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Dritter Gesang

Nun war Hinze, der Kater, ein Stückchen Weges gegangen;

Einen Martins-Vogel erblickt' er von weitem, da rief er:

Edler Vogel! Glück auf. o wende die Flügel und fliege

Her zu meiner Rechten! Es flog der Vogel und setzte

Sich zur Linken des Katers, auf einem Baume zu singen.

Hinze betrübte sich sehr, er glaubte sein Unglück zu hören,

Doch er machte nun selber sich Mut, wie mehrere pflegen.

Immer wandert' er fort nach Malepartus, da fand er

Vor dem Hause Reineken sitzen, er grüßt' ihn und sagte:

Gott, der reiche, der gute, bescher Euch glücklichen Abend!

Euer Leben bedrohet der König, wofern Ihr Euch weigert,

Mit nach Hofe zu kommen; und ferner läßt er Euch sagen:

Stehet den Klägern zu Recht, sonst werdens die Eurigen büßen.

Reineke sprach: Willkommen dahier, geliebtester Neffe!

Möget Ihr Segen von Gott nach meinem Wunsche genießen.

Aber er dachte nicht so in seinem verrätrischen Herzen;

Neue Tücke sann er sich aus, er wollte den Boten

Wieder geschändet nach Hofe senden. Er nannte den Kater

Immer seinen Neffen und sagte: Neffe, was setzt man

Euch für Speise nur vor? Man schläft gesättiget besser;

Einmal bin ich der Wirt, wir gingen dann morgen am Tage

Beide nach Hofe: so dünkt es mich gut. Von meinen Verwandten

Ist mir keiner bekannt, auf den ich mich lieber verließe.

Denn der gefräßige Bär war trotzig zu mir gekommen.

Er ist grimmig und stark, daß ich um vieles nicht hätte

Ihm zur Seite die Reise gewagt. Nun aber versteht sichs,

Gerne geh ich mit Euch. Wir machen uns frühe des Morgens

Auf den Weg: so scheinet es mir das beste geraten.

Hinze versetzte darauf. Es wäre besser, wir machten

Gleich uns fort nach Hofe, so wie wir gehen und stehen.

Auf der Heide scheinet der Mond, die Wege sind trocken.

Reineke sprach: Ich finde bei Nacht das Reisen gefährlich,

Mancher grüßet uns freundlich bei Tage, doch käm er im Finstern

Uns in den Weg, es möchte wohl kaum zum besten geraten.

Aber Hinze versetzte: So laßt mich wissen, mein Neffe,

Bleib ich hier, was sollen wir essen? Und Reineke sagte:

Ärmlich behelfen wir uns; doch wenn Ihr bleibet, so bring ich

Frische Honigscheiben hervor, ich wähle die klärsten.

Niemals eß ich dergleichen, versetzte murrend der Kater:

Fehlet Euch alles im Hause, so gebt eine Maus her! Mit dieser

Bin ich am besten versorgt, und sparet das Honig für andre.

Eßt Ihr Mäuse so gern? sprach Reineke: redet mir ernstlich;

Damit kann ich Euch dienen. Es hat mein Nachbar, der Pfaffe,

Eine Scheun im Hofe, darin sind Mäuse, man führe

Sie auf keinem Wagen hinweg: ich höre den Pfaffen

Klagen, daß sie bei Nacht und Tag ihm lästiger werden.

Unbedächtig sagte der Kater: Tut mir die Liebe,

Bringet mich hin zu den Mäusen! denn über Wildbret und alles

Lob ich mir Mäuse, die schmecken am besten. Und Reineke sagte:

Nun wahrhaftig, Ihr sollt mir ein herrliches Gastmahl genießen.

Da mir bekannt ist, womit ich Euch diene, so laßt uns nicht zaudern.

Hinze glaubt' ihm und folgte; sie kamen zur Scheune des Pfaffen,

Zu der lehmernen Wand. Die hatte Reineke gestern

Klug durchgraben und hatte durchs Loch dem schlafenden Pfaffen

Seiner Hähne den besten entwendet. Das wollte Martinchen

Rächen, des geistlichen Herrn geliebtes Söhnchen; er knüpfte

Klug vor die Öffnung den Strick mit einer Schlinge; so hofft' er

Seinen Hahn zu rächen am wiederkehrenden Diebe.

