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Sechster Gesang

So gelangte Reineke wieder zur Gnade des Königs.

Und es trat der König hervor auf erhabene Stätte,

Sprach vom Steine herab und hieß die sämtlichen Tiere

Stille schweigen; sie sollten ins Gras nach Stand und Geburt sich

Niederlassen. Und Reineke stand an der Königin Seite;

Aber der König begann mit großem Bedachte zu sprechen:

Schweiget und höret mich an, zusammen Vögel und Tiere,

Arm' und Reiche, höret mich an, ihr Großen und Kleinen,

Meine Baronen und meine Genossen des Hofes und Hauses!

Reineke steht hier in meiner Gewalt; man dachte vor kurzem,

Ihn zu hängen, doch hat er bei Hofe so manches Geheimnis

Dargetan, daß ich ihm glaube und wohlbedächtlich die Huld ihm

Wieder schenke. So hat auch die Königin, meine Gemahlin,

Sehr gebeten für ihn, so daß ich ihm günstig geworden,

Mich ihm völlig versöhnet und Leib und Leben und Güter

Frei ihm gegeben. Es schützt ihn fortan und schirmt ihn mein Friede;

Nun sei allen zusammen bei Leibesleben geboten:

Reineken sollt ihr überall ehren mit Weib und mit Kindern,

Wo sie euch immer bei Tag oder Nacht künftig begegnen.

Ferner hör ich von Reinekens Dingen nicht weitere Klage;

Hat er Übels getan, so ist es vorüber; er wird sich

Bessern und tut es gewiß. Denn morgen wird er beizeiten

Stab und Ränzel ergreifen, als frommer Pilger nach Rom gehn

Und von dannen über das Meer; auch kommt er nicht wieder,

Bis er vollkommenen Ablaß der sündigen Taten erlangt hat.

Hinze wandte sich drauf zu Braun und Isegrim zornig:

Nun ist Mühe und Arbeit verloren! so rief er: o wär ich

Weit von hier! Ist Reineke wieder zu Gnaden gekommen,

Braucht er jegliche Kunst, uns alle drei zu verderben.

Um ein Auge bin ich gebracht, ich fürchte fürs andre!

Guter Rat ist teuer, versetzte der Braune: das seh ich.

Isegrim sagte dagegen: Das Ding ist seltsam! wir wollen

Grad zum Könige gehn. Er trat verdrießlich mit Braunen

Gleich vor König und Königin auf, sie redeten vieles

Wider Reineken, redeten heftig; da sagte der König:

Hörtet Ihrs nicht? Ich hab ihn aufs neue zu Gnaden empfangen.

Zornig sagt' es der König und ließ im Augenblick beide

Fahen, binden und schließen; denn er gedachte der Worte,

Die er von Reineken hatte vernommen, und ihres Verrates.

So veränderte sich in dieser Stunde die Sache

Reinekens völlig. Er machte sich los, und seine Verkläger

Wurden zuschanden; er wußte sogar es tückisch zu lenken,

Daß man dem Bären ein Stück von seinem Felle herabzog,

Fußlang, fußbreit, daß auf die Reise daraus ihm ein Ränzel

Fertig würde; so schien zum Pilger ihm wenig zu fehlen.

Aber die Königin bat er, auch Schuh ihm zu schaffen, und sagte:

Ihr erkennt mich, gnädige Frau, nun einmal für Euren

Pilger; helfet mir nun, daß ich die Reise vollbringe.

Isegrim hat vier tüchtige Schuhe, da wär es wohl billig,

Daß er ein Paar mir davon zu meinem Wege verließe;

Schafft mir sie, gnädige Frau, durch meinen Herren, den König.

Auch entbehrte Frau Gieremund wohl ein Paar von den ihren,

Denn als Hausfrau bleibt sie doch meist in ihrem Gemache.

Diese Forderung fand die Königin billig. Sie können

Jedes wahrlich ein Paar entbehren! sagte sie gnädig.

Reineke dankte darauf und sagte mit freudiger Beugung:

Krieg ich doch nun vier tüchtige Schuhe, da will ich nicht zaudern.

Alles Guten, was ich sofort als Pilger vollbringe,

Werdet Ihr teilhaft gewiß, Ihr und mein gnädiger König.

