Литмир - Электронная Библиотека

«Es muß wichtig sein. «Bolitho biß sich auf die Lippen, als das Boot auf einer mächtigen, weißbemähnten Welle beinahe querschlug.»Mr. Tomlin soll sich bereit halten, das Boot längsseit zu nehmen!»

Dann kletterte Leach das Fallreep der Hyperion herauf, nahm sich kaum Zeit zum Atemholen und eilte, den triefenden Dreispitz schief auf dem Kopf, die Augen rotgerändert vor Übermüdung, zum Achterdeck.

Bolitho ging ihm mit langen Schritten entgegen.»Willkommen an Bord! Es ist lange her, daß ich solch einen Beweis bester Seemannschaft gesehen habe!»

Leach starrte Bolithos nasses Hemd und sein zerrauftes Haar an, als erkenne er ihn erst jetzt. Doch er lächelte nicht.»Kann ich Sie allein sprechen, Sir?»

Bolitho wandte sich zur Kampanje; er merkte, daß seine Offiziere aufmerksam geworden waren und daß das Erscheinen der Fregatte gespannte Erregung hervorgerufen hatte. In der schwankenden Kajüte ließ er Leach zunächst ein volles Glas Brandy austrinken und fragte dann:»Nun, was machen Sie hier draußen?»

Leach nahm in einem der grünen Ledersessel Platz und schluckte.»Ich bin hier, weil ich Sie bitten möchte, nach St. Clar zurückzukommen, Sir. «Er wischte sich die salzwunden Lippen, die von dem starken Schnaps heftig brannten.

«Und die Depeschen?«fragte Bolitho.»Sind sie vom Admiral?»

Mit sorgengefurchter Miene blickte Leach auf die Tischplatte nieder.»Ich habe keine Depeschen, Sir. Aber ich mußte irgendeinen Grund angeben, wollte Ihre Männer nicht noch zusätzlich beunruhigen. Es gibt auch so Ärger genug.»

Bolitho setzte sich.»Lassen Sie sich Zeit, Leach. Kommen Sie aus St. Clar?»

Leach schüttelte den Kopf.»Von Cozar. Ich habe gerade die letzte Handvoll Soldaten abgeholt. «Verzweifelt hob er die Augen zur Decke.»Anschließend sollte ich Sie suchen, Sir. Zwei Tage bin ich hinter Ihnen her.»

Bolitho schenkte ihm nochmals ein.»Ich weiß nicht«, fuhr Leach fort,»ob ich richtig handele oder ob das Meuterei ist. Wie die Dinge liegen, kann ich meinem eigenen Urteil nicht mehr trauen.»

Ganz langsam atmete Bolitho aus und zwang seine verkrampften Muskeln, sich zu entspannen.»In St. Clar steht es also schlecht, nehme ich an?»

Leach nickte.»Seit Wochen hämmern die französischen Geschütze auf den Hafen ein. Ich habe Patrouille nach Südosten gefahren; aber jedesmal, wenn ich zum Hafen kam, war es schlimmer. Der Feind machte einen Scheinangriff und brachte es irgendwie fertig, die spanischen Truppen aus ihren Stellungen zu locken. «Er seufzte.»Die feindliche Kavallerie hat sie in Stücke gehauen. Es war ein Massaker. Anscheinend hat niemand gewußt, daß die Franzosen überhaupt Kavallerie hier haben. Und es waren Elitetruppen, Dragoner aus Toulouse.»

«Was plant der Admiral, Leach?«Bolithos Stimme klang ganz ruhig, aber er kochte innerlich bei der Vorstellung, wie die auseinandergetriebene Infanterie unter den gnadenlosen Reitersäbeln fiel.

Unvermittelt und mit steinernem Gesicht stand Leach auf.»Das ist es ja gerade, Sir. Sir Edmund sagt keinen Ton. Keine Befehle, keine Vorbereitungen für einen Gegenangriff, auch nicht für eine Evakuierung!«Fast verzweifelt blickte er Bolitho an.»Anscheinend vertritt ihn Captain Dash. Der hat mich beauftragt, Sie zu suchen und zurückzubringen.»

«Haben Sie Sir Edmund nicht gesprochen?»

«Nein, Sir. «Hilflos hob Leach die Hände.»Ich glaube, er ist krank; aber Dash hat nur sehr wenig erzählt. «Er beugte sich vor.»Die Lage ist verzweifelt, Sir! Überall Panik, und wenn nicht bald was geschieht, fällt die ganze Truppe in Feindeshand!»

Bolitho stand auf und kam zum Tisch herüber.»Sie sagen, Sie haben Leute von Cozar an Bord?»

«Nur ein paar Soldaten und einen jungen Fähnrich«, entgegnete Leach müde.

«Und die Sträflinge?»

Mit ausdrucksloser Stimme erwiderte Leach:»Was die betrifft, so hatte ich keine Befehle. Die Sträflinge sind noch dort.»

