Aber des Königes Zorn entbrannte heftig, er dräute
Dem Verräter den Tod ohn alle Gnade. Da ließ er
Seine Räte versammeln; es kamen seine Baronen,
Seine Weisen zu ihm, er fragte: wie man den Frevler
Endlich brächte zu Recht, der schon so vieles verschuldet?
Als nun viele Beschwerden sich über Reineken häuften,
Redete Grimbart, der Dachs: Es mögen in diesem Gerichte
Viele Herren auch sein, die Reineken Übels gedenken,
Doch wird niemand die Rechte des freien Mannes verletzen.
Nun zum drittenmal muß man ihn fordern. Ist dieses geschehen,
Kommt er dann nicht, so möge das Recht ihn schuldig erkennen.
Da versetzte der König: Ich fürchte, keiner von allen
Ginge, dem tückischen Manne die dritte Ladung zu bringen.
Wer hat ein Auge zu viel? wer mag verwegen genug sein,
Leib und Leben zu wagen um diesen bösen Verräter?
Seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen und dennoch am Ende
Reineken nicht zu stellen? Ich denke, niemand versucht es.
Überlaut versetzte der Dachs: Herr König, begehret
Ihr es von mir, so will ich sogleich die Botschaft verrichten,
Sei es, wie es auch sei. Wollt Ihr mich öffentlich senden,
Oder geh ich, als käm ich von selber? Ihr dürft nur befehlen.
Da beschied ihn der König: So geht dann! Alle die Klagen
Habt Ihr sämtlich gehört, und geht nur weislich zu Werke
Denn es ist ein gefährlicher Mann. Und Grimbart versetzte:
Einmal muß ich es wagen und hoff ihn dennoch zu bringen.
So betrat er den Weg nach Malepartus, der Feste;
Reineken fand er daselbst mit Weib und Kindern und sagte:
Oheim Reineke, seid mir gegrüßt! Ihr seid ein gelehrter,
Weiser, kluger Mann, wir müssen uns alle verwundern,
Wie Ihr des Königs Ladung verachtet, ich sage, verspottet,
Deucht Euch nicht, es wäre nun Zeit? Es mehren sich immer
Klagen und böse Gerüchte von allen Seiten. Ich rat Euch,
Kommt nach Hofe mit mir, es hilft kein längeres Zaudern.
Viele, viele Beschwerden sind vor den König gekommen,
Heute werdet Ihr nun zum dritten Male geladen;
Stellt Ihr Euch nicht, so seid Ihr verurteilt. Dann führet der König
Seine Vasallen hieher, Euch einzuschließen, in dieser
Feste Malepartus Euch zu belagern; so gehet
Ihr mit Weib und Kindern und Gut und Leben zugrunde.
Ihr entfliehet dem Könige nicht; drum ist es am besten,
Kommt nach Hofe mit mir! Es wird an listiger Wendung
Euch nicht fehlen, Ihr habt sie bereit und werdet Euch retten;
Denn Ihr habt ja wohl oft, auch an gerichtlichen Tagen,
Abenteuer bestanden, weit größer als dieses, und immer
Kamt Ihr glücklich davon und Eure Gegner in Schande.
Grimbart hatte gesprochen, und Reineke sagte dagegen:
Oheim, Ihr ratet mir wohl, daß ich zu Hofe mich stelle,
Meines Rechtes selber zu wahren. Ich hoffe, der König
Wird mir Gnade gewähren; er weiß, wie sehr ich ihm nütze;
Aber er weiß auch, wie sehr ich deshalb den andern verhaßt bin.
Ohne mich kann der Hof nicht bestehn. Und hätt ich noch zehnmal
Mehr verbrochen, so weiß ich es schon: sobald mirs gelinget,
Ihm in die Augen zu sehen und ihn zu sprechen, so fühlt er
Seinen Zorn im Busen bezwungen. Denn freilich begleiten
Viele den König und kommen in seinem Rate zu sitzen;
Aber es geht ihm niemal zu Herzen; sie finden zusammen
Weder Rat noch Sinn. Doch bleibet an jeglichem Hofe,
Wo ich immer auch sei, der Ratschluß meinem Verstande.
