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Little hatte seine Ansicht zu erläutern versucht.»Die Sache ist so, Sir: Sie hätten ihn zum Aufentern zwingen sollen, selbst wenn er dann abgestürzt wäre und sich die Knochen gebrochen hätte. Oder Sie hätten ihn zur Bestrafung melden müssen. Er hätte drei Dutzend Schläge bekommen, aber das hätte ihn zum Mann gemacht.»

Zögernd mußte Bolitho Little recht geben. Er hatte den Stolz des Mannes verletzt. Seine Kameraden hätten mit ihm gefühlt, wenn er auf der Gräting festgebunden und ausgepeitscht worden wäre. So aber traf ihn nur Verachtung, und das war mehr, als dieser eigenbrötlerische und halsstarrige Matrose ertragen konnte.

Auch am sechsten Tag hielt der Sturm noch an und machte sie durch seine Heftigkeit mutlos und benommen. Zerrissene Segel wurden ausgetauscht, und das Reparieren von Schäden und immer wieder nötige Aufklaren an Deck verhinderten jeden Gedanken an eine Verschnaufpause.

Inzwischen wußte jedermann an Bord, wohin die Reise zunächst ging: zur portugiesischen Insel Madeira. Aber der Anlaß blieb weiterhin ein Geheimnis. Außer für Rhodes, der streng vertraulich mitteilte, daß sie dort lediglich einen ordentlichen Vorrat Wein für den persönlichen Bedarf des Schiffsarztes übernehmen wollten.

Dumaresq hatte den Bericht über den Tod des Matrosen offenbar im Logbuch gelesen, aber Bolitho nicht daraufhin angesprochen. Auf See kamen mehr Männer durch Unfälle um als durch Kugeln und Enterbeile.

Doch Bolitho fühlte sich schuldig. Little und Forster, ihm an Lebensjahren und Erfahrung weit voraus, hielten seiner Meinung nach nur zu ihm, weil er ihr Vorgesetzter war.

Forster hatte lediglich bemerkt:»Tja, wir waren in dem Augenblick vielleicht nicht ganz auf Draht, Sir.»

Und alles, was Little dazu sagte, war:»Hätte schlimmer kommen können, Sir.»

Es war erstaunlich, welche Wandlung die schließliche Wetterbesserung brachte. Das Schiff erwachte wieder zum Leben, und die Männer packten zu, ohne sich erst ängstlich umzuschauen oder sich mit beiden Händen an den Wanten festzuklammern, wenn sie aufentern sollten.

Am Morgen des siebten Tages, als die Düfte aus der Kombüse zu ersten Wetten verführten, was es wohl zu essen gab, rief plötzlich der Ausguck im Vortopp:»An Deck! Land in Sicht! Land voraus in Lee!»

Bolitho hatte gerade Wache und bat Merrett, ihm ein Fernrohr zu bringen. Der Midshipman sah nach dem Sturm und einer Woche härtester Anstrengungen aus wie ein geschrumpfter alter Mann, aber er war noch ganz munter und kam beim Wachwechsel nie zu spät.

«Lassen Sie mich sehen. «Bolitho richtete das Fernrohr durch eine Lücke in den schwarzen Wanten in die vom Ausguck gemeldete Richtung.

Dumaresq Stimme ließ ihn zusammenfahren.»Das ist Madeira, Mr. Bolitho. Eine zauberhafte Insel.»

Bolitho tippte an seinen Hut. Für einen Mann seiner Statur bewegte der Kommandant sich erstaunlich geräuschlos.

«Es — hm — entschuldigen Sie, Sir.»

Dumaresq lächelte und nahm das Teleskop aus Bolithos Händen. Während er es auf die ferne Insel richtete, sagte er:»Als ich Wachoffizier war, habe ich immer dafür gesorgt, daß ein Mann meiner Wache aufpaßte und mich warnte, wenn der Kommandant auftauchte.»

Er sah Bolitho an, wobei seine weit auseinanderstehenden, durchdringenden Augen irgend etwas in ihm zu suchen schienen.»Aber Sie machen so etwas natürlich nicht, nehme ich an. Noch nicht.»

Er übergab Merrett das Glas und setzte hinzu:»Schließen Sie sich mir an. Etwas Bewegung ist gut für das innere Gleichgewicht.»

So marschierten Kommandant und jüngster Offizier der Destiny gemeinsam auf der Luvseite des Achterdecks auf und ab, wobei sie automatisch den Ringbolzen im Deck und den Taljen der Kanonen auswichen.

