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Dahinter war von Teppichen und bequemen Möbeln keine Rede mehr. Eine lange, zinnenbewehrte Bastion mit schwerer Artillerie hinter den Schießscharten gab den Blick auf den Hafen frei: Rivers' Trumpfkarte.

Er marschierte zur letzten Kanone in der Reihe und legte wie liebkosend die Hand auf ihr verziertes Verschlußstück.

«Hier, werfen Sie mal einen Blick hinunter, Bolitho.»

Er trat beiseite, voll Stolz und Siegessicherheit. Bolitho spürte plötzlich eine heftige Abneigung gegen diesen Mann, dem das Schicksal Duncans und aller anderen völlig einerlei war.

Er bückte sich, visierte an dem langen schwarzen Rohr entlang und sah, daß die Kanone auf eine Reihe Festmacherbojen zielte, an deren einer auch seine Barkasse vertäut war. Er erkannte sogar Allday, der im Boot stand und die Augen beschattete, um besser zur Festung spähen zu können.

Aalglatt fuhr Rivers fort:»Da unten lag auch die Sparrowhawk. Ich hätte sie genauso leicht versenken können wie Ihr Boot.»

Bolitho richtete sich wieder auf und musterte Rivers kühl.»Sie waren selbst einmal Flaggoffizier, Sir Humphrey. Sie wissen, die Marine würde niemals dulden, daß.»

Rivers grunzte verächtlich.»Sie hätte gar keine andere Wahl. Hohe Verluste, nur um den Franzosen gefällig zu sein? Nicht einmal das Parlament ist so verblendet.»

Bolitho warf noch einen letzten Blick über die Reede. Das Wasser war unruhig, die Wellen trugen schon weiße Gischtkämme. Der Wind legte immer noch zu, was sich auch an den steif auswehenden Flaggen der Schiffe unten verriet. Aber die lagen hier geschützt. Achates nicht.

Er sagte:»Ich kehre auf mein Schiff zurück. «Und fügte hinzu, ohne aus seiner Verachtung ein Hehl zu machen:»Es sei denn, Sie wollten mich daran hindern?»

«Ohne Vereinbarung, Bolitho?»

«Treiben Sie nicht Ihr Spiel mit mir, Sir Humphrey. Sie mußten wissen, daß ich Hochverrat verabscheue.»

Rivers lächelte.»Im Gegensatz zu anderen in Ihrer Familie, wie?»

Bolitho nahm seinen Hut aus der Hand eines Lakais, langsam, damit sein Zorn verebben konnte. Eige ntlich ganz gut, daß Adam nicht zugegen war, dachte er. Diese Beleidigung seines Vaters hätte ihn zur Waffe greifen lassen, und dann hätten Rivers' Soldaten die Sache auf der Stelle zu einem schrecklichen Ende gebracht.

So sagte er nur:»Das war billig, aber nicht überraschend.»

Rivers nahm wieder Platz und wischte sich das Gesicht. Er vermochte seine freudige Erregung über den Sieg nicht zu verbergen.

Bolitho ging zur Tür und sah Midshipman Evans im Korridor allein an einem offenen Fenster stehen.

Rivers rief Bolitho nach:»Ich habe mir erlaubt, Ihren kleinen Leutnant festzusetzen, bis mein Boot und meine Leute unbehelligt zurückkehren.»

Bolitho nickte langsam.»Wie Sie meinen.»

Das schien Rivers zu enttäuschen.»Sie können es sich immer noch anders überlegen.»

Bolitho winkte Evans heran.»Wie Sie selbst sagten, wimmelt es in dieser Gegend von Piraten. Mit einem von ihnen habe ich wohl soeben gesprochen.»

Damit wandte er sich abrupt um und schritt durch den Gang davon, halb in Erwartung einer Kugel oder eines anderen plötzlichen Angriffs.

Evans mußte rennen, um ihn einzuholen.

«Rufen Sie die Barkasse heran«, befahl Bolitho knapp.

Heiß strich der Wind über sein Gesicht, verstärkte noch die Drohung des bleigrauen Himmels. Es mußte auf Anhieb klappen, dachte Bolitho. Denn es gab weder einen zweiten Versuch noch eine andere

Wahl.

Erleichtert sah Allday zu, als Bolitho und der Kadett ins Boot stiegen.»Das war's dann, Sir«, murmelte er.

Bolitho sagte, den Blick auf die eintauchenden Riemen gerichtet:»Keine Hast, wenn ich bitten darf. «In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken an das Bevorstehende, aber Rivers durfte keinesfalls argwöhnisch werden.

In seiner Achterkajüte warf er Ozzard den goldbetreßten Admirals-rock zu und blickte Keen, Quantock und den beiden Offizieren der Marine-Infanterie entgegen, die Yovell hereinführte.

