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Er sah das Wachboot langsam und ohne große Begeisterung seine Runden um das Schiff ziehen, und konnte leicht erraten, womit sich die Gedanken der Bootsgasten und der Männer an Bord beschäftigten.

Seit ihr Gouverneur unter Arrest stand, verhielt die Inselbevölkerung sich ruhig und abwartend. Alle Feindseligkeiten waren eingestellt, einige Milizsoldaten sogar neu vereidigt worden, um die Marineinfanteristen auf der Festung zu verstärken. Aber Bolitho traute dem Frieden nicht. Es war eine feindselige Passivität, denn zu angestrengt wandten die Einheimischen den Blick ab, wenn sie einem britischen Arbeitstrupp oder Offizier begegneten.

Die Seeleute reagierten zunächst enttäuscht, dann verärgert. Schließlich waren einige ihrer Kameraden gefallen — wofür, wußten die wenigsten — , und den Sieg hatten sie sich verlockender vorgestellt.

Jetzt zur Mittagszeit mischte sich der Geruch des erhitzten Teers mit dem würzigeren Duft der täglichen Rumration, die in den Messen ausgegeben wurde. Das Hämmern der Schiffszimmerleute verstummte; sie hatten den von der Festungskanone angerichteten Schaden schon fast behoben. Immerhin hatte ein Seemann durch Splitter ein Auge verloren.

Es klopfte, Keen trat ein, den Hut unter dem Arm. Auf Bolitho machte er jetzt einen entspannteren Eindruck, obwohl er ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigen mußte; der Schiffsarzt und der Erste, der Master und der Zahlmeister, sie alle gingen den Kommandanten um die letzte Entscheidung an, und sei es nur, um die Verantwortung von sich abzuwälzen.

«Sie wollten mich sprechen, Sir?»

«Nehmen Sie Platz, Val. «Wohl zum hundertstenmal lockerte Bo-litho seinen Hemdkragen.»Wie geht die Arbeit voran?»

«Ich halte die Leute beschäftigt, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Aber Achates ist seeklar. Besser als neu, würde ich sagen.»

Bolitho nickte, ihm war nicht entgangen, wie stolz Keen neuerdings auf sein Schiff zu sein schien. Vielleicht hatte er endlich den Schatten seines Vorgängers abgeschüttelt. Bolitho hatte auch von Keens Streit mit Quantock kurz vor der Erstürmung des Hafens gehört. Kaum zu glauben, was sie da für ein Wagnis eingegangen waren. Aber die britische Flagge wehte wieder über dem Fort, und dem äußeren Anschein nach hatte die Insel zum Alltag zurückgefunden.

Bald mußte er eine Depesche an den französischen Admiral absenden, dessen Schiffe in Boston warteten. Falls sie dort noch warteten… Dann würde es um den Frieden der Insel geschehen sein und das Elend von neuem beginnen.

Mit einem Blick in Bolithos ernstes Gesicht sagte Keen:»Der Ad-miral auf Antigua würde uns Unterstützung nicht verweigern, Sir.»

Als er Bolithos Wangenmuskeln spielen sah, fügte er hinzu:»Doch daran haben Sie bestimmt schon gedacht.»

«Die Aufgabe hier wurde mir anvertraut, Val. Ich kann nicht über meinen Schatten springen. «Mit einer Handbewegung unterband er Keens Protest.»Ich brauche gute Augen und Ohren draußen auf See, nicht einen Flaggoffizier, der mir Vorschriften macht. Wenn wir Sparrowhawk nicht verloren hätten….»

Sie tauschten einen Blick; daß Duncan nicht mehr lebte, war immer noch unfaßbar.

Nachdenklich sagte Keen:»Wenn wir Anker lichten und uns auf die Suche nach diesem verdammten Schiff machen, können die Dinge hier außer Kontrolle geraten. Das Fort wäre leicht auszuhungern. Ich glaube, wir sollten ein Standgericht zusammentreten lassen und Sir Humphrey an der Großrahnock hängen, wie er es verdient. «Sein Ton war ungewöhnlich haßerfüllt.»Solange er lebt, ist er eine Bedrohung für uns.»

Sie fuhren beide zu den Fenstern herum, als draußen ein Musketenschuß krachte.

«Vom Wachboot. Da muß etwas passiert sein.»

Keen griff nach seinem Hut und sprang auf.»Ich sehe nach, Sir.»

Bolitho nahm ein Teleskop aus seiner Halterung und wartete, bis Achates an ihrer Ankertrosse zurückschwojte. Die Festung glitt in sein Blickfeld, die Mauerkronen von Hitzedunst verhüllt, so daß die Flagge an den Himmel selbst gepinnt schien. Bolithos Blick wanderte weiter zum Vorland und zu dem vorgelagerten Inselchen mit seiner spanischen Missionsstation. Dann sah er hinter der Landzunge ein einzelnes braunes Segel auftauchen und schließlich zum letzten Schlag wenden, der es direkt in den Hafen führen würde.

