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Schließlich nickte der Leutnant zufrieden.»Bon. «Ohne sich um Alldays Stirnrunzeln zu kümmern, wischte er ein paar Staubkörnchen von Bolithos Schulter.»Sind Sie bereit, M'sieu?»

Gefolgt von Browne und Allday betrat Bolitho den Korridor und stieg eine breite Treppe zum nächsten Stock hinauf. Mehrere Stufen waren beschädigt, und auch in der Wand gewahrte Bolitho vielfach Einschußstellen, wo Musketenkugeln wahrscheinlich die früheren Bewohner des Schlosses niedergemäht hatten.

Ihr Frühstück war ihnen nur Minuten nach dem ersten Weckruf von Soldaten gebracht worden: einfache, aber reichliche Speisen mit Landwein zum Hinunterspülen. Bolitho hatte sich zum Essen gezwungen, damit seine beiden Gefährten sich nicht um ihn sorgten.

Der französische Leutnant eröffnete ihnen, daß sie nun seinem Vorgesetzten, Konteradmiral Jean Remond, vorgeführt würden.»Zu diesem Zweck ist er die ganze Nacht unterwegs gewesen.»

Der Leutnant lächelte knapp.»Deshalb provozieren Sie ihn bitte nicht. «Ehe Bolitho scharf erwidern konnte, fuhr der Franzose fort:»Um meinetwillen, M'sieu!»

Er überließ sie ihrer Eskorte und ging ihnen zu einer hohen Flügeltür voraus.

Bolitho sah aus den Fenstern auf üppig begrünte Felder. Die Morgensonne glitzerte auf einem Streifen Wasser, der zwischen einigen Häusern sichtbar wurde. Dahinter erkannte er die Masten eines vertäuten Schiffes. Dort mußte der Fluß sein.

Der Leutnant kehrte zurück und winkte Bolitho. Browne und Allday beschied er:»Warten Sie hier. «Er war nicht mehr leutselig, sondern sichtbar im Dienst.

Bolitho betrat den großen Salon und hörte die Tür hinter sich leise ins Schloß fallen. Nach dem verwahrlosten Erdgeschoß und der Freitreppe wirkte dieser Raum luxuriös. Kostbare Teppiche und ein riesengroßes Schlachtengemälde verliehen ihm arrogante Eleganz.

Bolitho schritt quer durch den Salon auf einen verzierten Prunktisch zu. Angesichts der Gestalt, die dahinter saß, wurde er sich wieder seines lädierten Aufzugs bewußt. Der Weg kam ihm endlos vor.

Konteradmiral Remond war ein dunkelhäutiger, südländischer Typ und makellos gekleidet. Sein Haar, ebenso schwarz wie das Bolithos, trug er in die breite Stirn gebürstet, unter der die Augen im schwachen Sonnenlicht wie nasse Kohlen glänzten.

Er erhob sich nur andeutungsweise und winkte Bolitho auf einen vergoldeten Stuhl. Wie die große Entfernung zur Tür, sollte auch das einschüchternd wirken.

Bolitho ließ sich nieder, verlegen wegen seiner salzverkrusteten Kleidung, und spürte wieder das Blut in der alten Schenkelwunde pochen. Dies und die sorgsame Plazierung des unbequemen Stuhls deprimierten ihn. Daß die Demütigung beabsichtigt war, half ihm nicht, sie zu ertragen.

Ganz gegen seinen Willen wurde sein Blick von seinem alten Säbel unwiderstehlich angezogen, der wie bei einer Kriegsgerichtsve rhandlung quer über dem Tisch lag.

Kurzangebunden begann der französische Admiral:»Haben Sie mir etwas zu sagen?»

Bolitho hielt seinem festen Blick stand.»Ich bin verantwortlich für Offiziere und Mannschaft der Fregatte Styx. Ihr Kommandant ist so schwer verwundet, daß er sich nicht für sie verwenden kann.»

Mit einem Schulterzucken deutete der Franzose an, daß er diesen Punkt für belanglos hielt.»Damit beschäftigen sich meine Offiziere. Ich bin mehr an Ihnen selbst interessiert.»

«Sie sprechen sehr gut englisch«, sagte Bolitho, um Zeit zu gewinnen.

«Da ich einige Monate in englischer Gefangenschaft war, ist das nur natürlich. «Dieser Abstecher ins Persönliche schien ihn im nachhinein zu ärgern, deshalb sagte er schneidend:»Selbstverständlich waren wir über Ihren Auftrag informiert, wußten im voraus von Ihrem zum Scheitern verurteilten Versuch, unsere Schiffsbewegungen zu behindern. Überhaupt wissen wir eine Menge über Sie und Ihre Familie. Ganz in alten Traditionen wurzelnd, wie?«Ohne auf Antwort zu warten, fuhr er fort:»Ich hingegen mußte ohne Privilegien meinen Weg machen und mich nach oben arbeiten.»

«Dasselbe gilt auch für mich!«erwiderte Bolitho schärfer als beabsichtigt.

