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Elfter Gesang

Isegrim klagte, der Wolf, und sprach: Ihr werdet verstehen!

Reineke, gnädiger König, so wie er immer ein Schalk war,

Bleibt er es auch und steht und redet schändliche Dinge,

Mein Geschlecht zu beschimpfen und mich. So hat er mir immer,

Meinem Weibe noch mehr, empfindliche Schande bereitet.

So bewog er sie einst, in einem Teiche zu waten

Durch den Morast und hatte versprochen, sie solle des Tages

Viele Fische gewinnen; sie habe den Schwanz nur ins Wasser

Einzutauchen und hängen zu lassen: es würden die Fische

Fest sich beißen, sie könne selbviert nicht alle verzehren.

Watend kam sie darauf und schwimmend gegen das Ende,

Gegen den Zapfen; da hatte das Wasser sich tiefer gesammelt,

Und er hieß sie den Schwanz ins Wasser hängen. Die Kälte

Gegen Abend war groß, und grimmig begann es zu frieren,

Daß sie fast nicht länger sich hielt; so war auch in kurzem

Ihr der Schwanz ins Eis gefroren, sie konnt ihn nicht regen,

Glaubte, die Fische wären so schwer, es wäre gelungen.

Reineke merkt' es, der schändliche Dieb, und was er getrieben,

Darf ich nicht sagen, er kam und übermannte sie leider.

Von der Stelle soll er mir nicht! es kostet der Frevel

Einen von beiden, wie Ihr uns seht, noch heute das Leben.

Denn er schwätzt sich nicht durch; ich hab ihn selber betroffen

Über der Tat, mich führte der Zufall am Hügel den Weg her.

Laut um Hilfe hört ich sie schreien, die arme Betrogne,

Fest im Eise stand sie gefangen und konnt ihm nicht wehren,

Und ich kam und mußte mit eignen Augen das alles

Sehen! Ein Wunder fürwahr, daß mir das Herz nicht gebrochen.

Reineke! rief ich: was tust du? Er hörte mich kommen und eilte

Seine Straße. Da ging ich hinzu mit traurigem Herzen,

Mußte waten und frieren im kalten Wasser und konnte

Nur mit Mühe das Eis zerbrechen, mein Weib zu erlösen.

Ach, es ging nicht glücklich vonstatten! sie zerrte gewaltig,

Und es blieb ihr ein Viertel des Schwanzes im Eise gefangen.

Jammernd klagte sie laut und viel, das hörten die Bauern,

Kamen hervor und spürten uns aus und riefen einander.

Hitzig liefen sie über den Damm mit Piken und Äxten,

Mit dem Rocken kamen die Weiber und lärmten gewaltig:

Fangt sie! schlagt nur und werft! so riefen sie gegeneinander.

Angst wie damals empfand ich noch nie, das gleiche bekennet

Gieremund auch, wir retteten kaum mit Mühe das Leben,

Liefen, es rauchte das Fell. Da kam ein Bube gelaufen,

Ein vertrackter Geselle, mit einer Pike bewaffnet;

Leicht zu Fuße, stach er nach uns und drängt' uns gewaltig.

Wäre die Nacht nicht gekommen, wir hätten das Leben gelassen.

Und die Weiber riefen noch immer, die Hexen, wir hätten

Ihre Schafe gefressen. Sie hätten uns gerne getroffen,

Schimpften und schmähten hinter uns drein. Wir wandten uns aber

Von dem Lande wieder zum Wasser und schlupften behende

Zwischen die Binsen; da trauten die Bauern nicht weiter zu folgen,

Denn es war dunkel geworden, sie machten sich wieder nach Hause.

Knapp entkamen wir so. Ihr sehet, gnädiger König,

Überwältigung, Mord und Verrat, von solchen Verbrechen

Ist die Rede; die werdet Ihr streng, mein König, bestrafen.

Als der König die Klage vernommen, versetzt' er: Es werde

Rechtlich hierüber erkannt, doch laßt uns Reineken hören.

