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Das Boot stank wirklich. Aber es war ja auch mit leicht brennbarem Material vollgestopft: alter Leinwand, in Fett und Teer getränktem Tauwerk, dazu Öl und diverse Zutaten aus dem Vorrat des Sprengmeisters. Ein Funke genügte, und das Boot mußte explodieren wie eine Granate.

Sobald sie erst die Wachen auf der Schwimmsperre überwältigt und ihre Murings gekappt hatten, würde Alldays Barkasse, gefolgt von zwei Kuttern mit Seesoldaten, den Angriff weitertragen. Bolitho war aufgefallen, daß die ursprüngliche Crew der Yawl, genau wie die Wachmannschaft im Fort, überwiegend aus Farbigen bestand, afrikanischen Sklaven, Mischlingen oder Abkömmlingen der eingeborenen Inselbevölkerung.

Kaum anzunehmen, daß die Offiziere wie Masters die Quartiere des Forts mit ihnen teilten. Sie bewohnten wahrscheinlich bequeme Häuser in der Stadt und würden nach dem Alarm einige Zeit brauchen, ehe sie zu ihren Leuten stießen. Bolitho schauderte es trotz der drückenden Schwüle. Es sei denn, Rivers hatte seine List durchschaut, jede Kanone laden und richten lassen und wartete jetzt nur auf das erste verräterische Zeichen eines bevorstehenden Überfalls.

«Legen Sie ab, Mr. Mountsteven«, sagte er.»Und fahren Sie eine Laterne im Bug, wie besprochen. «Dann sah er Masters an.»Sie wissen, was Sie zu tun haben. Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist und Sie Ihre Familie wiedersehen wollen, dann machen Sie keine Dummheiten. «Christy ließ sein Entermesser in der Scheide klappern — eine wortlose Drohung.

Als die Festmacher losgeworfen waren und die Segel sich wie fahle Riesenflügel über der Yawl entfalteten, blieb die schützende Silhouette von Achates rasch hinter ihnen zurück.

Rivers' Wache auf der Sperre mochte zwar auf der Hut sein, hatte aber keinen Anlaß, mit einem so ungestümen Angriff zu rechnen. Trotzdem sah Bolitho plötzlich im Geist ein schreckliches Bild: Achates, wie sie in der Morgendämmerung an der Hafeneinfahrt strandete und von den schweren Kalibern der Festung zum Wrack geschossen wurde.

Jemand flüsterte:»Land voraus, Sir!»

Ein Gemurmel lief durch die mit Seeleuten vollgestopfte Kajüte, die unter Deck geduckt auf den Angriff warteten. Stahl kratzte auf Stahl, Fäuste tasteten in der Finsternis nach Pistolen und Musketen, um sich zu vergewissern, daß die Waffen trocken und einsatzbereit waren. Jetzt brauchte es nur eine leichtsinnige Bewegung, einen unabsichtlich ausgelösten Schuß — und sie waren alle verloren. Wieder erinnerte sich Bolitho dankbar daran, daß die Besatzung der Achates überwiegend aus erfahrenen Männern bestand, gut ausgebildet und eine verschworene Gemeinschaft.

Haltsuchend packte er eine Pardune und spähte durch die Gischt nach dem dunklen Schatten des Vorlandes an Backbord aus. An Steuerbord wuchsen das Fort und der fünfhundert Meter hohe Vulkankegel schemenhaft in den gespenstischen Gewitterhimmel.

Ein Lichtschein fiel übers Wasser, tanzte auf den Wellen, und Bo-litho glaubte, einen Anruf zu hören.

Rauh sagte Masters:»Dippt die Buglaterne!«Das klang gepreßt, als müsse er um Luft ringen.»Zweimal!»

Wie angewiesen, wurde die Buglaterne zweimal auf und nieder geholt, und Bolitho merkte, daß er den Atem anhielt. Jetzt hatte Masters die günstigste Gelegenheit, sie zu verraten, seine Loyalität für Rivers unter Beweis zu stellen. Aber nichts geschah, das in Licht von der Schwimmsperre blinzelte stetig über die gischtgekrönten Kabbelseen zu ihnen herüber.

Leise knarrte die Pinne, als Masters, eine Hand über der des Rudergängers, den Kurs leicht korrigierte. Jetzt hatte er sich inkriminiert und wollte seinen Entschluß nicht damit büßen, daß er wegen eines Ansteuerungsfehlers vor dem eigenen Hafen ertrank.

Bolitho erkannte das Backbordende der Sperre, auf dem sich einige geduckte Gestalten um die Richtlaterne drängten. Irgend jemand prei-te die Yawl an, und Masters winkte gebieterisch zurück, mit einer Autorität, die sein Verrat ins Lächerliche verzerrte.

«Jetzt! Hart Steuerbord! Die Segel streichen!»

