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Das Gesicht verschwand, er hörte einen Ruf:»Er ist wach! Er ist wieder zu sich gekommen!»

Die nächsten paar Minuten waren in gewisser Hinsicht die schlimmsten. Allday stützte ihn gegen die Schiffsbewegungen ab. Leutnant Veitch sah auf ihn herunter und grinste breiter denn je. Midshipman Breens mohrrübenblonder Schöpf tanzte auf und ab; noch andere drängten sich in die enge Kajüte und schnatterten in allerlei fremden Zungen.

«Macht, daß ihr rauskommt, Jungs!«befahl Veitch.

Allday drückte Bolitho sanft auf die Koje zurück und sagte:»Schön, daß Sie wieder bei sich sind, Sir. Mein Gott, Ihnen ging's vielleicht elend!»

Bolitho versuchte zu sprechen, aber seine Zunge kam ihm doppelt so groß vor wie sonst. Er konnte nur krächzen.»W. wie lange?«Er sah Veitch und Allday rasche Blicke wechseln.»M. muß es wissen!»

«Ziemlich genau drei Wochen, Sir«, sagte Veitch behutsam;»da sind Sie.»

Bolitho wollte Allday beiseite stoßen, aber er war hilflos. Kein Wunder, daß er sich so schwach und ausgehöhlt fühlte: drei Wochen!

«Was war los?«flüsterte er.

Veitch berichtete.»Als wir Sie in La Valetta wieder an Bord hatten, dachten wir, es wäre besser, noch etwas vor Anker zu bleiben. Gefahr von seiten der Malteser bestand anscheinend nicht; und ich hatte Bedenken, mit Ihnen in diesem Zustand auf hoher See zu sein.»

Allday stand langsam auf, den Kopf gebeugt, um nicht an den Decksbalken zu stoßen.»So schlimm war's bei Ihnen noch nie, Sir. «Er mußte ganz erschöpft sein.»Wir wußten überhaupt nicht mehr, was wir tun sollten.»

Bolitho blickte von einem zum anderen; und ein Teil seiner Angst verwandelte sich in Wärme. Drei Wochen lang, während er hilflos in den Banden des Fiebers lag, hatten sie sich durchgeschlagen, so gut sie konnten. Hatten ihn gepflegt, ohne Rücksicht auf sich selbst, ohne daran zu denken, was diese Verzögerung sie kosten konnte. Seine Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt, und er sah die tiefen Schatten in Alldays Gesicht, die Stoppeln am Kinn. Auch Veitch sah elend aus, wie ein Mann von einer Gefan-genenhulk.

«Ich habe nur an mich selbst gedacht«, sagte er.»Gebt mir die Hände — alle beide!»

Alldays Grinsen leuchtete weiß in dem gebräunten Gesicht.»Gott sei Dank, Mr. Veitch, es scheint ihm ein bißchen besser zu geh n.»

«Erzählen Sie weiter«, sagte Bolitho.»Ich will versuchen, geduldig zuzuhören und nicht zu unterbrechen.»

Es war eine seltsame Geschichte, die Veitch und Allday abwechselnd berichteten. Seltsam, weil sie ein Stück seines Lebens darstellte, das ihm abhanden gekommen war. Das er nie wiederbekommen würde.

Gleich am ersten Morgen nach seiner Rückkehr waren zwei Beamte an Bord gekommen und hatten verkündet, die Segura sei unter Quarantäne und solle liegenbleiben. Veitch war wegen Bo-lithos verzweifeltem Zustand besorgt, und zwei von seinen Männern waren desertiert. Das mochte Zufall sein, aber. Sofort hatte er sich überlegt, wie er auslaufen konnte, bevor irgendwelche we i-teren untragbaren Beschränkungen einsetzten. Ein paar Tage lang kümmerte sich anscheinend niemand um die Segura; die gelbe Quarantäneflagge wehte am Mast, die Moral der kleinen Mannschaft ging in die Brüche, der Proviant wurde immer knapper.

Beim Zuhören fragte sich Bolitho, ob Yves Gorse, der französische Agent, etwas davon gehört hatte, daß die Segura unter falscher Flagge segelte. Anscheinend hatte er dafür gesorgt, daß sie bleiben mußte; mehr jedoch konnte er kaum tun, um sie aufzuhalten, bis er der zuständigen Stelle Nachricht geben konnte, daß Frankreichs Feinde nicht mehr in Gibraltar oder vor Toulon lagen, sondern in Malta. Setzte er sich stärker ein, so lief er Gefahr, sich als französischer Spion zu stark zu exponieren.

Dann nahm Allday die Erzählung auf.»Als nächstes kamen zwei Mann als Wache an Bord. Mr. Plowman meinte, jetzt sei es Zeit abzuhauen, denn die an Land würden nicht mehr so scharf aufpassen, wenn jemand von der Behörde verantwortlich war.»

Bolitho gelang ein schwaches Lächeln. Als ehemaliger Sklavenhändler mußte Plowman mit dergleichen Bescheid wissen.