Denn versammeln sich König und Herren, in kitzlichen Sachen
Klugen Rat zu ersinnen, so muß ihn Reineken finden.
Das mißgönnen mir viele. Die hab ich leider zu fürchten,
Denn sie haben den Tod mir geschworen, und grade die Schlimmsten
Sind am Hofe versammelt, das macht mich eben bekümmert.
Über zehen und Mächtige sinds, wie kann ich alleine
Vielen widerstehn? Drum hab ich immer gezaudert.
Gleichwohl find ich es besser, mit Euch nach Hofe zu wandeln,
Meine Sache zu wahren; das soll mehr Ehre mir bringen,
Als durch Zaudern mein Weib und meine Kinder in Ängsten
Und Gefahren zu stürzen; wir wären alle verloren.
Denn der König ist mir zu mächtig, und was es auch wäre,
Müßt ich tun, sobald ers befiehlt. Wir können versuchen,
Gute Verträge vielleicht mit unsern Feinden zu schließen.
Reineke sagte darnach: Frau Ermelyn, nehmet der Kinder
(Ich empfehl es Euch) wahr, vor allen andern des jüngsten,
Reinharts; es stehn ihm die Zähne so artig ums Mäulchen, ich hoff, er
Wird der leibhaftige Vater; und hier ist Rossel, das Schelmchen,
Der mir ebenso lieb ist. O! tut den Kindern zusammen
Etwas zu gut, indes ich weg bin! Ich wills Euch gedenken,
Kehr ich glücklich zurück und Ihr gehorchet den Worten.
Also schied er von dannen mit Grimbart, seinem Begleiter,
Ließ Frau Ermelyn dort mit beiden Söhnen und eilte;
Unberaten ließ er sein Haus; das schmerzte die Füchsin.
Beide waren noch nicht ein Stündchen Weges gegangen,
Als zu Grimbart Reineke sprach: Mein teuerster Oheim,
Wertester Freund, ich muß Euch gestehn, ich bebe vor Sorgen.
Ich entschlage mich nicht des ängstlichen, bangen Gedankens,
Daß ich wirklich dem Tod entgegensehe. Da seh ich
Meine Sünden vor mir, so viel ich deren begangen.
Ach! Ihr glaubet mir nicht die Unruh, die ich empfinde.
Laßt mich beichten! höret mich an! kein anderer Pater
Ist in der Nähe zu finden; und hab ich alles vom Herzen,
Werd ich nicht schlimmer darum vor meinem Könige stehen.
Grimbart sagte: Verredet zuerst das Rauben und Stehlen,
Allen bösen Verrat und andre gewöhnliche Tücken,
Sonst kann Euch die Beichte nicht helfen. Ich weiß es, versetzte
Reineke: darum laßt mich beginnen und höret bedächtig.
Confiteor tibi Pater et Mater , daß ich der Otter,
Daß ich dem Kater und manchen gar manche Tücke versetzte,
Ich bekenn es und lasse mir gern die Buße gefallen.
Redet Deutsch, versetzte der Dachs, damit ichs verstehe.
Reineke sagte: Ich habe mich freilich, wie sollt ich es leugnen!
Gegen alle Tiere, die jetzo leben, versündigt.
Meinen Oheim, den Bären, den hielt ich im Baume gefangen;
Blutig ward ihm sein Haupt, und viele Prügel ertrug er.
Hinzen führt ich nach Mäusen; allein am Stricke gehalten
Mußt er vieles erdulden und hat sein Auge verloren.
Und so klaget auch Henning mit Recht, ich raubt ihm die Kinder,
Groß und kleine, wie ich sie fand, und ließ sie mir schmecken.
Selbst verschont ich des Königes nicht, und mancherlei Tücken
Übt ich kühnlich an ihm und an der Königin selber;
Spät verwindet sies nur. Und weiter muß ich bekennen:
Isegrim hab ich, den Wolf, mit allem Fleiße geschändet;
Alles zu sagen, fänd ich nicht Zeit. So hab ich ihn immer
Scherzend Oheim genannt, und wir sind keine Verwandte.
