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Aber dann schüttelte er diese Stimmung ab. Ein Leben ohne Belinda schien ihm unerträglich. Aber ein Leben ohne Ehre konnte er ebensowenig ertragen.

Vom Ufer klang ein erschreckter Anruf herauf und dann Alldays gedämpfte, aber wütende Stimme:»Ich bin's doch, du blindes Huhn! Sei leise, oder ich brech' dir das Genick!«Er rutschte in den Graben hinunter und schielte unsicher zu den drei Offizieren herüber.

Bolitho lächelte.»Ihr habt heute nacht ein Wunder vollbracht. Das war gute Arbeit!»

Erst jetzt schien Allday zu begreifen, daß die eine der drei abgerissenen Figuren Bolitho war; weiß schimmerten seine Zähne im Halbdunkel, als er breit zu grinsen begann.

«Danke, Sir.»

Scott sagte:»Mir kam's so vor, als seid ihr auf ein Patrouillenboot gestoßen, Allday.»

Allday betrachtete ihn, schien zu überlegen, ob ein bloßer Leutnant seiner Aufmerksamkeit würdig war, aber dann antwortete er doch.»Stimmt, Sir. «Er fuhr mit der Hand quer über seine Kehle.»War aber kein Problem.»

Das ohrenbetäubende Krachen eines einzelnen Kanonenschusses ließ einige der Umstehenden erschreckt zusammenfahren. Kreischend und krächzend flatterten Vögel scharenweise vom Wasser und aus den Uferbüschen auf. Aller Augen folgten den Rauchschwaden, die vom Festungswall aufstiegen, gefolgt vom dumpfen Einschlag eines Volltreffers.

Bolitho rückte seinen Säbelgurt zurecht und sagte knapp:»Sie nehmen Achates unter Beschuß.»

Wie zur Antwort drang Lärm aus der Stadt: zunächst nur Gewehrfeuer, dann lautes Hufgetrappel auf einer gepflasterten Straße.

Also wollte Rivers' Miliz sie angreifen, ehe sie ihre Stellungen auf der Insel befestigen konnten, und eine schnell herbeigeschaffte Kanone sollte das verankerte Schiff in den Boden bohren.

«Kapitän Keen wird sich beeilen müssen«, stellte Bolitho fest.»Und wir sollten ihm etwas Zeit verschaffen.»

Schon nahm ihre nähere Umgebung und die Gruppe zusammengedrängter Seeleute im Morgengrauen deutlichere Umrisse an. Ruhig fragte Mountsteven:»Was haben Sie vor, Sir?»

«Zu verhandeln. «Und die erstaunte Reaktion des anderen scharf unterbindend, setzte er hinzu:»Ich brauche zwei Freiwillige — sofort.»

Wieder feuerte die Kanone, und Bolitho zwang sich, nicht zusammenzuzucken. Diesmal war kein Einschlag zu hören, aber bald mußte der Richtschütze sein Ziel im zunehmenden Licht gut erkennen können.

Brummig korrigierte Allday:»Nur einen Freiwilligen, Sir. Ich komme mit.»

Bolitho verließ die Deckung und wandte sich dem Weg zu, der in vielen Windungen zur Festung hinaufführte. Plante er wirklich nur einen Bluff? Jedenfalls hatte er Rivers nichts anderes zu bieten.

Mit einem schnaufenden Allday an seiner Seite und Christy, dem Bootsmannsmaatgehilfen, hinter sich, schritt Bolitho auf dem holprigen Weg rasch aus. Christy trug einen Bootshaken mit einem weißen Hemd als Parlamentärsflagge daran und pfiff leise vor sich hin. Beim Abschied hatte er noch darüber gewitzelt, daß das Hemd von einem der beiden Kadetten stammte, die ihrem Landungstrupp angehörten:»Der einzige junge Herr, der für unseren Zweck sauber genug ist.»

Bolitho wunderte sich, daß die Männer immer noch zum Grinsen aufgelegt waren.

«Halt! Keinen Schritt weiter!»

Bolitho blieb still stehen und blickte zu den Festungsmauern auf, die sich drohend über ihnen erhoben. Er glaubte, ein metallisches Klicken zu hören, und konnte sich gut vorstellen, wie ein Scharfschütze ihn ins Visier nahm, weiße Fahne oder nicht. Wieder stieg Verbitterung in ihm auf. Wen würde ihr Tod schon kümmern? Überall waren Hunderte, Tausende von Seeleuten und Soldaten gefallen, für die verschiedensten Zwecke, und wer erinnerte sich noch an sie oder an den Grund ihres Sterbens?

Er formte einen Schalltrichter mit beiden Händen.»Ich will mit Sir Humphrey Rivers sprechen!»

Die Antwort war ein höhnisches Auflachen.»Sie meinen wohl kapitulieren, Sir!»

Bolitho ballte die Fäuste. Also hatte er richtig vermutet, Rivers hielt sich da oben auf. Sonst hätten die unbekannten Gegner mit einer spöttischen Abfuhr reagiert, ihn für seinen Irrtum verhöhnt.