Reineke wußt und merkte sich das und sagte: Geliebter

Neffe, kriechet hinein gerade zur Öffnung; ich halte

Wache davor, indessen Ihr mauset; Ihr werdet zu Haufen

Sie im Dunkeln erhaschen. O höret, wie munter sie pfeifen!

Seid Ihr satt, so kommt nur zurück, Ihr findet mich wieder.

Trennen dürfen wir nicht uns diesen Abend, denn morgen

Gehen wir früh und kürzen den Weg mit muntern Gesprächen.

Glaubt Ihr, sagte der Kater, es sei hier sicher zu kriechen?

Denn es haben mitunter die Pfaffen auch Böses im Sinne.

Da versetzte der Fuchs, der Schelm: Wer konnte das wissen!

Seid Ihr so blöde? Wir gehen zurück: es soll Euch mein Weibchen

Gut und mit Ehren empfangen, ein schmackhaft Essen bereiten;

Wenn es auch Mäuse nicht sind, so laßt es uns fröhlich verzehren.

Aber Hinze, der Kater, sprang in die Öffnung, er schämte

Sich vor Reinekens spottenden Worten, und fiel in die Schlinge.

Also empfanden Reinekens Gäste die böse Bewirtung.

Da nun Hinze den Strick an seinem Halse verspürte,

Fuhr er ängstlich zusammen und übereilte sich furchtsam,

Denn er sprang mit Gewalt: da zog der Strick sich zusammen.

Kläglich rief er Reineken zu, der außer dem Loche

Horchte, sich hämisch erfreute und so zur Öffnung hineinsprach:

Hinze, wie schmecken die Mäuse? Ihr findet sie, glaub ich, gemästet.

Wüßte Martinchen doch nur, daß Ihr sein Wildbret verzehret;

Sicher brächt er Euch Senf: er ist ein höflicher Knabe.

Singet man so bei Hofe zum Essen? Es klingt mir bedenklich.

Wüßt ich Isegrim nur in diesem Loche, so wie ich

Euch zu Falle gebracht, er sollte mir alles bezahlen,

Was er mir Übels getan! Und so ging Reineke weiter.

Aber er ging nicht allein, um Diebereien zu üben;

Ehbruch, Rauben und Mord und Verrat, er hielt es nicht sündlich.

Und er hatte sich eben was ausgesonnen. Die schöne

Gieremund wollt er besuchen, in doppelter Absicht: fürs erste

Hofft er von ihr zu erfahren, was eigentlich Isegrim klagte;

Zweitens wollte der Schalk die alten Sünden erneuern.

Isegrim war nach Hofe gegangen, das wollt er benutzen.

Denn wer zweifelt daran, es hatte die Neigung der Wölfin

Zu dem schändlichen Fuchse den Zorn des Wolfes entzündet.

Reineke trat in die Wohnung der Frauen und fand sie nicht heimisch.

Grüß euch Gott! Stiefkinderchen! sagt' er, nicht mehr und nicht minder,

Nickte freundlich den Kleinen und eilte nach seinem Gewerbe.

Als Frau Gieremund kam des Morgens, wie es nur tagte,

Sprach sie: Ist niemand kommen, nach mir zu fragen? Soeben

Geht Herr Pate Reineke fort, er wünscht' Euch zu sprechen.

Alle, wie wir hier sind, hat er Stiefkinder geheißen.

Da rief Gieremund aus: Er soll es bezahlen! und eilte,

Diesen Frevel zu rächen zur selben Stunde. Sie wußte,

Wo er pflegte zu gehn; sie erreicht' ihn, zornig begann sie:

Was für Worte sind das? und was für schimpfliche Reden

Habt Ihr ohne Gewissen vor meinen Kindern gesprochen?

Büßen sollt Ihr dafür! So sprach sie zornig und zeigt' ihm

Ein ergrimmtes Gesicht; sie faßt' ihn am Barte, da fühlt' er

Ihrer Zähne Gewalt und lief und wollt ihr entweichen;

Sie behend strich hinter ihm drein. Da gab es Geschichten -

Ein verfallenes Schloß war in der Nähe gelegen,

Hastig liefen die beiden hinein; es hatte sich aber

Altershalben die Mauer in einem Turme gespalten.

