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Dann hörte er sich ruhig fragen:»Also, Mr. Quantock?«Quantock starrte ihn durch die Gischtfetzen böse an.»Aye, aye, Sir.»

Damit griff er nach seinem Sprachrohr und stapfte davon.

Keen packte den glatten Handlauf. Wie viele Kommandanten vor ihm hatten hier schon so gestanden? In Sturm oder Flaute, vor einem Hafen oder einem Gefecht, und hatten versucht, sich ihre Ängste nicht anmerken zu lassen?

Würde er der letzte sein? Er horchte auf das Klicken des Ankerspills, den Knall der Peitsche, mit der ein Bootsmannsgehilfe einen Saumseligen zu größerer Anstrengung trieb. Von ihrer Kraft und Entschlossenheit hing es ab, ob das schwere Schiff gegen Wind und See bestehen konnte.

Ein letztes Mal blickte er zu den Rahen auf, wo die Toppgasten in den Fußpferden standen, jederzeit bereit, die knatternden Segel herabrauschen und sich entfalten zu lassen.

Weit und breit kein Licht. Und keine Spur mehr von der brennenden Schwimmsperre. Vielleicht war Allday nicht durchgekommen. Aber wenn dem so war, dann lebte er jetzt bestimmt nicht mehr. Noch ein Bild sah Keen vor sich: er selbst, damals ein kleiner Seekadett, schreiend und keuchend vor Schmerzen, mit einem messerscharfen Holzsplitter im Leib, der ihn wie ein Speer durchbohrte. Und Allday, der ihn überraschend sanft unter Deck trug und den Splitter selbst aus dem Fleisch schnitt, weil der Schiffsarzt zu betrunken war, um verläßlich seine Arbeit zu tun.

«Anker ist frei!«Nur halb drang der Ruf zum Achterschiff, aber schon legte sich Achates so scharf über, daß die See wie Brandung über Seitendeck und Schanzkleid brach.»Setzt die Bramsegel!»

Die Rudergänger rutschten aus und fielen auf die Planken, umklammerten aber eisern das mächtige Doppelrad, als der Wind das Schiff wie ein Spielzeug herumwarf; die losen Bramsegel knallten und schlugen an ihren Rahen, und das Crescendo der Sturmböen in der Takelage übertönte das Geschrei der um ihr Leben kämpfenden Crew.

Keen kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, als Spritzwasser durch die Webeleinen schoß und ihn von Kopf bis Fuß durchnäßte. Das Wasser fühlte, sich warm an, als heiße es seine Beute schon willkommen.

Sparrowhawks überlebender Midshipman, der kleine Evans, klammerte sich verzweifelt an ein Want, als ihm die Füße weggerissen wurden. Ein dunkles Bündel fiel aus der Besantakelage, schlug mit einem ekelerregend dumpfen Krachen aufs Schanzkleid und von da in die See: ein Toppgast, den das plötzlich steif kommende Segel von seinem unsicheren Stand gerissen haben mußte. Dem Mann blieb nicht einmal Zeit für seinen letzten Schrei.

Im Getöse von Wind und See klang Gebrüll auf und verebbte wieder — wie ein Chor verdammter Seelen.

«Noch ein paar Hände an die Luvbrassen dort!»

«Mr. Rooke, lassen Sie zwei Leute aufentern!»

«Bringt den Mann da ins Lazarett!»

«Wahrschau — die Gig reißt sich los!»

Und plötzlich der heisere Ruf des Masters:»Ruder im Schiff, Sir!»

Keen fuhr herum und starrte ihn an, das Gesicht entstellt durch ein irres Grinsen, denn der Winddruck verzerrte seine Lippen. Aber das Schiff gehorchte wieder dem Ruder! Mit vierkant gebraßter Großrah und zum Platzen steifen Segeln, so stark überliegend, daß Wasserstrahlen durch die geschlossenen Lee-Stückpforten gepreßt wurden, fiel Achates ab und begann, dem Sturm das Heck zu zeigen.

Gebrochene Leinen wehten vor ihr her wie Lianen; von oben hörte Keen das schrille Glissando reißender Leinwand, aber er wußte, daß die Fäuste der Toppgasten den Schaden in Grenzen halten würden.

«Nordost zu Nord!«Die Stimme klang atemlos. Und gleich darauf:»Nord zu Ost!»

Keen umklammerte den Handlauf, daß ihn die Fäuste schmerzten. Achates gab wirklich ihr Bestes. Aber mit jeder Sekunde, die der Sturm sie weiter auf den dunklen Schatten des Landes zutrieb, wurden ihre Chancen geringer.

Wieder das Knirschen der Rahen, deren Brassen von halbnackten Männern geholt wurden, die sich vor Anstrengung schräg gegen das Deck stemmten. Und über allen Quantocks fordernde, drohende, rauhe Stimme.