Allday murmelte:»Ich zeig's dem Schweinehund, von wegen kapitulieren!»

Eine andere Stimme rief:»Ach, Sie sind das, Bolitho! Ich dachte schon, wir hätten ein paar Bettler vorm Tor!»

Bolitho merkte, daß er sich entspannen konnte, jetzt, da Rivers ihm wirklich gegenüberstand.

«Bitte, sagen Sie doch — was kann ich für Sie tun, bevor ich Sie und Ihre Rabauken gefangennehme?»

Bolitho fühlte sein Herz gegen die Rippen schlagen, als sei es der einzige Teil seines Körpers, der noch spontan reagieren konnte. War es nicht schon viel heller geworden? Ohne das Sturmgewölk der vergangenen Nacht hätte bereits heller Tag geherrscht.

Irgendwo hinter der Mauer hörte er den Ruf:»Feuerbereit, Sir!»

Aber Rivers wollte die Situation ausgiebig genießen.»Einen Moment noch, Tate. Ich möchte hören, worum unser stolzer Admiral mich bittet.»

Bolitho flüsterte seinen Begleitern zu:»Sie können nicht feuern, so lange Rivers da oben ist. Er steht genau zwischen der Kanone und dem Schiff. «Laut rief er:»Ich fordere Sie auf, das Feuer einzustellen und Ihre Miliz zurückzubeordern. Sie haben keine Chance, uns zu besiegen. Und Ihre Leute müssen sich klar darüber sein, welch hohen Preis sie für den Angriff auf ein englisches Kriegsschiff zahlen werden.»

Dabei stellte er sich vor, wie seine Worte hinter den Festungsmauern von Mund zu Mund gingen. Trotzdem, Rivers' Leute waren überwiegend Einheimische, wahrscheinlich nicht viel besser als Piraten, obwohl die während des Krieges erfundene, zartfühlende Umschreibung >Freibeuter< diese Profession inzwischen fast legalisiert hatte.

Wütend schrie Rivers zurück:»Zur Hölle mit Ihnen, Bolitho! Ich habe Ihnen eine Chance gegeben, aber jetzt werden Sie für Ihre verdammte Arroganz büßen!»

Bolitho blinzelte geblendet, als die ersten Sonnenstrahlen ihm zwischen den Zinnen des Burgfrieds hindurch in die Augen stachen und den Hang über der Festung in goldenes Licht tauchten. Aufgeregte

Rufe erklangen hinter den Mauern, als auch der verankerte Zweidek-ker unten klar sichtbar wurde.

Rivers' Stimme wurde noch um einige Töne schriller:»Da liegt das Ziel, Jungs! Daß mir jede Kugel trifft! Dieser Kommandant ist ein noch größerer Narr als sein Admiral.»

Langsam wandte Bolitho sich um und sah über die Reede hinweg zu den weißen Häusern von Georgetown und den dicht gedrängt ankernden Fahrzeugen hinüber. Und er vergaß das Hohngeschrei aus dem Fort, als er erkannte, was Keen mit seiner kleinen Besatzung im Schutz der Dunkelheit bewerkstelligt hatte: Eine lange Trosse verlief vom Heck der Achates zu einer Festmacherboje und hielt das Schiff regungslos, und zwar so, daß es seine Breitseite voll der Festung zuwandte. Damit hatte Ke en eine Batterie, die nach beiden Seiten feuern konnte, zum einen auf die Stadt und die Reede, zum anderen auf die Festung und die Hafeneinfahrt. Kein Wunder, daß Rivers ihre Pläne nicht durchschaut hatte.

Rivers rief:»Meine Kavallerie rückt schon aus, um Sie fertigzumachen, Bolitho! Ihr schändliches Ende wird alle künftigen Angriffe auf meine Insel abschrecken, das garantiere ich Ihnen!»

Nun konnte Bolitho auch seine Gestalt vor dem hellen Himmel sehen und den Haß fühlen, der von diesem Mann ausging. Träge stieg Rauch über die Mauerkrone und verriet, daß dahinter Kugeln erhitzt wurden, die Achates vernichten sollten. Jetzt wurde die Zeit knapp.

Er rief hinauf:»Ich gehe zu meinen Leuten zurück, Sir Hum-phrey…«An seinem Hals zuckte ein Nerv, als er plötzlich ein entferntes, aber wohlvertrautes Rumpeln hörte. Diesmal wandte er sich nicht um, wagte es auch nicht, Rivers aus den Augen zu lassen, als das dumpfe Poltern wie abgehackt verstummte.

Rivers hatte es ebenfalls gehört.»Wozu soll das gut sein?«rief er.»Keine Ihrer Kanonen kann diesen Mauern auch nur einen Kratzer beibringen. «Aber das klang schon nicht mehr ganz so selbstsicher; vielleicht hatte das Poltern, mit dem Achates' Kanonen ausgefahren wurden, auch bei ihm alte Erinnerungen heraufbeschworen, genau wie bei Bolitho.

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