Gewohnt, bei jedem Wetter, bei Tag oder Nacht, ihre Arbeit zu tun, ließen die Seeleute das Boot zügig an die vermurten Boote und Pontons heranscheren. Als die ersten Draggen an ihren Leinen über die Köpfe der verdutzten Wachen flogen und sich festbissen, sprangen schon die schnellsten der unter Deck verborgenen Matrosen hervor, waren mit einem Satz auf dem Ponton und erstickten mit ihren Entermessern jeden Schrei der Überfallenen.

Plötzlich wimmelte es auf der Sperre von Männern. Während die einen die unglücklichen Wachtposten ausschalteten, löschten die anderen die gefährliche Fracht der Yawl und brachten sie in Position.

«Lunten anbrennen! Ein Fidibus her! Schnell!«Mountsteven bellte seine Befehle, während die Gefangenen grob auf die Yawl gestoßen wurden.

Bolitho blickte zu den verschwommenen Umrissen der Festung auf: keine Reaktion. Vielleicht hatte Rivers wirklich erwartet, daß er seine Ehre, seine Karriere und sein Land vergaß und diese schamlose Vereinbarung mit ihm traf? Es wäre nicht der erste Vorfall dieser Art in der Marinegeschichte gewesen.

«Murings gekappt, Sir!»

Ein langsam abbrennendes Zündholz flammte auf, dann ein zweites, und der letzte Brite sprang in die wild stampfende Yawl.»Legt ab!»

Ohne den zusammengekauerten Überlebenden des blitzartigen Angriffs einen Blick zu gönnen, versuchten die Matrosen, mit langen Riemen, Bootshaken und anderem Gerät die Yawl von der Sperre abzustoßen. In seiner Erregung packte Leutnant Mountsteven Bolithos Arm und deutete mit seinem Säbel ins Dunkle.

«Da kommt Ihr Bootsführer, Sir!»

Nur die hellen Riemenblätter waren sichtbar, als Alldays Barkasse durch die Lücke schoß; sie war im Hafen, noch ehe die Yawl Fahrt aufgenommen hatte.

«Haltet auf Land zu!»

Bolitho rutschte auf die andere Seite hinüber, wo Masters sich über die Reling beugte und zum Fort hinaufspähte. Das Boot vollführte einen Höllentanz und nahm eine Menge Wasser über.»Das haben Sie gut gemacht, Masters. «Bolitho scherte sich nicht um den erstaunten Blick seines Gefangenen, er rief:»In Deckung, Leute!»

Es gab eine dumpfe Explosion, die Yawl mit den erstarrten Gesichtern darin war plötzlich in grelles, orangefarbenes Licht getaucht: Die driftende Schwimmsperre zerbarst in einem Flammenmeer. Nun trieben die brennenden Wrackteile schnell in den Hafen, weil eine La-sching nach der anderen brach.

Bolitho schlang sich den Riemen seines Säbels fester ums Handgelenk und verlagerte das Gewicht prüfend auf sein verletztes Bein. Wenn es ihn jetzt im Stich ließ…

Der Bug lief auf und rutschte wieder ab, während die Brandung ihn kochend überspülte und Unvorsichtige wie halbvolle Säcke kreuz und quer warf; dann stieß die Yawl ein zweites Mal gegen Fels. Bolitho hörte Holz splittern und Wasser ins Boot gurgeln, wo es bald seine Beine umspülte. Immer noch wurden sie zwischen den Uferfelsen wie ein Spielball hin und her geworfen.

Aber dann fanden die ersten Draggen Halt an Land, und als die Männer wasserspuckend und fluchend über Bord zu klettern begannen, hörte Bolitho ein weit entferntes Trompetensignal.

Wieder rief er sich das Bild der Küste ins Gedächtnis; dann wandte er sich um, weil ein weiteres Te ilstück der driftenden Sperre explodiert war und nun lichterloh brannte.

Inzwischen mußte ganz Georgetown alarmiert sein.

Von den Festungsmauern herab begannen Musketen zu knallen, aber die Kugeln zischten wirkungslos durch den Sprühregen der Brandung.

«Sammeln, Mr. Mountsteven!»

Der Leutnant konnte nur schwer den Blick vom Wrack der gestrandeten Yawl losreißen. Als Fluchtfahrzeug war sie nicht mehr zu gebrauchen. Irgendwer stieß einen heiseren Hochruf aus, wurde aber sofort von einem Unteroffizier zum Schweigen gebracht.

Doch Bolitho wäre selbst gern in Jubelrufe ausgebrochen. Denn die beiden Kutter der Achates pullten mit einem Höllentempo durch die letzten brennenden Reste der Schwimmsperre, und die gekreuzten weißen Brustriemen der Marinesoldaten leuchteten hell herüber.

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