte, um ihn vom Bug bis zum Heck mit seinen Breitseiten zu beharken.

Ein splitterndes Krachen hoch über ihnen, und dann warnende Rufe:»In Deckung da unten!«Teile der Fußrah des Besansegels durchschlugen die Schütznetze, knallten an Deck und zogen ein Gewirr gebrochener Leinen und Taljen hinter sich her.

Bolitho spürte an der Schulter einen Schlag wie von einer eisernen Faust, und dann lag er mit dem Gesicht auf den Planken. Seine erste Reaktion kam einer Panik sehr nahe: wieder verwundet, und diesmal bestimmt schwer! Aber dann hörte er sich fluchen, vor allem über den Rauch, der ihm im entscheidenden Moment die Sicht geraubt hatte.

Er merkte, daß Adam mit starrem Blick seinen Arm gepackt hielt, während Allday irgend etwas Schweres von seinem Rücken wegzog und ihm zunächst auf die Knie, dann auf die Füße half. Ein riesiger Block, den der Schuß durch die Besantakelage losgerissen hatte, schwang wie ein Knüppel an seinen Parten vom Netz und hatte ihn umgerissen. Er hatte nicht mal einen Kratzer davongetragen. Mit leicht verzerrtem Grinsen dankte er, als jemand ihm seinen Hut zurückreichte und ein anderer jubelte:»Zeigen Sie's den Hunden, Sir!»

Bolitho wandte sich dem Feind zu, obwohl ihm der Rauch in den Augen brannte und ein dumpfer Schmerz in seiner Schulter pochte. Hätte der Block ihn am Kopf getroffen, wäre er jetzt tot gewesen.

Musketenkugeln durchlöcherten die zusammengerollten Hängematten, Holzsplitter wurden aus den Planken gerissen oder ragten wie spitze Federkiele aus dem Deck.

Doch schon blinkten Äxte im rauchgetrübten Sonnenlicht, die Trümmer aus der Besantakelage wurden freigehackt und mit Handspaken über das Schanzkleid gehievt.

Jetzt trug das erbarmungslose Exerzieren an Segeln und Kanonen Früchte. Wo ein Mann fiel oder beiseitegezerrt wurde, damit er nicht im Weg war, bis die Gehilfen des Schiffsarztes kamen, da stand sofort ein anderer an seinem Platz, herbeigesprungen von den Kanonen auf der gegenüberliegenden Decksseite.

Die Musketen der Marinesoldaten griffen jetzt in den Kampf ein. Sergeant Saxton schrie laut den Takt und stampfte dazu mit dem Stiefel auf, während die Ladestöcke sich alle zugleich hoben und senkten. Sobald die Läufe sich dann durch die Netze schoben, schrie er:»Ziel auffassen! Jeder Schuß ein Treffer!«Geknatter hoch über ihren Köpfen zeigte an, daß auch in den Masten Marinesoldaten feuerten; diese Scharfschützen zielten vor allem auf die Offiziere des Gegners.

Bolitho schritt auf und ab und stolperte dabei über einen gezackten Splitter, wodurch die Kugel eines feindlichen Scharfschützen ihn knapp verfehlte.

Die beiden Schiffe glitten immer näher zusammen. Die Kanonen feuerten jetzt auf Kernschußweite, bedient von halb blinden und tauben Mannschaften, die mit Händen und Füßen kämpfen mußten, um ihre schweren Waffen unter Kontrolle zu bringen.

«Feuer einstellen!»

Quantock mußte den Befehl wiederholen, ehe auch die letzte Kanone auf dem unteren Deck verstummte. Als der Feind es ihnen nachtat, entstand eine dumpfe Stille, in der andere Geräusche erst allmählich wieder wahrgenommen wurden: die Schmerzensschreie Verwundeter, Hilferufe, Befehle.

«Hartruder!»

Sobald das Rad herumwirbelte, fegte Achates' Bugspriet wie eine Axt durch die vorderen Wanten des gegnerischen Schiffes. Mit einem fürchterlichen Knirschen stießen die beiden Rümpfe zusammen.

Bolithos Männer rannten nach vorn, griffen jetzt zu Äxten, Entermessern und Piken, ließen Kanonen Kanonen sein und rüsteten sich zum Kampf Mann gegen Mann.

Leutnant Hallowes, dem der Hut halb vom Kopf geschlagen worden war, brüllte mit geschwungenem Säbel:»Auf sie, Leute!»

Jubelnd wie die Besessenen rannten die Männer nach vorn zu der Stelle, wo sich die Schiffsrümpfe berührten, um sich mit Hauen und Stechen einen Weg nach drüben zu erkämpfen, über das schmale Dreieck glitzernden Wassers hinweg.

Einige wurden von den Piken der Verteidiger aufgespießt, als sie sich schon an die Enternetze klammerten, andere fällten die Scharfschützen, noch ehe sie hinübergesprungen waren. Aber die meisten kamen durch, und immer mehr folgten ihnen; Bolitho sah den Vierten Offizier auf dem Backbordseitendeck des Feindes nach achtern stürmen, wobei er eine schrill aufschreiende Gestalt mit seinem Säbel beiseite hackte und eine andere mit dem Messer durchbohrte, bis er schließlich von seinen eigenen johlenden und kampfestollen Männern überholt wurde, deren Entermesser schon blutrot waren vom Handgemenge auf dem Vorschiff.

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