«Wir greifen an, Kapitän Keen. «Bolitho wunderte sich fast, daß das Weinglas in seiner Hand, das Ozzard ihm gerade gereicht hatte, unter seinem Griff nicht zersplitterte.

Keen antwortete:»Mr. Knocker ist um die Sicherheit des Schiffs hier sehr besorgt, Sir. Der Wind.»

«Behält die Richtung bei?»

«Er wird von Stunde zu Stunde stärker, Sir«, sagte Quantock mit seiner heiseren Stimme.

«Das habe ich nicht gefragt. Behält er die Richtung bei?«»Aye, Sir. «Keen schien nervös.

«Also gut. Machen Sie klar zum Ankerlichten. «Keens offensichtliche Erleichterung schwand, als Bolitho hinzufügte:»Dann werden Rivers' Späher vermuten, daß wir uns davonmachen.»

«Mit allem Respekt, Sir, aber das erfordert schon die Vernunft. Wenn wir hierbleiben, wird der Anker mit Sicherheit schlieren.»

Bolitho lächelte ihm zu.»Erinnern Sie sich an Kopenhagen, Val?»

Keen nickte, aber er war blaß geworden.»Gewiß, Sir. Also wollen Sie bei Dunkelheit angreifen?«Das klang ungläubig.

«Das will ich. Ich weiß jetzt, wie die Batterie die Hafeneinfahrt und die Reede bestreichen kann. Rivers war so freundlich, es mir zu zeigen, wenn auch aus anderen Motiven.»

Was ging nur in ihm vor? Sein Plan konnte mit einer Katastrophe enden; würde es wahrscheinlich auch. Er hatte Keen an Kopenhagen erinnert, aber das ließ sich nicht vergleichen. Damals hatten sie eine ganze Flotte gehabt — und Nelson.

Diesmal lag die Sache völlig anders. Wenn er das Schiff verlor, blieb ihm nichts mehr, höchstens ein Kriegsgerichtsverfahren, falls er überlebte; und das Bewußtsein, Belinda ins Unglück gestoßen zu haben.

Aber trotz des hohen Risikos fühlte er sich seltsam beschwingt. Wie Eiswasser pulsierte eine wilde Entschlossenheit durch seine Adern.

Keen räusperte sich und warf den Kameraden einen Blick zu.»Also gut, Sir«, sagte er.

Bolitho wandte den Blick ab. Keen hatte seine Entscheidung akzeptiert. Mochte er sie nun billigen oder für falsch halten, auf jeden Fall würde er sie befolgen, auch unter Einsatz seines Lebens.

Bolitho zwang sich zu einem Lächeln.»Nach Sonnenuntergang schicken wir Masters mit seiner Yawl in den Hafen, im Austausch gegen Mr. Trevenen. «Er sah die beiden Seesoldaten an.»Und dann sind Sie an der Reihe.»

Alles hing vom richtigen Zeitpunkt ab — und vom Glück, wie Herrick nicht vergessen hätte anzumerken. Keen hielt seinen Plan wohl für Wahnsinn oder für ein Produkt verletzter Eitelkeit nach der Demütigung durch Sir Humphrey Rivers.

Das war ihre einzige Chance: daß Rivers sich angesichts seiner starken Stellung für unangreifbar hielt.

Wahrscheinlich stand er gerade in diesem Augenblick auf der Bastion und malte sich genießerisch den Widerstreit und die Verzweiflung aus, in die er seinen Gegner gestürzt hatte.

Mit knappen Worten skizzierte Bolitho seinen Angriffsplan und beobachtete ihre unterschiedlichen Reaktionen, ihre Skepsis und Unsicherheit. Aber auch ihre Erregung. Selbst Quantock, der kaum sprach, schien fasziniert zu sein.

Bolitho schloß mit den Worten:»Wie Sie alle wissen, meine Herren, ist ein Krieg hart und schwer für alle. Aber allzuleicht ist es, ihn vom Zaun zu brechen.»

Einer hinter dem anderen verließen sie die Kajüte, um ihre Untergebenen zu instruieren, und Bolitho setzte sich an seinen Schreibtisch. Er griff zur Feder.

Später mochte es ihm an der Zeit fehlen, und er wollte sie an seinen Überlegungen teilhaben lassen, genauso wie sie ihm ihre besten Wünsche nachgesandt hatte.

An Deck polterten Schritte und quietschten Taljen, als seine Barkasse wieder eingesetzt wurde.

Und wenn er sich nun irrte? Wenn Rivers' Überzeugung von der Unangreifbarkeit seiner Insel sich als richtig erwies?

Aber er verbot sich die Zweifel und begann zu schreiben.

Meine geliebte Belinda…

Doch dann faltete er entschlossen den leeren Bogen zusammen und schob ihn in eine Schublade. Wenn er fiel, würde sie es früh genug erfahren. Es hatte keinen Sinn, sie mit einem Brief in Angst und Schrecken zu versetzen, der sie vielleicht erst erreichte, wenn alles vorüber war.

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