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Allday wurde wieder ernst.»Manchmal glaubt er, wieder auf der alten Styx zu sein. Dann gibt er dauernd Befehle. Aber sonst verhält er sich ruhig.»

Mehr Geschrei oben an Deck und dann ein scharfes Überholen des Schiffes. Bolitho ließ sich auf einer Seekiste nieder und stützte sich mit dem Rücken gegen die Bordwand, als der Anker jetzt ausgebrochen wurde und die Ceres ihren Kampf um freien Seeraum aufnahm. Er bemerkte, daß Allday in einer Ecke alte Leinwand angehäuft hatte, aber längst nicht genug, um die Handschellen und Fußeisen zu verdecken, die mit Ketten und Ringbolzen an die Planken geschmiedet waren: wieder eine Mahnung, daß sie Gefangene waren und mit dem Schlimmsten zu rechnen hatten, falls sie sich aufsässig verhielten.

Allday richtete lauschend den Blick zur Decke.»Der Anker ist frei, Sir. Sie segeln hoch am Wind, schätze ich. «Scheinbar unzusammenhängend fügte er hinzu:»Es gibt reichlich zu trinken an Bord, Sir. Aber kein gutes Bier. «Angewidert rümpfte er die Nase.»Na ja, was kann man von denen auch erwarten?»

Bolitho blickte erst zu Neale, dann zu Browne hinüber. Beide waren eingeschlafen, wohlbehalten und sicher für den Augenblick in ihrer ureigenen Welt.

Rund um sie stöhnte und arbeitete das Schiff, jede Planke bis zum äußersten beansprucht in diesem Duell mit dem Sturm, der die Kraft der Rudergänger und das Können des Kapitäns zu verspotten schien. Ohne Pause donnerten die Seen gegen den Rumpf, und Bolitho konnte sich vorstellen, wie oben grünes Wasser über das Schanzkleid einstieg, über die Seitendecks rauschte und Unaufmerksame oder Übermüdete wie dürre Blätter in die Speigatten wusch.

Er dachte auch an Belinda, an sein Haus zu Füßen von Pendennis Castle, an Adam und seinen Freund Thomas Herrick. Während er noch versuchte, ihre Gesichter vor seinem geistigen Auge heraufzubeschwören, fiel er in den tiefen Schlaf der Erschöpfung.

Als er wieder zu sich kam, wurde er sich sofort einer Veränderung in seiner Umgebung bewußt. Er begriff, daß er mehrere Stunden lang geschlafen haben mußte, denn durch einen der Niedergänge fiel fahles Tageslicht.

Allday saß kerzengerade auf seiner Kiste, und auch Browne war wach, obwohl er sich noch die Augen rieb und gähnte.

Bolitho beugte sich vor und achtete genauer auf die Schiffsbewegungen. Was hatte ihn geweckt?

«Gehen Sie bitte zum Niedergang, Oliver«, wies er Browne an.»Und sagen Sie mir, ob Sie etwas Verdächtiges hören.»

Nervös erkundigte sich Allday:»Wir können doch nicht schon in Lorient sein, oder?»

«Nein. Bei diesem ablandigen Sturm und in so gefährlichen Gewässern müssen sie den doppelten Weg zum Kreuzen zurücklegen.»

Browne umklammerte eine Niedergangsstufe fester, als von Deck oben eine Stimme zu ihnen herunterscholl: «En haut les gahiers! En haut pour ferler les huniers!»

Browne kam hastig zurück, schräg nach vorn geneigt, um auf dem abschüssigen Deck das Gleichgewicht zu halten.

«Sie haben die Toppsgasten nach oben befohlen, um die Bramsegel aufzugeien.»

Bolitho hörte Getrappel über sich, als die Freiwache auf Stationen rannte, entsprechend diesem letzten Befehl. Aber er sah keinen Sinn darin. Unterbemannt, hatte Allday gesagt. Warum dann die Freiwache um ihren kostbaren Schlaf bringen und ausgerechnet jetzt Segel reffen? Wenn er doch nur hätte sehen können, was da draußen vorging!

Eine Laterne warf ihren gelben Schein auf die Niedergangstreppe, und Bolitho sah einen Leutnant mit zwei bewaffneten Decksoffizieren hastig zu ihnen kommen.