Reineke sprach: Verhielt' es sich also, würde die Sache

Wenig Ehre mir bringen, und Gott bewahre mich gnädig,

Daß man es fände, wie er erzählt! Doch will ich nicht leugnen,

Daß ich sie Fische fangen gelehrt und auch ihr die beste

Straße, zu Wasser zu kommen, und sie zu dem Teiche gewiesen.

Aber sie lief so gierig darnach, sobald sie nur Fische

Nennen gehört, und Weg und Maß und Lehre vergaß sie.

Blieb sie fest im Eise befroren, so hatte sie freilich

Viel zu lange gesessen; denn hätte sie zeitig gezogen,

Hätte sie Fische genug zum köstlichen Mahle gefangen.

Allzu große Begierde wird immer schädlich. Gewöhnt sich

Ungenügsam das Herz, so muß es vieles vermissen;

Wer den Geist der Gierigkeit hat, er lebt nur in Sorgen,

Niemand sättiget ihn. Frau Gieremund hat es erfahren,

Da sie im Eise befror. Sie dankt nun meiner Bemühung

Schlecht. Das hab ich davon, daß ich ihr redlich geholfen!

Denn ich schob und wollte mit allen Kräften sie heben,

Doch sie war mir zu schwer, und über dieser Bemühung

Traf mich Isegrim an, der längs dem Ufer daherging,

Stand da droben und rief und fluchte grimmig herunter.

Ja fürwahr, ich erschrak, den schönen Segen zu hören.

Eins und zwei- und dreimal warf er die gräßlichsten Flüche

Über mich her und schrie, von wildem Zorne getrieben,

Und ich dachte: du machst dich davon und wartest nicht länger;

Besser laufen, als faulen. Ich hatt es eben getroffen,

Denn er hätte mich damals zerrissen. Und wenn es begegnet,

Daß zwei Hunde sich beißen um Einen Knochen, da muß wohl

Einer verlieren. So schien mir auch da das Beste geraten,

Seinem Zorn zu entweichen und seinem verworrnen Gemüte.

Grimmig war er und bleibt es, wie kann ers leugnen? Befraget

Seine Frau; was hab ich mit ihm, dem Lügner, zu schaffen?

Denn sobald er sein Weib im Eise befroren bemerkte,

Flucht' und schalt er gewaltig und kam und half ihr entkommen.

Machten die Bauern sich hinter sie her, so war es zum besten;

Denn so kam ihr Blut in Bewegung, sie froren nicht länger.

Was ist weiter zu sagen? Es ist ein schlechtes Benehmen,

Wer sein eigenes Weib mit solchen Lügen beschimpfet.

Fragt sie selber, da steht sie, und hätt er die Wahrheit gesprochen,

Würde sie selber zu klagen nicht fehlen. Indessen erbitt ich

Eine Woche mir Frist, mit meinen Freunden zu sprechen,

Was für Antwort dem Wolf und seiner Klage gebühret.

Gieremund sagte darauf: In Eurem Treiben und Wesen

Ist nur Schalkheit, wir wissen es wohl, und Lügen und Trügen,

Büberei, Täuschung und Trotz. Wer Euren verfänglichen Reden

Glaubt, wird sicher am Ende beschädigt. Immer gebraucht Ihr

Lose verworrene Worte. So hab ichs am Borne gefunden.

Denn zwei Eimer hingen daran, Ihr hattet in einen,

Weiß ich, warum? Euch gesetzt und wart herniedergefahren;

Nun vermochtet Ihr nicht, Euch selber wieder zu heben,

Und Ihr klagtet gewaltig. Des Morgens kam ich zum Brunnen,

Fragte: Wer bracht Euch herein? Ihr sagtet: Kommt Ihr doch eben,

Liebe Gevatterin, recht! ich gönn Euch jeglichen Vorteil;

Steigt in den Eimer da droben, so fahrt Ihr hernieder und esset

Hier an Fischen Euch satt. Ich war zum Unglück gekommen,

Denn ich glaubt es, Ihr schwurt noch dazu: Ihr hättet so viele

Fische verzehrt, es schmerz Euch der Leib. Ich ließ mich betören,

Dumm, wie ich war, und stieg in den Eimer; da ging er hernieder

Und der andere wieder herauf, Ihr kamt mir entgegen.