Auf der Wallfahrt sind wir verpflichtet, für alle zu beten,

Die uns irgend geholfen. Es lohne Gott Euch die Milde!

An den vorderen Füßen verlor Herr Isegrim also

Seine Schuhe bis an die Knorren; desgleichen verschonte

Man Frau Gieremund nicht, sie mußte die hintersten lassen.

So verloren sie beide die Haut und Klauen der Füße,

Lagen erbärmlich mit Braunen zusammen und dachten zu sterben;

Aber der Heuchler hatte die Schuh und das Ränzel gewonnen,

Trat herzu und spottete noch besonders der Wölfin:

Liebe, Gute! sagt' er zu ihr: da sehet, wie zierlich

Eure Schuhe mir stehn, ich hoffe, sie sollen auch dauern.

Manche Mühe gabt Ihr Euch schon zu meinem Verderben,

Aber ich habe mich wieder bemüht; es ist mir gelungen.

Habt Ihr Freude gehabt, so kommt nun endlich die Reihe

Wieder an mich; so pflegt es zu gehn, man weiß sich zu fassen.

Wenn ich nun reise, so kann ich mich täglich der lieben Verwandten

Dankbar erinnern; Ihr habt mir die Schuhe gefällig gegeben,

Und es soll Euch nicht reuen; was ich an Ablaß verdiene,

Teil ich mit Euch, ich hol ihn zu Rom und über dem Meere.

Und Frau Gieremund lag in großen Schmerzen, sie konnte

Fast nicht reden, doch griff sie sich an und sagte mit Seufzen:

Unsre Sünden zu strafen, läßt Gott Euch alles gelingen.

Aber Isegrim lag und schwieg mit Braunen zusammen;

Beide waren elend genug, gebunden, verwundet

Und vom Feinde verspottet. Es fehlte Hinze, der Kater;

Reineke wünschte so sehr, auch ihm das Wasser zu wärmen.

Nun beschäftigte sich der Heuchler am anderen Morgen,

Gleich die Schuhe zu schmieren, die seine Verwandten verloren,

Eilte, dem Könige noch sich vorzustellen, und sagte:

Euer Knecht ist bereit, den heiligen Weg zu betreten;

Eurem Priester werdet Ihr nun in Gnaden befehlen,

Daß er mich segne, damit ich von hinnen mit Zuversicht scheide,

Daß mein Ausgang und Eingang gebenedeit sei! So sprach er.

Und es hatte der König den Widder zu seinem Kaplane;

Alle geistlichen Dinge besorgt er, es braucht ihn der König

Auch zum Schreiber, man nennt ihn Bellyn. Da ließ er ihn rufen,

Sagte: Leset sogleich mir etliche heilige Worte

Über Reineken hier, ihn auf die Reise zu segnen,

Die er vorhat; er gehet nach Rom und über das Wasser.

Hänget das Ränzel ihm um und gebt ihm den Stab in die Hände.

Und es erwiderte drauf Bellyn: Herr König, Ihr habet,

Glaub ich, vernommen, daß Reineke noch vom Banne nicht los ist.

Übels würd ich deswegen von meinem Bischof erdulden,

Der es leichtlich erfährt und mich zu strafen Gewalt hat.

Aber ich tue Reineken selbst nichts Grades noch Krummes.

Könnte man freilich die Sache vermitteln, und sollt es kein Vorwurf

Mir beim Bischof, Herrn Ohnegrund, werden, zürnte nicht etwa

Mir darüber der Propst, Herr Losefund, oder der Dechant

Rapiamus, ich segnet ihn gern nach Eurem Befehle.

Und der König versetzte: Was soll das Reimen und Reden?

Viele Worte laßt Ihr uns hören und wenig dahinter.

Leset Ihr über Reineke mir nicht Grades noch Krummes,

Frag ich den Teufel darnach! Was geht mich der Bischof im Dom an?

Reineke macht die Wallfahrt nach Rom, und wollt Ihr das hindern?

Ängstlich kraute Bellyn sich hinter den Ohren; er scheute

Seines Königes Zorn und fing sogleich aus dem Buch an

Über den Pilger zu lesen, doch dieser achtet' es wenig.

