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Zwei Wochen nach Eroberung der Brigantine kreuzte die Destiny mit Südkurs den Äquator. Sogar der Master schien über ihr flottes Vorankommen und die zurückgelegte Strecke erfreut. Der ihnen günstige Passat und die milde, warme Luft trugen dazu bei, die Stimmung der Leute zu heben und Krankheiten fernzuhalten.

Über ein Drittel der Besatzung überquerte den Äquator zum erstenmal. Allerlei Ulk und rauhe Scherze, welche die traditionelle Zeremonie begleiteten, wurden beflügelt durch eine Viertageration Rum und Wein für alle Mann.

Little, der Stückmeistersmaat, gab einen majestätischen Neptun mit goldgemalter Papierkrone und einem Vollbart aus Schiemannsgarn ab. Als verschämte Königin an seiner Seite posierte ein entsprechend ausgestopfter Schiffsjunge. Alle Neuankömmlinge in Neptuns Königreich wurden gründlich abgeseift und untergetaucht.

Hinterher kam Dumaresq zu seinen Offizieren in die Messe und drückte ihnen seine Zufriedenheit mit Schiff und Besatzung und ihrer flotten Reise aus. Die Heloise war weit zurückgefallen, da sie immer noch mit der Reparatur ihrer Schäden beschäftigt war. Dumaresq hatte offenbar nicht die Absicht, deshalb seinen eigenen Landfall hinauszuschieben. Slade hatte Befehl, so schnell wie möglich in Rio zu ihm zu stoßen.

An den meisten Tagen zog die Destiny unter sämtlichen Segeln ihre Bahn und hätte ein prächtiges Bild für ein anderes Schiff, das mit ihnen den Ozean teilte, abgegeben. Die neuen Leute, die hoch über Deck bei der Arbeit waren oder am regelmäßigen Segel- und Geschützexerzieren teilnahmen, begannen sich mehr und mehr einzuleben, und Bolitho beobachtete, wie die bleiche Haut derjenigen, die aus dem Schuldturm oder noch Schlimmerem kamen, in der täglich stärker brennenden Sonne eine dunklere Tönung annahm.

Ein weiterer Mann, der in dem Gefecht verwundet worden war, starb und erhöhte ihre Verluste damit auf acht. Der Kapitän der Heloi-se, der Tag und Nacht von einem Seesoldaten bewacht wurde, kam langsam wieder zu Kräften. Bolitho nahm an, daß Dumaresq ihn nur darum unbedingt am Leben erhalten wollte, damit er ihn später wegen Piraterie aufknüpfen lassen konnte.

Midshipman Jury durfte wieder Dienst tun, allerdings nur an Deck oder auf Wache achtern. Seltsamerweise schien die Erinnerung an die gemeinsam geteilte Gefahr ihn und Bolitho eher voneinander fernzuhalten; obwohl sie einander täglich mehrmals begegneten, spürte Bo-litho ein gewisses Unbehagen zwischen ihnen.

Möglicherweise hatte der Kommandant recht. Vielleicht hatte Jurys» Heldenverehrung«, wie er es bezeichnet hatte, eher eine Verlegenheit als eine Bindung zwischen ihnen geschaffen. Der kleine Merrett dagegen schien mehr Selbstvertrauen gewonnen zu haben. Es war, als ob er mit seinem sicheren Tod gerechnet hätte und nun überzeugt sei, ihm könne nichts Schlimmeres mehr passieren. Er enterte mit den anderen Midships in den Wanten auf, und während der Hundewachen hörte man seine helle Stimme oft mit seinen Kameraden diskutieren oder streiten.

Eines Abends, als die Destiny unter Mars- und Untersegeln ihre Bahn zog und Bolitho die erste Wache von Leutnant Rhodes übernahm, sah er, wie Jury die anderen Midshipmen auf den Gefechtsständen in den Marsen beobachtete, die dort allerlei Unsinn trieben. Sicherlich wünschte er sich, bei ihnen oben zu sein.

Bolitho wartete, bis der Rudergänger rief:»Ruder übernommen, Kurs Süd-Süd-West liegt an!«Danach ging er hinüber auf die andere Seite, wo Jury stand, und fragte:»Was macht die Wunde?»

Jury sah ihn an und lächelte.»Tut nicht mehr weh, Sir. Ich hatte

Glück. «Seine Finger strichen über den Ledergürtel und berührten den Kratzer auf dem Metallschloß.»Waren es wirklich Piraten?»

Bolitho zuckte die Schulter.»Jedenfalls waren sie darauf aus, uns zu verfolgen. Spione vielleicht, doch nach den Buchstaben des Gesetzes gelten sie als Piraten.»

Darüber hatte er nach jener schrecklichen Nacht viel nachgedacht. Er vermutete, daß Dumaresq und Palliser mehr wußten, als sie sagten, und daß die eroberte Brigantine irgendwie mit Dumaresqs geheimer Mission und ihrem kurzen Aufenthalt in Funchal zu tun hatte.