Reineke schlupfte hindurch; allein er mußte sich zwängen,

Denn die Spalte war eng; und eilig steckte die Wölfin,

Groß und stark, wie sie war, den Kopf in die Spalte; sie drängte,

Schob und brach und zog und wollte folgen, und immer

Klemmte sie tiefer sich ein und konnte nicht vorwärts noch rückwärts.

Da das Reineke sah, lief er zur anderen Seite

Krummen Weges herein und kam und macht' ihr zu schaffen.

Aber sie ließ es an Worten nicht fehlen, sie schalt ihn: Du handelst

Als ein Schelm! ein Dieb! Und Reineke sagte dagegen:

Ist es noch niemals geschehn, so mag es jetzo geschehen.

Wenig Ehre verschafft es, sein Weib mit andern zu sparen,

Wie nun Reineke tat. Gleichviel war alles dem Bösen.

Da nun endlich die Wölfin sich aus der Spalte gerettet,

War schon Reineke weg und seine Straße gegangen.

Und so dachte die Frau, sich selber Recht zu verschaffen,

Ihrer Ehre zu wahren, und doppelt war sie verloren.

Lasset uns aber zurück nach Hinzen sehen. Der Arme,

Da er gefangen sich fühlte, beklagte nach Weise der Kater

Sich erbärmlich: das hörte Martinchen und sprang aus dem Bette.

Gott sei Dank! Ich habe den Strick zur glücklichen Stunde

Vor die Öffnung geknüpft; der Dieb ist gefangen! Ich denke,

Wohl bezahlen soll er den Hahn! So jauchzte Martinchen.

Zündete hurtig ein Licht an (im Hause schliefen die Leute),

Weckte Vater und Mutter darauf und alles Gesinde,

Rief: Der Fuchs ist gefangen! wir wollen ihm dienen. Sie kamen

Alle, groß und klein, ja selbst der Pater erhub sich,

Warf ein Mäntelchen um; es lief mit doppelten Lichtern

Seine Köchin voran, und eilig hatte Martinchen

Einen Knüttel gefaßt und machte sich über den Kater,

Traf ihm Haut und Haupt und schlug ihm grimmig ein Aug aus.

Alle schlugen auf ihn; es kam mit zackiger Gabel

Hastig der Pater herbei und glaubte den Räuber zu fällen.

Hinze dachte zu sterben; da sprang er wütend entschlossen

Zwischen die Schenkel des Pfaffen und biß und kratzte gefährlich,

Schändete grimmig den Mann und rächte grausam das Auge.

Schreiend stürzte der Pater und fiel ohnmächtig zur Erden.

Unbedachtsam schimpfte die Köchin: es habe der Teufel

Ihr zum Possen das Spiel selbst angerichtet. Und doppelt,

Dreifach schwur sie: wie gern verlöre sie, wäre das Unglück

Nicht dem Herren begegnet, ihr bißchen Habe zusammen.

Ja, sie schwur: ein Schatz von Golde, wenn sie ihn hätte,

Sollte sie wahrlich nicht reuen, sie wollt ihn missen. So jammert'

Sie die Schande des Herrn und seine schwere Verwundung.

Endlich brachten sie ihn mit vielen Klagen zu Bette,

Ließen Hinzen am Strick und hatten seiner vergessen.

Als nun Hinze, der Kater, in seiner Not sich allein sah,

Schmerzlich geschlagen und übel verwundet, so nahe dem Tode,

Faßt' er aus Liebe zum Leben den Strick und nagt' ihn behende.

Sollt ich mich etwa erlösen vom großen Übel? so dacht er.

Und es gelang ihm, der Strick zerriß. Wie fand er sich glücklich!

Eilte, dem Ort zu entfliehn, wo er so vieles erduldet;

Hastig sprang er zum Loche heraus und eilte die Straße

Nach des Königes Hof, den er des Morgens erreichte.

Ärgerlich schalt er sich selbst: So mußte dennoch der Teufel

Dich durch Reinekens List, des bösen Verräters, bezwingen!

Kommst du doch mit Schande zurück, am Auge geblendet

Und mit Schlägen schmerzlich beladen, wie mußt du dich schämen!

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