Dumaresq erzählte von seiner Heimat in Norfolk, aber nur von den Örtlichkeiten; von den Menschen dort erwähnte er nichts, sprach weder über Freunde noch über eine Frau. Bolitho versuchte, sich an Du-maresqs Stelle zu versetzen. Hier ging dieser lässig spazieren und unterhielt sich über unwichtige Dinge, während sein Schiff mit sauber getrimmten Segeln von einer gleichmäßigen Brise vorangetrieben wurde. Er trug die Verantwortung für alle, Offiziere, Matrosen und

Seesoldaten, und für all das, was ihnen bevorstand, ob sie nun segelten oder kämpften. In diesem Augenblick steuerten sie eine fremde Insel an, und danach würde die Reise sie sehr viel weiter führen.»Verantwortung kennt keine Grenzen«, hatte Bolithos Vater einmal gesagt. Und:»Für jeden Kommandanten gibt es nur ein Gesetz: Wenn er Erfolg hat, werden andere die Früchte ernten. Bleibt der Erfolg aus, fällt alle Schuld auf ihn.»

Dumaresq fragte plötzlich:»Haben Sie sich eingelebt?»

«Ich denke schon.»

«Gut. Falls Sie immer noch über den Tod des Matrosen grübeln, muß ich Ihnen sagen: Hören Sie auf damit. Das Leben ist Gottes größte Gabe. Es aufs Spiel zu setzen, ist eine Sache; aber es wegzuwerfen, ist Betrug. Der Mann hatte kein Recht dazu. Wir vergessen es am besten. «Als Palliser an Deck erschien, wandte sich Dumaresq diesem zu. Palliser lüpfte seinen Hut vor dem Kommandanten, doch sein Blick war auf Bolitho gerichtet.

«Zwei Männer zur Bestrafung, Sir. «Er hielt ihm sein Notizbuch hin.»Sie kennen beide.»

Dumaresq verlagerte sein Gewicht auf die Fußspitzen, bis es schien, als würde sein schwerer Körper gleich die Balance verlieren.

«Erledigen Sie das bis zwei Glasen, Mr. Palliser. Wir wollen es hinter uns bringen, die Leute brauchen deswegen nicht ihre Mahlzeit aufzuschieben. «Er schlenderte nach achtern und nickte dabei dem Steuermannsmaat der Wache zu wie ein Gutsherr seinem Wildhüter.

Palliser schloß sein Notizbuch mit einem Knall.»Empfehlung an Mr. Timbrell, und sagen Sie ihm, er möchte eine Gräting zur Bestrafung vorbereiten. «Dann kam er auf Bolithos Seite herüber.»Nun, was gab es?»

Bolitho berichtete:»Der Kommandant hat mir von seinem Heim in Norfolk erzählt, Sir.»

Palliser schien irgendwie enttäuscht.»Verstehe.»

«Warum trägt er eigentlich eine rote Weste, Sir?»

Palliser bemerkte, daß der Wachtmeister mit dem Bootsmann zurückkam.»Ich bin überrascht, daß er Sie nicht auch in diesem Punkt ins Vertrauen gezogen hat. «Bolitho verbarg ein Lächeln, als Palliser sich entfernte. Also wußte der's offenbar auch nicht. Nach drei Jahren gemeinsamer Seefahrt war das immerhin erstaunlich.

Bolitho stand neben Rhodes an der Heckreling und betrachtete das farbenfrohe Bild im Hafen und an der Pier von Funchal. Die Destiny lag vor Anker, nur die Gig des Kommandanten und ein Kutter waren bisher ausgesetzt und schaukelten an der Backspier. Es sah nicht so aus, als ob es Landurlaub für alle geben würde, dachte Bolitho.

Einheimische Boote mit seltsam geschwungenen Vor- und Achtersteven umruderten die Fregatte, und die Insassen hielten Früchte und bunte Schals, große Weinflaschen und viele andere Dinge hoch, um die Seeleute, die auf den Laufbrücken oder in den Wanten herumlungerten, zum Kauf zu animieren.

Die Destiny hatte sich am frühen Nachmittag ihrem Ankerplatz genähert, und alle Leute waren an Deck, um sich nichts von dem Anblick der Insel, die Dumaresq mit Recht» zauberhaft «genannt hatte, entgehen zu lassen. Die Hügel hinter den weißen Häusern bedeckten wunderschöne Blumen und Büsche, ein Anblick, der nach der wilden Fahrt durch die Biskaya den Augen besonders wohl tat. Diese Strapazen waren nun ebenso wie die beiden Auspeitschungen auf dem letzten Schlag vor dem Einlaufen vergessen.

Rhodes zeigte lächelnd auf ein Boot mit drei dunkelhaarigen Mädchen, die sich in ihre Kissen zurücklehnten und auffordernd zu den jungen Offizieren hinaufschauten. Es war klar, was sie zum Verkauf boten.

Kapitän Dumaresq war an Land gegangen, kaum daß sich der Pulverqualm ihrer Salutschüsse für den portugiesischen Gouverneur verzogen hatte. Palliser gegenüber hatte er geäußert, daß er zum Gouverneur gehe, um den üblichen Höflichkeitsbesuch abzustatten: aber Rhodes sagte später:»Für einen rein gesellschaftlichen Besuch war er viel zu aufgeregt, Dick. Da lag Verschwörung in der Luft oder ähnliches.»

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