Einmal, es werden nun bald sechs Jahre, kam er nach Elkmar
Zu mir ins Kloster, ich wohnte daselbst, und bat mich um Beistand,
Weil er eben ein Mönch zu werden gedächte. Das, meint' er,
Wär ein Handwerk für ihn, und zog die Glocke. Das Läuten
Freut' ihn so sehr! Ich band ihm darauf die vorderen Füße
Mit dem Seile zusammen, er war es zufrieden und stand so,
Zog und erlustigte sich und schien das Läuten zu lernen.
Doch es sollt ihm die Kunst zu schlechter Ehre gedeihen,
Denn er läutete zu wie toll und törig. Die Leute
Liefen eilig bestürzt aus allen Straßen zusammen,
Denn sie glaubten, es sei ein großes Unglück begegnet;
Kamen und fanden ihn da, und eh er sich eben erklärte,
Daß er den geistlichen Stand ergreifen wolle, so war er
Von der dringenden Menge beinah zu Tode geschlagen.
Dennoch beharrte der Tor auf seinem Vorsatz und bat mich,
Daß ich ihm sollte mit Ehren zu einer Platte verhelfen;
Und ich ließ ihm das Haar auf seinem Scheitel versengen,
Daß die Schwarte davon zusammenschrumpfte. So hab ich
Oft ihm Prügel und Stöße mit vieler Schande bereitet.
Fische lehrt ich ihn fangen, sie sind ihm übel bekommen.
Einmal folgt' er mir auch im Jülicher Lande, wir schlichen
Zu der Wohnung des Pfaffen, des reichsten in dortiger Gegend.
Einen Speicher hatte der Mann mit köstlichen Schinken,
Lange Seiten des zartesten Specks verwahrt' er daneben,
Und ein frisch gesalzenes Fleisch befand sich im Troge.
Durch die steinerne Mauer gelang es Isegrim endlich,
Eine Spalte zu kratzen, die ihn gemächlich hindurchließ,
Und ich trieb ihn dazu, es trieb ihn seine Begierde.
Aber da konnt er sich nicht im Überflusse bezwingen,
Übermäßig füllt' er sich an; da hemmte gewaltig
Den geschwollenen Leib und seine Rückkehr die Spalte.
Ach, wie klagt' er sie an, die ungetreue, sie ließ ihn
Hungrig hinein und wollte dem Satten die Rückkehr verwehren.
Und ich machte darauf ein großes Lärmen im Dorfe,
Daß ich die Menschen erregte, die Spuren des Wolfes zu finden.
Denn ich lief in die Wohnung des Pfaffen und traf ihn beim Essen,
Und ein fetter Kapaun ward eben vor ihn getragen,
Wohlgebraten; ich schnappte darnach und trug ihn von dannen.
Hastig wollte der Pfaffe mir nach und lärmte, da stieß er
Über den Haufen den Tisch mit Speisen und allem Getränke.
Schlaget, werfet, fanget und stechet! so rief der ergrimmte
Pater und fiel und kühlte den Zorn (er hatte die Pfütze
Nicht gesehen) und lag. Und alle kamen und schrien:
Schlagt! ich rannte davon und hinter mir alle zusammen,
Die mir das Schlimmste gedachten. Am meisten lärmte der Pfaffe:
Welch ein verwegener Dieb! Er nahm das Huhn mir vom Tische!
Und so lief ich voraus, bis zu dem Speicher, da ließ ich
Wider Willen das Huhn zur Erde fallen, es ward mir
Endlich leider zu schwer; und so verlor mich die Menge.
Aber sie fanden das Huhn, und da der Pater es aufhub,
Ward er des Wolfes im Speicher gewahr, es sah ihn der Haufen.
Allen rief der Pater nun zu: Hierher nur! und trefft ihn!
Uns ist ein anderer Dieb, ein Wolf, in die Hände gefallen,
Käm er davon, wir wären beschimpft; es lachte wahrhaftig
Alles auf unsere Kosten im ganzen Jülicher Lande.
Was er nur konnte, dachte der Wolf. Da regnet' es Schläge
Hierher und dorther ihm über den Leib und schmerzliche Wunden.
Alle schrien, so laut sie konnten; die übrigen Bauern
Liefen zusammen und streckten für tot ihn zur Erde darnieder.
Größeres Weh geschah ihm noch nie, solang er auch lebte.