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Gossett murmelte:»Mein Gott, er muß schon vorher verwundet gewesen sein und hat nichts gesagt!«Er nahm seinen verwitterten Hut ab und starrte ihn an, als sähe er ihn zum erstenmal.

Gedämpft berichtete Allday:»Als der Franzose unser Heck kreuzte, Captain, flog eine Kugel in den Kartenraum. «Unter Bo-lithos wortlosem Blick schlug er die Augen nieder.»Sie tötete den armen Gimlett, und ein Splitter traf den Admiral. «Er ließ den Kopf hängen.»Ich mußte ihm schwören, daß ich Ihnen nichts davon sage. Dann mußte ich ihm seine Galauniform anziehen. Tut mir furchtbar leid, Captain, ich hätt's Ihnen vielleicht doch sagen sollen.»

Bolitho sah an ihm vorbei.»Nicht Ihre Schuld, Allday. «So hatte Pomfret also schließlich doch nichts von diesem Sieg. Aber eines hatte er begriffen: daß er dabei sein mußte. Sein verwüstetes Gehirn hatte doch noch die Stärke und den Willen aufgebracht, Anerkennung auf die einzige Art zu zeigen, zu der er fähig war.

«Ein tapferer Mann, das muß man ihm lassen«, sagte Herrick halblaut.

Bolitho blickte auf die beiden Toten nieder, die nebeneinander auf dem zerschossenen Deck lagen. Admiral und Midshipman.

«Zwei tapfere Männer, Thomas«, sagte er heiser.

Der Rauch trieb jetzt ab und enthüllte die bei Sieger und Besiegten angerichteten Schäden. Die beiden letzten französischen Schiffe segelten bereits unter Vollzeug davon. Nicht daß ihre Kommandanten jetzt noch etwas zu fürchten hätten, dachte Bolitho bedauernd. Abgesehen von der Chanticleer — und die war weit weg —, hatten alle britischen Schiffe zusammen kaum genug intakte Segel, um ein einziges Schiff auszurüsten, so daß von einer Verfolgung gar nicht die Rede sein konnte. Wenn nur die Männer mit ihrem Siegesgebrüll aufgehört hätten! Eben kam Inch unsicheren Schrittes übers Oberdeck. Bei Rookes Leichnam blieb er stehen, blickte kurz hinunter und ging dann weiter. Es sah beinahe so aus, als zucke er die Achseln. Er selbst lebte noch, das war Mirakel genug für einen Tag und einen Mann.

Seton rief:»Masttopp meldet Schiffe in Nordost, Sir!«Bolitho war vom Kanonendonner noch so taub, daß er nicht richtig verstand.»Diesmal sind es unsere, Sir«, erläuterte Seton. Doch dann starrte er auf den toten Piper hinunter und begann zu zittern.

Traurig folgte Herrick seinem Blick.»Wenn sie früher gekommen wären. «Er ließ den Satz unbeendet.

Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm und sagte ruhig:»Lassen Sie eine neue Admiralsflagge heißen, Thomas. Es ist immer noch Pomfrets Schiff. «Er mußte die Augen abwenden, weil er Tränen darin brennen fühlte.»Und dann folgendes Signal. «Er zögerte, denn noch einmal sah er all diese Gesichter vor sich: Cas-well und Shanks, Rooke und den kleinen Piper. Wie so viele andere vor ihnen gehörten sie schon der Vergangenheit an. Mit gefestigter Stimme gab er das Signal an: «Hyperion an Flaggschiff: >Wir schließen zum Geschwader auf«.»

Herrick tippte an den Hut und schritt an den jubelnden Matrosen vorbei. Sekunden später stiegen die Flaggen zu einer noch intakten Rah hoch und ersetzten das Signal, das dort so lange gestanden hatte. Irgendwie hatte Piper es geschafft, daß es während der ganzen Schlacht oben blieb — er mußte es ein paarmal ausgewechselt haben.

Herrick nahm Seton das Teleskop aus der schlaffen Hand und richtete es auf die fernen Schiffe. Seine Lippen bewegten sich wie in leisem Selbstgespräch. Dann wandte er sich Bolitho zu und berichtete: «Victory an Hyperion: >Willkommen. England ist stolz auf Sie<. «Dann wandte er sich ab, denn er konnte Bolithos traurige Augen nicht ertragen.

Gossett drängte sich durch die immer noch johlenden Matrosen heran und meldete:»Notruder funktioniert, Sir.»

Bolitho fuhr herum und wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel. Er hatte seine Gelassenheit wieder.»Danke, Mr. Gossett. Seien Sie so gut und nehmen Sie Fahrt auf. «Er strich mit der Hand die zersplitterte Reling und fühlte den Schmerz des alten Schiffes wie seinen eigenen.»Wir haben noch einen langen Weg vor uns.»