«Eines Nachts kam Wind auf, kräftig. Jetzt oder nie, sagte Mr. Plowman; also kappten wir das Ankertau und setzten Segel.»

«Und die Wachen?»

Allday grinste.»Wir trafen zwei Tage später ein Genueser Handelsschiff, dem gaben wir sie mit. «Dann wurde er wieder ernst.»Mit dem hatten wir Glück. Wir hörten bei der Gelegenheit, daß ein französisches Kriegsschiff in der Nähe sei. Eine Korvette, der Beschreibung nach. Ob sie auf der Suche nach uns war oder mit dem Agenten in Malta Verbindung aufnehmen wollte, wußten wir nicht. «Er strich die Decke glatt.»Wir hatten ja auch andere Sorgen.»

Bolitho fuhr sich durchs Haar.»Bringt mehr Licht. Ich muß aufstehen. Aber wieso drei Wochen?»

«Wir haben in einer kleinen Bucht an der Südküste von Sizilien gelegen. Die Sturmbö, die uns beinahe wieder in das verdammte La Valetta hineingefegt hätte, war ziemlich stark, aber sie hat nicht lange gedauert. Nur Sie wären uns beinahe gestorben, Sir.»

Jetzt brachte Breen die zweite Laterne. Er war besser dran als die anderen; er brauchte sich nicht ständig zu bücken.

Bolitho schwang die Beine über die Koje und ließ sich von All-day zu dem zerbrochenen Spiegel führen. Er sah seine hohlen Wangen, den fiebrigen Glanz der Augen, das befleckte Hemd.

«Ich will euch nicht sagen, was ihr hättet tun sollen«, bemerkte er bedeutsam.

Veitch zuckte die Achseln.»Wir wußten ja nicht, was sich zwischen Ihnen und dem Franzosen abgespielt hatte, Sir. Aber das war mir auch ganz egal«, betonte er grimmig.»Mir ging es zuallererst um Ihr Leben.»

Bolitho sah Veitchs Spiegelbild in die Augen.»Ich danke Ihnen dafür.»

Allday berichtete weiter:»Wir sichteten die Korvette ein paarmal, aber sie kam nicht näher an unseren kleinen Ankerplatz heran. Auf jeden Fall segeln wir jetzt mit Nordkurs auf Syrakus. Mr. Veitch sagt, wir sollen lieber bei Nacht segeln. Dieser alte Eimer kann sich mit keiner französischen Korvette einlassen.»

«Gewiß.»

Bolitho rieb sich das Kinn. Rasieren und ein Bad — das war jetzt sein höchster Wunsch.

«Gestern früh«, fuhr Allday fort,»flößte ich Ihnen ein bißchen Brandy ein, und da sprachen Sie zum erstenmal. Jetzt brauchen Sie einen richtigen Arzt.»

Bolitho ve rzog das Gesicht.»Das Geschwader ist bestimmt schon lange weg. Auch ohne das, was ich auf Malta erfahren habe, wird Farquhar inzwischen ausgelaufen sein.»

«Sie hatten also recht, Sir?«fragte Veitch.

«Ich glaube, das wußten wir alle von Anfang an, Mr. Veitch. «Er dachte wieder an die kühle Weinhandlung, und wie der heiße Schweiß auf seinem Rücken plötzlich eiskalt geworden war.»Gorse hat angedeutet, daß die Franzosen auf dem Weg nach Ägypten Malta einnehmen werden.»

«Das überrascht mich nicht, Sir. «Veitch schien sehr müde zu sein.»Die Verteidigungsanlagen von Malta sind, nach allem, was ich gesehen habe, nur noch Ruinen.»

«Wenn die Franzosen Malta mit seinen Waffen- und Proviantlagern in Händen haben, dann besitzen sie alles, was sie brauchen, um auf Korfu eine unaufhaltbare Invasion vorzubereiten. «Er ä-chelte müde.»Also müssen wir dem Admiral Nachricht geben. Wenn nicht anders, dann mit diesem alten Kasten.»

Veitch ging zur Tür.»In einer Stunde geht die Sonne auf, Sir. Wenn wir Glück haben und das bißchen Wind uns nicht im Stich läßt, dann erreichen wir Syrakus im Laufe der Nachmittagswache. «Er blieb an der Tür stehen.»Ich muß Mr. Plowman ablösen, Sir.»

Allday wartete, bis die Tür wieder zu war, und sagte dann:»Der wird mal ein guter Kommandant, Sir.»

«Finden Sie?»

«Aye, Sir. «Allday half ihm in den Stuhl.»Er hat ein besseres Temperament als mancher andere.»

Bolitho sah ihm zu. Er war zufrieden, daß er saß, trotz der drängenden Gedanken in seinem Hirn. Er brauchte Allday nur anzusehen, um zu wissen, was diese Tage und Wochen gekostet hatten. Bestimmt hatten er und die anderen nie länger als nur ein paar Minuten schlafen können.

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