Er sagte:»Wenn wir dieses Tempo beibehalten, sind wir in einer Woche in Rio. Dann werden wir sicherlich die Wahrheit erfahren.»

Gulliver erschien auf dem Achterdeck und schaute lange schweigend zu der steifer werdenden Leinwand hinauf. Schließlich meinte er:»Der Wind wird stärker. Ich glaube, wir sollten einige Segel we g-nehmen. «Er zögerte und sah Bolitho an.»Wollen Sie es dem Kommandanten melden, oder soll ich es tun?»

Bolitho sah, wie die Marssegel sich im Wind blähten. Im scheidenden Sonnenlicht wirkten sie wie große, rosafarbene Muscheln. Aber Gulliver hatte recht, und er hätte es selbst erkennen müssen.

«Ich werde es ihm melden.»

Gulliver ging zum Kompaß hinüber, als sei er von einer inneren Unruhe getrieben.»Das Wetter ist zu schön, um sich zu halten. Ich kenne das.»

Bolitho winkte Midshipman Cowdroy heran, der zur Zeit — bis Jury ganz wiederhergestellt war — die Wache mit ihm teilte.»Meine Empfehlung an den Kommandanten, und ich lasse ihm melden, daß der Nordost auffrischt.»

Cowdroy tippte an seinen Hut und eilte zum Niedergang. Bolitho schluckte seine Abneigung gegen ihn herunter; ein arroganter, intoleranter Geselle. Er wunderte sich, daß Rhodes mit ihm zurechtkam.

Jury fragte leise:»Bekommen wir Sturm, Sir?»

«Kaum. Aber es ist gut, wenn wir darauf vorbereitet sind. «Er sah etwas in Jurys Hand glitzern und sagte:»Das ist aber eine schöne

Uhr.»

Jury hielt sie ihm hin, sein Gesicht strahlte.»Sie gehörte meinem Vater.»

Bolitho öffnete vorsichtig den Deckel und entdeckte darin das winzige, aber ausgezeichnete Porträt eines Seeoffiziers, dem Jury sehr ähnlich sah. Es war eine wunderschöne Uhr, von einem der besten Handwerker Londons hergestellt.

Bolitho gab sie Jury zurück und sagte:»Gehen Sie sorgsam mit ihr um. Sie muß sehr wertvoll sein.»

Jury steckte sie wieder in die Hosentasche.»Sie ist das einzige, was ich von meinem Vater besitze.»

Irgend etwas in seinem Ton berührte Bolitho tief und bewirkte, daß er sich unbeholfen vorkam. Es ärgerte ihn, daß er Jurys Bemühen, ihm zu gefallen, nicht eher durchschaut hatte. Der Junge hatte sonst niemand in der Welt, der sich um ihn kümmerte.

Er sagte:»Schön, Mr. Jury, wenn Sie auf dieser Reise gut aufpassen, wird es Ihnen später sicher zustatten kommen. «Er lächelte.»Wer hat vor ein paar Jahren von James Cook gewußt, möchte ich wissen. Nun ist er ein Volksheld, und wenn er von seiner letzten Reise zurückkommt, wird er zweifellos wieder befördert werden.»

Die Stimme Dumaresqs ließ ihn herumfahren.»Machen Sie mir den Jungen nicht verrückt, Mr. Bolitho. In Kürze wird er noch meinen Posten verlangen.»

Bolitho wartete auf Dumaresqs Entscheidung wegen der Segel. Man wußte nie genau, woran man mit ihm war.

«Wir werden beizeiten Segel wegnehmen, Mr. Bolitho. «Er wippte auf den Fersen und prüfte ein Segel nach dem anderen.»Aber wir wollen rennen, so lange wir können.»

Als er im Niedergang verschwunden war, rief der Steuermannsmaat der Wache:»Der Kutter hat sich aus der Halterung gelöst. Sir.»

«Danke. «Bolitho sah sich wieder nach Midshipman Cowdroy um.»Nehmen Sie ein paar Leute und sichern Sie den Kutter, bitte. «Er spürte den Widerstand des Kadetten und wußte auch den Grund: Cowdroy mußte es merken, daß er froh war, ihn während der Wache los zu sein.

Jury hatte erraten, was vorging.»Ich mache das, Sir. So etwas ist mir vom Arzt erlaubt.»

Cowdroy wandte sich um und fuhr ihn an:»Sie sind krank, Mr. Jury. Sie brauchen sich meinetwegen nicht zu bemühen. «Er ging weg und rief nach einem Bootsmannsmaat.

Wie Gulliver prophezeit hatte, nahm der Wind weiter zu; die See veränderte ihr Gesicht und setzte weiße Schaumkronen auf. Bolitho vergaß den kleinen Streit zwischen den beiden Midshipmen, den er verursacht hatte.

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