Was es mochte, half es denn auch; das kann man sich denken.

Und nun war der Segen gelesen, da gab man ihm weiter

Ränzel und Stab, der Pilger war fertig; so log er die Wallfahrt.

Falsche Tränen liefen dem Schelmen die Wangen herunter

Und benetzten den Bart, als fühlt' er die schmerzlichste Reue.

Freilich schmerzt' es ihn auch, daß er nicht alle zusammen,

Wie sie waren, ins Unglück gebracht und drei nur geschändet.

Doch er stand und bat, sie möchten alle getreulich

Für ihn beten, so gut sie vermöchten. Er machte nun Anstalt,

Fortzueilen, er fühlte sich schuldig und hatte zu fürchten.

Reineke, sagte der König: Ihr seid mir so eilig! Warum das? -

Wer was Gutes beginnt, soll niemals weilen, versetzte

Reineke drauf: ich bitt Euch um Urlaub, es ist die gerechte

Stunde gekommen, gnädiger Herr, und lasset mich wandern.

Habet Urlaub! sagte der König, und also gebot er

Sämtlichen Herren des Hofes, dem falschen Pilger ein Stückchen

Weges zu folgen und ihn zu begleiten. Es lagen indessen

Braun und Isegrim, beide gefangen, in Jammer und Schmerzen.

Und so hatte denn Reineke wieder die Liebe des Königs

Völlig gewonnen und ging mit großen Ehren von Hofe,

Schien mit Ränzel und Stab nach dem Heiligen Grabe zu wallen,

Hatt er dort gleich so wenig zu tun, als ein Maibaum in Aachen.

Ganz was anders führt' er im Schilde. Nun war ihm gelungen,

Einen flächsenen Bart und eine wächserne Nase

Seinem König zu drehen; es mußten ihm alle Verkläger

Folgen, da er nun ging, und ihn mit Ehren begleiten.

Und er konnte die Tücke nicht lassen und sagte noch scheidend:

Sorget, gnädiger Herr, daß Euch die beiden Verräter

Nicht entgehen, und haltet sie wohl im Kerker gebunden.

Würden sie frei, sie ließen nicht ab mit schändlichen Werken.

Eurem Leben drohet Gefahr, Herr König, bedenkt es!

Und so ging er dahin mit stillen, frommen Gebärden,

Mit einfältigem Wesen, als wüßt ers eben nicht anders.

Drauf erhub sich der König zurück zu seinem Palaste,

Sämtliche Tiere folgten dahin. Nach seinem Befehle

Hatten sie Reineken erst ein Stückchen Weges begleitet;

Und es hatte der Schelm sich ängstlich und traurig gebärdet,

Daß er manchen gutmütigen Mann zum Mitleid bewegte.

Lampe, der Hase, besonders war sehr bekümmert. Wir sollen,

Lieber Lampe, sagte der Schelm: und sollen wir scheiden?

Möcht es Euch und Bellyn, dem Widder, heute belieben,

Meine Straße mit mir noch ferner zu wandeln! Ihr würdet

Mir durch eure Gesellschaft die größte Wohltat erzeigen.

Ihr seid angenehme Begleiter und redliche Leute,

Jedermann redet nur Gutes von euch, das brächte mir Ehre;

Geistlich seid ihr und heiliger Sitte. Ihr lebet gerade,

Wie ich als Klausner gelebt. Ihr laßt euch mit Kräutern begnügen,

Pfleget mit Laub und Gras den Hunger zu stillen, und fraget

Nie nach Brot oder Fleisch, noch andrer besonderer Speise.

Also konnt er mit Lob der beiden Schwäche betören;

Beide gingen mit ihm zu seiner Wohnung und sahen

Malepartus, die Burg, und Reineke sagte zum Widder:

Bleibet hieraußen, Bellyn, und laßt die Gräser und Kräuter

Nach Belieben Euch schmecken; es bringen diese Gebirge

Manche Gewächse hervor, gesund und guten Geschmackes.

Lampen nehm ich mit mir; doch bittet ihn, daß er mein Weib mir

Trösten möge, die schon sich betrübt; und wird sie vernehmen,

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