Der Rumpf schien einen Satz nach vorn zu machen, schräg abwärts, bis eine massive Wasserwand hoch über dem Vorsteven emporwuchs und auf das Vorschiff niederkrachte. Wie Stoffpuppen wurden Männer nach achtern gewaschen. Keen schien es ein Wunder, daß sich keine der vorderen Kanonen losriß. Er kannte die Gefahr mir zu gut: wie von blinder Angriffswut beseelt, konnten diese gußeisernen Monster, hatten sie sich erst aus ihren Laschings befreit, kreuz und quer durch die Decks krachen und alles zermalmen, was ihnen in den Weg kam.

Mit kaltem Grauen zählte er die Sekunden, bis der Bugspriet sich langsam zu heben begann und tosende Wasserkaskaden abschüttelte. Der Klüverbaum zeigte wieder aufs Land, auf das unerbittlich drohende Land.

Wie zur Bestätigung hörte er Knockers Schrei:»Nordwest liegt an,

Sir!»

Und immer noch kein Lichtsignal. Sie würden auch vergeblich darauf hoffen, dachte Keen.

Eigentlich hätte er verzweifelt sein müssen. Er hatte sich geirrt, und Quantock hatte recht behalten. Nun war das Schiff verloren und mit ihm jeder Mann an Bord, und diese rebellische Insel konnte weiterhin der Krone trotzen, als hätte es Achates nie gegeben.

Aber trotz allem war er seltsam erleichtert. Er hatte es wenigstens versucht, und Bolitho würde davon hören. Andere Schiffe würden kommen und sie rächen, ob nun britische oder französische, das spielte keine Rolle.

Plötzlich Leutnant Foords gellende Stimme:»Das Signal! O Gott, da ist das Signal!«Er schluchzte fast, so erleichtert war er.

Scharf befahl Keen:»Reißen Sie sich zusammen, Mann! Mr. Knok-ker: einen Strich nach Steuerbord!»

Bewußt versuchte er, seine verkrampften Glieder zu entspannen, während er nach dem Feuer ausspähte, dessen sprühendes Licht von den jagenden Wolken reflektierte. Wieder hievten die Deckshände an den Brassen, Keen hörte das Vorbramsegel sich knallend mit Wind füllen und wußte jetzt, daß vorhin das Großbramsegel zerfetzt worden war.

Aber da war ihr Richtfeuer, ohne jeden Zweifel. Allday hatte das Unmögliche geschafft.»Nordwest zu Nord, Sir.«»Recht so!»

Das Schiff schien jetzt mit einem höllischen Tempo durchs Wasser zu preschen.»Lotgasten in die Ketten!«befahl Keen. Täuschte er sich, oder hatte im rauhen Ruf des Masters mehr gelegen als Überraschung und Erleichterung? Vielleicht auch ein respektvolles Staunen?

Keen stieß sich ab und ging zur anderen Seite hinüber, um die weiß schäumende Brandung im Auge zu behalten. Die Brecher schienen nicht weiter als eine Bootshakenlänge vom Rumpf entfernt.

Er hörte den ersten Lotgasten aussingen, aber seine Tiefenangabe verstand er nicht.

Dicht neben dem Rumpf konnte er plötzlich festes Land ausmachen, in Gischt gehüllt, und spürte das Deck unter seinen Füßen erbeben, als der Kiel mit knapper Not über eine gefährliche Sandbarre rutschte.

Knocker gab neue Ruderkommandos, seine Stimme hallte plötzlich laut von der Landzunge wider, auf deren Höhe die Pontons den Hafen gesperrt hatten.

Sie hörten Gefechtslärm: Gewehrfeuer und dazwischen vereinzelt das Krachen von Kanonen. Aber das klang alles so fern und unwirklich, als hätte es nichts mit dem anstürmenden Zweidecker und seiner Besatzung zu tun.

Warnschreie vom Vorschiff — und dann hielt Keen scharf den Atem an, als ein heftiger Ruck durch das Schiff ging. Dunkel und verschwommen sah er ein kleineres Fahrzeug am Rumpf der Achates entlang gleiten und achteraus verschwinden: ein Boot, das sie von seiner Boje gerissen hatten und das nun langsam kenterte.

Immer noch brannte das Richtfeuer lichterloh, und jetzt konnte Keen seinen Widerschein auf einem helleren Fleck erkennen, der dichtbei lag: Alldays Barkasse. Er riß einem Midshipman das Teleskop aus der Hand und richtete es nach Backbord voraus.

Im Schein ihres Feuers standen die Bootsgasten in der Barkasse und schwenkten jubelnd die geteerten Hüte, als das Schiff sich näherte. Achates mußte einen gespenstischen Anblick bieten, dachte Keen: oben feurig leuchtende Segel und darunter ein Rumpf, der mit dem dunklen Wasser verschmolz.

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