Bolitho wandte sich ab. Es lag nahe, Leach als einen herzlosen Narren zu verurteilen. Aber es lag noch näher, die Schwierigkeiten und Bedenken zu sehen, mit denen er konfrontiert war. Dash war Flaggkapitän; doch da er keine schriftliche Order besaß, mußte Leach schon jetzt das Kriegsgericht oder Schlimmeres befürchten.

«Danke, daß Sie offen zu mir sind«, sagte Bolitho ruhig.»Ich segle sofort nach St. Clar zurück. «Nun, da er auf Leachs Vorschlag einging, war er kein bloßer Zuschauer mehr, sondern hatte teil an der Verschwörung. Sein Ton wurde schärfer.»Aber ehe Sie wieder zu mir stoßen, werden Sie nach Cozar zurücksegeln und jeden einzelnen Sträfling von der Insel holen, verstehen Sie?»

Leach nickte.»Wenn das Ihr Wunsch ist, Sir.»

«Es ist ein Befehl. Diese Männer haben mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, und ich habe ihnen mein Wort gegeben. Ich will nicht noch mehr Leid verursachen.»

Es klopfte an die Tür, und Herrick meldete:»Entschuldigung, Sir, aber der Wind frischt weiter auf. Er wird bald so stark sein, daß das Boot nicht mehr zur Harvester zurück kann.»

Bolitho nickte.»Captain Leach geht gleich von Bord. «Auf Herricks fragenden Blick fuhr er fort:»Sobald er weg ist, gehen Sie über Stag und nehmen Kurs auf St. Clar. Aber mit jedem Fetzen Tuch, den das Schiff verkraften kann — ist das klar?»

Herrick eilte davon, und Leach sagte tonlos:»Danke, Sir. Was jetzt auch kommt, ich werde nicht bereuen, daß ich bei Ihnen war.»

Bolitho ergriff seine Hand.»Hoffentlich hat keiner von uns es zu bereuen.»

Sobald das Boot der Fregatte abgelegt hatte, schwangen die schweren Rahen herum, und während das Schiff im starken Wind krängte, schwärmten die Toppgasten hinauf, um sich mit den killenden Segeln herumzuschlagen — mit vorgeneigtem Leib preßten sie sich an die Rahen und krallten sich an die Fußpferde, um nicht aufs Deck oder in die kochende See zu stürzen.

Herrick wischte sich schwungvoll einen Schuß Sprühwasser aus den Augen und rief zu Bolitho hinüber:»Ist es in St. Clar schlimmer geworden, Sir?»

Bolitho spürte, wie das Deck unter seinen gespreizten Beinen bockte. Das alte Schiff tat sich schwer bei dem Manöver. Er konnte die Spieren und Planken unter dem verstärkten Druck knarren und quietschen hören; doch als sich mehr und mehr Segel hoch oben mit Wind füllten, bemühte er sich, diese unheimlichen Geräusche, mit denen das Schiff gegen die rauhe Behandlung protestierte, einfach nicht zu hören.»Ich fürchte ja«, beantwortete er Herricks Frage.»Anscheinend wird der Belagerungsring um den Hafen immer enger.»

Ehe Herrick weiterfragen konnte, schritt Bolitho zur Luvreling hinüber. Es hatte keinen Sinn, ihm zu erklären, daß ein gut Teil von dem, was St. Clar jetzt zu leiden hatte, offenbar aus der Stadt selbst kam. Vielleicht nahm Herrick es ihm übel, daß er so auf Distanz gehalten wurde; aber wenn es zu einer Kriegsgerichtsverhandlung kam, konnte er dann wenigstens nicht als Mitschuldiger gelten.

Gossett fragte:»Sie wollen doch nicht etwa die Royals setzen, Mr. Herrick?»

Bolitho fuhr herum.»Aber ich, Mr. Gossett! Sie haben immer den Mund vollgenommen, was das Schiff alles leisten könne. Jetzt beweisen Sie es!»

Gossett wollte protestieren, sah aber Bolithos trotzige Schulterhaltung, und da ließ er es lieber.

«Pfeifen Sie >Alle Mann

Er trägt für uns alle, dachte Herrick. Immer sorgt er sich, aber helfen lassen will er sich nicht. Er packte die Reling, denn ein langer Brecher hob das Heck und rollte tosend unter den Decksgängen dahin. Die Pumpen klapperten lauter denn je, und als Herrick sich die brennenden Augen wischte, sah er, daß sich die Rahen unter dem Druck der geschwellten Segel bogen, die so hart schienen wie Stahl. Aber die Hyperion reagierte. Gott mag wissen wie, dachte er verwundert, aber dieser alte Kasten scheint zu verstehen, wie wichtig es für den Captain ist — sogar besser als wir.

70
{"b":"113198","o":1}