Wunderlich schien mirs zu sein, ich fragte voller Erstaunen:

Sagt, wie gehet das zu? Ihr aber sagtet dawider:

Auf und ab, so gehts in der Welt, so geht es uns beiden.

Ist es doch also der Lauf. Erniedrigt werden die einen,

Und die andern erhöht, nach eines jeglichen Tugend.

Aus dem Eimer sprangt Ihr und lieft und eiltet von dannen.

Aber ich saß im Brunnen bekümmert und mußte den Tag lang

Harren und Schläge genug am selbigen Abend erdulden,

Eh ich entkam. Es traten zum Brunnen einige Bauern,

Sie bemerkten mich da. Von grimmigem Hunger gepeinigt,

Saß ich in Trauer und Angst, erbärmlich war mir zumute.

Untereinander sprachen die Bauern: Da sieh nur, im Eimer

Sitzt da unten der Feind, der unsre Schafe vermindert.

Hol ihn herauf, versetzte der eine: ich halte mich fertig

Und empfang ihn am Rand, er soll uns die Lämmer bezahlen!

Wie er mich aber empfing, das war ein Jammer! Es fielen

Schläg auf Schläge mir über den Pelz, ich hatte mein Leben

Keinen traurigern Tag, und kaum entrann ich dem Tode.

Reineke sagte darauf. Bedenkt genauer die Folgen,

Und Ihr findet gewiß, wie heilsam die Schläge gewesen.

Ich für meine Person mag lieber dergleichen entbehren,

Und wie die Sache stand, so mußte wohl eines von beiden

Sich mit den Schlägen beladen, wir konnten zugleich nicht entgehen.

Wenn Ihrs Euch merkt, so nutzt es Euch wohl, und künftig vertraut Ihr

Keinem so leicht in ähnlichen Fällen. Die Welt ist voll Schalkheit.

Ja, versetzte der Wolf: was braucht es weiter Beweise!

Niemand verletzte mich mehr, als dieser böse Verräter.

Eines erzählt ich noch nicht, wie er in Sachsen mich einmal

Unter das Affengeschlecht zu Schand und Schaden geführet.

Er beredete mich, in eine Höhle zu kriechen,

Und er wußte voraus, es würde mir Übels begegnen.

Wär ich nicht eilig entflohn, ich wär um Augen und Ohren

Dort gekommen. Er sagte vorher mit gleisenden Worten:

Seine Frau Muhme find ich daselbst, er meinte die Äffin;

Doch es verdroß ihn, daß ich entkam. Er schickte mich tückisch

In das abscheuliche Nest, ich dacht, es wäre die Hölle.

Reineke sagte darauf vor allen Herren des Hofes:

Isegrim redet verwirrt, er scheint nicht völlig bei Sinnen.

Von der Äffin will er erzählen, so sag er es deutlich.

Drittehalb Jahr sinds her, als nach dem Lande zu Sachsen

Er mit großem Prassen gezogen, wohin ich ihm folgte.

Das ist wahr, das übrige lügt er. Es waren nicht Affen,

Meerkatzen warens, von welchen er redet; und nimmermehr werd ich

Diese für meine Muhmen erkennen. Martin, der Affe,

Und Frau Rückenau sind mir verwandt; sie ehr ich als Muhme,

Ihn als Vetter, und rühme mich des. Notarius ist er

Und versteht sich aufs Recht. Doch was von jenen Geschöpfen

Isegrim sagt, geschieht mir zum Hohn, ich habe mit ihnen

Nichts zu tun, und nie sinds meine Verwandten gewesen;

Denn sie gleichen dem höllischen Teufel. Und daß ich die Alte

Damals Muhme geheißen, das tat ich mit gutem Bedachte.

Nichts verlor ich dabei, das will ich gerne gestehen:

Gut gastierte sie mich, sonst hätte sie mögen ersticken.

Seht, Ihr Herren! wir hatten den Weg zur Seite gelassen,

Gingen hinter dem Berg, und eine düstere Höhle,

Tief und lang, bemerkten wir da. Es fühlte sich aber

Isegrim krank, wie gewöhnlich, vor Hunger. Wann hätt ihn auch jemals

Einer so satt gesehen, daß er zufrieden gewesen?

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