Achates' Kutter dümpelte abwartend, mit hochgestellten Riemen, auf der leichten Dünung.

Der Neuankömmling war eine kleine Brigantine, wahrscheinlich ein Händler von den Inseln. Auf ihren Skipper wartete eine Überraschung, sobald er erst den Hafen einsehen und Achates' mächtigen Rumpf erkennen konnte.

Mit schweißnassem Gesicht kehrte Keen zurück.

«Unser Wachboot wird die Brigantine zu einer Boje eskortieren. «Als Bolitho sich zu ihm umwandte, fuhr er fort:»Wie es aussieht, ist sie beschossen worden. Ich lasse gleich unseren Arzt hinüberrudern.»

«Beschossen?»

Keen hob die Schultern.»So sieht es aus.»

«Na gut. Aber signalisieren Sie allen anderen Fahrzeugen, sich von ihr freizuhalten. Ich habe ein ungutes Gefühl.»

Wieder richtete Bolitho das Glas auf die Brigantine, die jetzt die killenden Vorsegel wegnahm und geschickt an eine Festmacherboje heranschor.

Langsam und sorgfältig musterte er ihren Rumpf mit dem Glas. Der Farbanstrich trug schwarze Pockennarben von Schrot- oder Schrap-nellbeschuß. Schwereres Kaliber hätte ein so leichtes Fahrzeug sofort versenkt. Bolitho konzentrierte sich auf die beiden Gestalten, die achtern an der Pinne standen: ein großer bulliger Mann in blauem Rock, das graue Haar zerzaust, und daneben.

Bolitho rief:»Verflucht noch mal, Val, es ist Adam! Wenn er unnötig viel riskiert hat, werde ich ihn.»

Sie sahen einander an und lachten.

«Aber ich kann mich da schlecht als sein Richter aufspielen, wie?»

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Beiboot der Brigantine bei Achates längsseits ging.

Bolitho hatte das Teleskop wieder sorgsam an seinen Platz gehängt. Adam sollte ihn nicht für überängstlich und allzu fürsorglich halten. Trotzdem.

Keen sagte:»Ich gehe an Deck, um ihn zu begrüßen, Sir. «Mit einem heimlichen Lächeln schloß er die Tür hinter sich.

Als Adam die Kajüte betrat, verriet sein Gesicht Besorgnis; er schien sich auf eine Strafpredigt gefaßt zu machen.

«Tut mir leid, Sir. «begann er.

Bolitho ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.»Du bist hier, und das ist die Hauptsache.»

Adam blickte sich in der Kajüte um, als fürchte er, Spuren des Kampfes zu sehen.

«Im Wachboot haben sie mir schon von dem Gefecht erzählt, Onkel. Und daß ihr euch mit Gewalt die Einfahrt erzwingen mußtet. «Er senkte den Blick, eine schwarze Strähne fiel ihm in die Stirn.»Auch von Sparrowhawks Verlust habe ich gehört. Das hat mich erschüttert.»

Bolitho führte ihn zu einem Stuhl.»Wir wollen nicht mehr davon reden«, sagte er leise.»Erzähle mir lieber von deinen Problemen.»

Es war schon eine erstaunliche Geschichte, die der junge Leutnant zu berichten hatte. Erst vor wenigen Tagen, nachdem sie einen starken Sturm auf der Höhe der Bahamas abgewettert hatten, waren sie von einer Fregatte gestellt worden. Sie gab sich als spanisches Schiff aus und befahl ihnen, beizudrehen und ein Prisenkommando an Bord zu nehmen. Aber der mißtrauische Skipper der Brigantine blieb auf der Hut. Als das Prisenboot fast schon längsseits war, hatte er blitzschnell gewendet, mehr Segel gesetzt und mit dem günstigen Wind seine Zuflucht in flacherem Wasser gesucht, wohin ihm die Fregatte nicht folgen konnte. Immerhin hatte das spanische Prisenkommando die fliehende Brigantine noch beschossen, mit einem Buggeschütz und zwei Drehbassen. Der Maat war getötet und der Rumpf mit Einschlägen übersät worden.

Bolitho lauschte Adams hervorgesprudeltem Bericht, ohne ihn zu unterbrechen. Man durfte sich doch nie in Sicherheit wähnen, dachte er dabei. Während er sich über das künftige Schicksal von San Felipe den Kopf zermartert hatte, war Adam einem unerklärlichen Angriff ausgesetzt gewesen und um ein Haar getötet worden.

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