Литмир - Электронная Библиотека

«Signal an Geleitzug: >Anker lichten««, befahl er, nahm ein Teleskop zur Hand und beobachtete, wie die Transportschiffe seeklar machten.

Als die Flaggen hochstiegen, setzte Rooke das Sprachrohr an und brüllte:»Klar bei Gangspill!«Tomlin, der Bootsmann, zeigte grinsend seine beiden Hauer und winkte bestätigend mit der Hand. Rooke leckte sich nervös die Lippen.»Setzt Vorsegel! Aufentern und Toppsegel los!»

Wortlos sah Bolitho zu, als die Toppgasten wie eine menschliche Flutwelle aufenterten, denn die Rohrstöcke der Deckoffiziere und Bootsmannsmaaten trieben die Säumigen mit mehr Enthusiasmus an als sonst. Anscheinend spürten sie die Gereiztheit ihres Kommandanten und wollten kein Risiko eingehen.

«Hol' dicht die Brassen!»

Keuchend vor Anstrengung warfen sich die Männer am Gangspill in die Speichen; der mächtige Anker riß sich aus dem Schlick und Sand des Hafens, schwerfällig legte sich die Hyperion in die stärker auffrischende Brise. Dann traf sie die volle Kraft des Windes, sie krängte noch mehr, die Matrosen auf den Rahen kämpften mit Händen und Füßen, um die großen Bäuche der sich unter ihnen entfaltenden Segel zu bezwingen. Mehr und mehr nahm die Hyperion Fahrt auf, die Rahen spannten sich knarrend wie riesige Bogen. Die Ankermannschaft verkattete flink den Anker, dann pflügte die Hyperion, schon auf Kurs, durch die Gischt stiebenden Wellen; und die Zuschauer an der Küste sahen sie ihres stolzen Namens würdig.

«Alle Schiffe sind Anker auf, Sir«, meldete Caswell.

«Recht so. Signalisieren Sie: >Auf Station wie befohlen<. «Er zog sich den Dreispitz fest in die Stirn und blickte zum Wimpel empor. Der stand steif wie ein Speer.

«Neues Signal: >So viele Segel wie möglich setzen<. «Nur nicht gleich zu viel signalisieren, dachte er grimmig. Später würde er noch Veranlassung genug haben, die Säumigen anzutreiben.

Wie ein Terrier hinter den Bullen überholte die winzige Schaluppe Snipe unter geschwelltem Großsegel das vorderste Transportschiff. Ihr Platz war an der Spitze des Konvois. Die Hyperion und die Fregatte würden in Luv bleiben, in diesem Falle also achteraus; so hatten sie die Möglichkeit, jederzeit schnell vorzustoßen, wenn sie ihr Geleit verteidigen mußten.

Bolitho musterte die Harvester im Teleskop: ihr schlanker Bug stieg und fiel kraftvoll und graziös wie ein schönes starkes Raubtier mit den nun anrollenden großen Hochseewellen. Die Hyperion schob in diesem Seegang nur lässig ihre mächtige Schulter vor und hüllte sich dann in Gischt wie in ein Tuch. Bei dem achterlichen Wind arbeitete das Deck in stetigem Stampfen; die Luft darüber war erfüllt vom Jaulen der Takelage und dem alles beherrschenden Schlagen und Rauschen der Segel, in denen die Matrosen, von unten winzig anzusehen, immer noch kämpften, um entsprechend Bolithos jüngstem Befehl mehr Segel zu setzen.

Auf einmal fiel ihm die Frau wieder ein, die dort unten in seiner Kajüte saß. Ihretwegen war er so gereizt. Aber dann sah er Gossetts besorgtes Gesicht und sagte:»Wir müssen wahrscheinlich bald reffen, Mr. Gossett, aber erst einmal wollen wir den Wind ausnutzen, damit wir möglichst rasch von Land freikommen. «Der Master nickte sichtlich erleichtert. Vermutlich begriff er besser als mancher andere an Bord, daß es keinen Sinn hatte, ein Schiff bis zum Mastbruch zu segeln, bloß damit der Kommandant seinen Ärger abreagieren konnte.

Stärke und Richtung des Windes blieben fast gleichmäßig günstig bis zum vierten Tag nach Gibraltar. Bis dahin war das Geschwader gut 420 Meilen gesegelt. An Bord der Hyperion konnte sich niemand an eine so schnelle Reise erinnern. Es hatte kaum Zwischenfälle gegeben. Gegen Abend des vierten Tages schoß der Wind plötzlich nach Nordosten aus und flaute etwas ab. Bolitho fand jedoch, als er an der Luvseite des Achterdecks stand und die prachtvolle, kupferrot glänzende untergehende Sonne bewunderte, er könne zufrieden sein. Die Schiffe waren gut zusammengeblieben; sogar jetzt konnte er, wenn er über den stampfenden Bug nach vorn blickte, die Rümpfe der Transporter in dem seltsamen Licht so aufglänzen sehen, als wären sie aus poliertem Metall. Das größte Schiff, die Erebus, führte; ihr folgte in angemessenem Abstand als zweite die Vanessa. Beide waren gutgeführte Schiffe, und wie sie da im schwindenden Sonnenlicht glänzten, sahen sie mit ihren aufgemalten falschen Stückpforten und der straffen Takelage tatsächlich wie Kriegsschiffe aus. Nach ihnen kam die Justice. Ihr Rumpf war von stumpfem Schwarz, denn sie lag schon im Schatten. Ihre Matrosen arbeiteten noch in der Takelage, um wie auf den anderen Schiffen die Segel für die Nacht zu kürzen.