Gosset wollte etwas antworten, doch Herrick schüttelte den Kopf. Besser als jeder andere wußte er, daß Bolitho den letzten Satz zu seinem Schiff gesprochen hatte. Und in dieses Zwiegespräch sollte sich niemand einmischen.

Epilog

Der Sommeranfang brachte den Menschen die unterschiedlichsten Dinge. Es war bisher der zweite Sommer in einem Krieg, der anscheinend nie mehr enden wollte. In den Städten begrüßten ihn diejenigen mit Erleichterung, die fast schon gefürchtet hatten, daß ihre Insel unter die Ferse des Diktators gerate. Für andere, denen der Krieg viel abgefordert hatte, die verwitwet, verwaist oder fern von ihren Lieben waren, bezeichnete er nur einen weiteren Meilenstein auf dem langen Weg der Einsamkeit und Verzweiflung.

Doch in Cornwall, und speziell im Seehafen Falmouth, wurde er dankbar begrüßt als gerechte Belohnung für Nöte und Gefahren dunklerer Tage. Im Binnenland waren die üppigen Felder, die blühenden Hecken, die Hügel mit ihren verstreut grasenden Schafen und zufriedenen Rindern die sichtbaren Zeichen des Überlebens und des Glaubens an die Zukunft.

In der Stadt selbst herrschte beinahe Feierstimmung. Wenn Fal-mouth auch klein war, lebte es doch von der See, den Schiffen und Männern, die wie Ebbe und Flut kamen und gingen. Viele Generationen von Seeleuten, für die das Leuchtfeuer von St. Anthony kein bloßes Seezeichen, sondern der erste Gruß der Heimat war, hatten echtes Verständnis für die Angelegenheiten der weiten Welt und erheblichen Einfluß in der Stadt.

Selbst die Nachrichten wurden besser, als versprächen Wärme und blauer Himmel endlich den Sieg. Erst in dieser Woche hatten die städtischen Ausrufer in den engen Straßen und an der geschäftigen Hafenfront das Neueste zur Kenntnis gebracht. Und das Allerneueste war kein bloßes Gerücht, sondern etwas, das auch zage Herzen ermutigte.

Lord Howe hatte im Atlantik gegen eine französische Flotte gekämpft und sie geschlagen, und diese Seeschlacht trug bereits den stolzen Namen» Der glorreiche Erste Juni«. Die Kunde davon wirkte wie ein stärkender Trank. Nach den Rückschlägen und Mißerfolgen auf Grund mangelnder Vorbereitung und Leichtsinn an höherer Stelle war es genau das, was das Land brauchte. Selbst daß Hood vor sechs Monaten hatte Toulon aufgeben müssen, schien nun weniger wichtig, als gehöre es schon zu den vergangenen und vergessenen Mißhelligkeiten des harten Winters.

Für die Leute von Falmouth war alles, was vorher geschehen war, nur noch Geschichte. England war bereit, notfalls bis ans Ende aller Zeiten zu kämpfen, um den französischen Tyrannen ein für allemal zu bezwingen.

Neue Namen, neue Ideen kamen jeden Tag auf und fegten die alten, überholten hinweg: Namen wie Saumarez und Hardy, Colling-wood und der des jungen Kapitän Nelson, dessen Taten bereits die Phantasie der Nation beflügelten.

Doch Falmouth brauchte nicht über die eigenen Mauern hinauszublicken, um einen Mann zu finden, dem es zujubeln konnte. Und an diesem Tag waren viele von den umliegenden Dörfern und We i-lern zur Stadt geritten, und mancher Fischkutter war im Hafen geblieben, statt draußen seinen Verdienst zu suchen; sie alle gesellten sich der Menge zu, die wartend die alte graue Kirche von König Charles dem Märtyrer umstand. Denn hier wurde nicht irgendein beliebiger Seeoffizier getraut, sondern ein Sohn der Stadt, ein Mann, dessen Familie ebens o ein Teil von Falmouth war wie die Steinquadern der Kirche oder die Brandung am Fuße von Pendennis Point. Die Familie Bolitho war schon immer ein interessantes Gesprächsthema gewesen, wenn man an dunklen Winterabenden zusammensaß; und diese vieldiskutierte Heirat war so ungewöhnlich und aufregend wie die meisten Abenteuer der Familiengeschichte.

Die Braut war bildschön und mitten in einem Schneesturm in Falmouth angekommen. Nur wenige hatten sie wirklich gesehen, doch es hieß, sie gehe regelmäßig auf den Pfaden oberhalb des Stammsitzes der Familie Bolitho spazieren und schaue nach einem Schiff aus, das anscheinend nie kam.

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