Das entlockte Remond nur ein leichtes Lächeln. Er hatte kleine spitze Zähne wie ein Terrier.»Wie dem auch sei, für Sie ist der Krieg vorbei. Da wir ranggleich sind, war es meine Pflicht, Sie zu empfangen. Mehr nicht. «Er griff nach dem alten Säbel und drehte ihn nachlässig hin und her.

Bolitho glaubte zu spüren, daß Remond unsicher war. Er stellte ihn auf die Probe, wollte etwas von ihm erfahren. Um seine plötzliche Entschlossenheit zu verbergen, senkte er den Blick. Das neue Telegraphensystem! Remond mußte unbedingt erfahren, ob die Engländer es entdeckt hatten.

Vielleicht besaßen auch die Franzosen eines Oberbefehlshaber wie Beauchamp, der schon Pläne in der Schublade hatte, wie die Angreifer zu vernichten waren?

«Schöne alte Waffe«, bemerkte Remond und legte den Säbel dicht vor Bolitho auf den Tisch.»Selbstverständlich werden Sie hier angemessen untergebracht werden und können auch Ihren Diener behalten. Und wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß Sie auf jeden Fluchtversuch verzichten, wird Ihnen innerhalb gewisser Grenzen auch einige Bewegungsfreiheit zugestanden; die Details hängen von Ihren Bewachern ab. «Er blickte auf den Säbel nieder.»Außerdem wird Ihnen gestattet, diese Waffe zu behalten. Sobald der Friedensvertrag unterzeichnet ist, werden Sie ohne jeden Makel in Ihre Heimat zurückkehren können. «Damit lehnte er sich zurück und musterte Bolitho von oben herab.»Also?»

Langsam erhob sich Bolitho und ließ die Augen nicht von dem Mann, der hinter dem Tisch saß.

«Der Friede ist nicht mehr als ein Gerücht, Konteradmiral. Im Augenblick haben wir Krieg. Ich bin Offizier des Königs und nicht gewohnt, andere für mich kämpfen zu lassen.»

Diese Antwort schien Remond zu überraschen.»Wie absurd! Sie weisen die Vorteile zurück, die Ihnen Ihrem Rang entsprechend in Gefangenschaft zustehen? Vielleicht setzen Sie Ihre Hoffnungen auf eine Flucht? Aber das ist genauso lächerlich!»

Bolitho zuckte die Achseln.»Jedenfalls kann ich mein Ehrenwort nicht geben.»

«Wenn Sie auf dieser Ablehnung bestehen, schwindet für Sie jede Hoffnung auf Rettung oder Entkommen. Denn sobald ich meine Hand von Ihnen abziehe, werden Sie dem Heer überstellt.»

Bolitho schwieg. Hätte er sich etwa ein relativ bequemes Leben machen können, nachdem er schuld war am Verlust seines Schiffes und am Tod so vieler Menschen? Wenn er jemals in die Heimat zurückkehrte, dann in Ehren — oder gar nicht.

Remond nickte.

«Wie Sie wollen. Dann werden Sie also alle gemeinsam eingeschlossen. Wenn der verwundete Kapitän in der Gefangenschaft stirbt, hat er es Ihnen zu verdanken.»

«Muß der Leutnant ebenfalls bleiben?«Seltsamerweise beruhigte es Bolitho, daß die Versprechungen nun von Drohungen abgelöst wurden.

«Oh, habe ich vergessen, Ihnen das zu erzählen?«Der französische Admiral zupfte ein Fädchen von seiner Hose.»Wie ich hörte, mußte ihm heute nacht ein Arm amputiert werden. Aber er ist trotzdem gestorben. «Remond dämpfte die Stimme.»Nehmen Sie doch Vernunft an. Die Garnison hier besteht zum Teil aus Narren, aus Bauern in Uniform. Sie sind nicht gerade entzückt von der englischen Marine und der Blockade, von dem Versuch, sie so lange auszuhungern, bis sie sich ergeben. Aber in Lorient wären Sie bei Ihren Offizierskameraden und in der Obhut der französischen Marine.»

Bolitho schob das Kinn vor.»Sie kennen meine Antwort«, sagte er kühl.

«Dann sind Sie leider ein Narr, Bolitho. Wir werden bald Frieden schließen. Was gilt dann ein toter Held, he?»

Er läutete, und Bolitho spürte, daß die Tür hinter ihm geöffnet wurde.

Remond kam um den Tisch herum und musterte ihn neugierig.»Dann werden wir uns also nicht wiedersehen. «Damit schritt er aus dem Salon.

Der Leutnant trat zu Bolitho und warf einen Blick auf den Säbel. Er seufzte.»Tut mir leid, M'sieu. «Mit einem Wink an die Eskorte fügte er noch hinzu:»Alles ist arrangiert. Sie werden noch heute in ein anderes Gefängnis verlegt. Danach…«Ratlos hob er die Hände.»Aber ich wünsche Ihnen Glück, M'sieu.»

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