Das Sausen des Windes im Rigg wurde unvermittelt übertönt von Gelächter aus der Offiziersmesse. Vermutlich, dachte Bolitho, nützten die Leutnants ihre Freiwache und die seltene Gelegenheit, eine Dame zu bewirten, nach besten Kräften aus.

Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und nahm seinen Spaziergang längs der Luvreling wieder auf, wobei ihm die beiden Rudergasten und Dalby, der Wachoffizier, interessiert zuschauten. Letzterer hatte sich diskret nach Lee verzogen.

Merkwürdig, wie Cheney Seton das ganze Schiff im Sturm erobert hatte. Obwohl sie sich immer nur kurze Zeit bei der Kampan-je aufhielt, fanden sich jedesmal eine ganze Anzahl Matrosen ein, die dort eigentlich gar nichts zu suchen hatten, und lächelten ihr freundlich zu — oder starrten sie auch bloß an wie eine Erscheinung.

Gimlett war natürlich in seinem Element. Wie eine Gluckhenne bemutterte er Cheney Seton und schützte sie gegen jeden Eindringling energischer, als Bolitho es ihm je zugetraut hätte. Und sie hielt ihr Wort. Sie ging Bolitho aus dem Weg und tat nichts, was sie auch nur von fern mit der Schiffsführung in Konflikt bringen konnte.

Je heftiger ihm die Gedanken durch den Kopf schossen, um so schneller wurden auch seine Schritte; denn ihm war wieder einmal klar geworden, daß Miss Seton es gerade durch ihre Zurückhaltung erreicht hatte, nicht sich, sondern ihn zu isolieren, und zwar noch stärker als sonst. Vielleicht war sie nur aus diesem Grund Inchs

Einladung zum Dinner in der Offiziersmesse gefolgt. Halb und halb hatte Bolitho erwartet, ebenfalls eingeladen zu werden, aber das hatten sie nicht getan. Wie er auf dem immer dunkler werdenden Deck auf und ab ging und dem Klatschen seiner Schuhsohlen auf den Planken lauschte, hoffte er fast, daß irgend etwas Unvorhergesehenes, etwa ein Windwechseln eintreten möge, damit er» Alle Mann «pfeifen lassen und die fröhliche Gesellschaft dort unten stören konnte. Jedesmal, wenn er sich in seinem engen Kartenraum zur Ruhe begab, konnte er sich kaum an den Gedanken gewöhnen, daß das Mädchen nur ein paar Fuß von ihm entfernt schlief oder in seiner eigenen Kajüte speiste, während er sich verkroch wie ein unartiger Schuljunge. Noch seltsamer war, daß er auch nach vier Tagen kaum mehr von ihr wußte, als in der Minute, als sie an Bord gekommen war. Was er über sie gehört hatte, waren Informationen aus dritter oder vierter Hand, und um so rätselhafter, weil sie unvollständig waren. Der Steward des Midshipmanlogis hatte Mids-hipman Piper seinem Kameraden Caswell erzählen hören, was Seton ihm über seine Schwester anvertraut hatte. Der Steward hatte es natürlich Gimlett weitererzählt, der mit sichtlichem Widerstreben und nur unter Prügelandrohung einiges davon Allday enthüllt hatte. Und dieser wiederum hatte, etwa während Bolitho sich rasierte oder er ihm, wenn das Schiff mitten in der Nacht in eine heftige Bö geriet, in seinen schweren Bordmantel half, beiläufig darüber gesprochen. Bolitho hatte es ebenso beiläufig zur Kenntnis genommen und somit nicht nur Zeit gespart, sondern auch das Gesicht gewahrt.

Als er jetzt an Deck hin und her ging, das Kinn tief im Schal vergraben, machte er sich im Geist ein Bild von dem Mädchen, das Pomfrets junge Frau werden sollte. Cheney zählte sechsundzwanzig Jahre und war bis vor kurzem in Pomfrets Londoner Haus als eine Art Haushälterin tätig gewesen. Das war Bolitho im ersten Moment ziemlich verdächtig vorgekommen, doch nach Alldays Angaben hatte Pomfret es zum beiderseitigen Vorteil so arrangiert, damit sie ihren kränklichen Vater pflegen konnte, der aus irgendeinem Grund, den Bolitho nicht erfuhr, in diesem Hause wohnte, als sei es sein eigenes. Ihr Vater war jetzt tot, und sie hatte auf der ganzen Welt nur noch ihren Bruder. Ihre Mutter war bei einem Aufstand auf Jamaika umgekommen; revoltierende Sklaven hatten die Setonsche Farm überfallen, mehr weil sie in ihrem Weg lag, als aus irgendeinem besonderen Grund. Bolithos Stirnrunzeln vertiefte sich. Das war interessant. Pomfret war damals einem vor Jamaika operierenden Geschwader zugeteilt gewesen und wahrscheinlich irgendwie mit den Setons bekanntgeworden; zumindest in jenen Tagen mußte die Familie des Mädchens ziemlich wohlhabend und einflußreich gewesen sein. Aber was danach geschehen war, daraus wurde Bolitho nicht ganz klug. Nur eines war klar: ihre trotzige Haltung, die er zunächst für angeborene Arroganz gehalten hatte, war lediglich Notwehr. Es konnte nicht leicht für sie gewesen sein, allein in London zurechtzukommen. Ein letztes Stückchen Information hatte ihm Allday erst heute früh verpaßt: Pomfret hatte die Vormundschaft über Midshipman Seton übernommen. Anscheinend lag dem Admiral sehr viel daran, seine Position bei dem Mädchen zu stärken, dachte Bolitho.

38
{"b":"113198","o":1}