Der Leutnant war jung und offenbar sehr nervös. Aber seine beiden altgedienten Begleiter zierten sich nicht, ließen die Eisen um Bolithos Hand- und Fußgelenke schnappen und verfuhren ebenso mit Browne. Als sie sich auch Allday vornehmen wollten, schüttelte der Leutnant den Kopf und deutete auf Neale. Offenbar behielt Allday seine Bewegungsfreiheit, um den verwundeten Kapitän versorgen zu können.

Bolitho sah auf seine Fesseln nieder.»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte er.

Das Schiff legte sich noch stärker über, während das Getöse über ihnen anwuchs: Stimmen überschrien einander, Blöcke quietschten gellend wie angestochene Schweine. Offenbar hatte der Kommandant ein Wendemanöver versucht, aber nicht geschafft. Dies immerhin ließ sich aus der ganzen Aufregung schließen. Ohne die Bramsegel mußte er… Plötzlich fuhr Bolitho in die Höhe, so weit seine Ketten das zuließen.

Er begriff: Der französische Kommandant wollte ungesehen bleiben. Deshalb hatte er die obersten Segel wegnehmen lassen, damit sein Schiff von ferne gegen den tobenden Hintergrund der Brecher schlechter auszumachen war.

Wie zur Bestätigung seiner Überlegungen hörte Bolitho den Ruf von oben:» Tout le monde ä son poste! Branlebas de combat!»

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Browne ihn an.»Sie machen klar zum Gefecht, Sir!»

Der Lärm schwoll noch an, als die Besatzung die Trennwände und Hängematten abzuschlagen begann, als die Kanonen auf ihren Lafetten in eine Position rumpelten, in der sie besser geladen werden konnten.

Ungläubig starrten die Gefangenen im Orlop einander an.

Dann brach es aus Allday heraus:»Mein Gott, das muß ein Uns-riger sein, Sir!»

Mit eingezogenen Köpfen rannten wieder schattenhafte Gestalten an ihnen vorbei. Laternen wurden angezündet und an die Decke gehängt, wo sie in großen Kreisen frei schwangen; weitere Kisten wurden herbeigezerrt und mitten auf dem Deck festgezurrt. Schwach schimmerten lange Schürzen im spärlichen Licht und eine funkelnde Batterie chirurgischer Instrumente, die Gehilfen des Schiffsarztes bereitlegten.

Niemand kümmerte sich um die drei Männer im Schatten oder um den vierten auf seiner schwankenden Koje.

Wieder zerrte Bolitho an seinen Fesseln. Also stand ihnen das Schlimmste noch bevor. Von einem englischen Kriegsschiff besiegt, zusammen mit dieser Fregatte auf den Meeresgrund zu fahren, das schien ihm der furchtbarste aller denkbaren Tode.

Das Deck richtete sich etwas auf, ein Arztgehilfe lachte leise, aber ohne Humor. Selbst er mußte wissen, daß das Schiff nur deshalb auf ebenerem Kiel lag, weil der Kommandant wieder mehr Segel hatte setzen lassen. Also hatte sein Versteckspiel nichts genützt. Dem Schiff stand eine Gefecht bevor, in dem die Sanitäter hier unten bald so viel zu tun bekommen würden, daß sie sich um die Gefangenen nicht mehr kümmern konnten.

Neale riß die Augen auf und rief mit überraschend klarer Stimme:»Wache! Holt den Schiffsprofos!«Aber niemand reagierte oder starrte Neale auch nur verwundert an.

Bolitho lehnte sich zurück und rüstete sich innerlich.»Allday!»

«Sir?»

«Mach dich bereit.»

Allday sah sich im schwach erleuchteten Krankenrevier um, konnte aber nirgends eine Waffe oder eine Axt entdecken. Trotzdem sagte er heiser:»Bin jederzeit bereit, Sir. Nur keine Sorge.»

Das Warten zerrte an den Nerven; ein Arztgehilfe rannte im Lichtkreis der Petroleumlampe auf und ab wie ein Tier im Käfig.

«Chargez toutes les piecesl»

Das war der Befehl zum Laden der Kanonen; als hätte er nur darauf gewartet, schritt der Arzt aus dem Krankenrevier hinüber zum Tisch unter den pendelnden Lampen.

Bolitho befeuchtete sich die trockenen Lippen und dachte sehnsüchtig an einen kühlen Trunk.

Wieder einmal hatten andere darüber entschieden, was ihm die nächsten Stunden bringen würden.

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