Литмир - Электронная Библиотека

Dann hatte er ihre Schritte draußen auf dem Gang gehört, ein rasches Flüsterwort zu ihrer Zofe, bevor sie die Tür öffnete und schnell wieder hinter sich zuzog.

Wie es weitergegangen war, wußte er nicht mehr so genau. Da ging es ihm etwas durcheinander. Er erinnerte sich noch, daß er sie an sich gepreßt hielt, an ihren warmen Mund, an das plötzliche, überwältigende, verzweifelte Begehren, das die letzten Bedenken in alle Winde jagte.

Es war kein Licht in der winzigen Kammer, nur der Mondschein. Er hatte sie nur kurz gesehen, ihre nackte Schulter, die wie Silber glänzenden Schenkel, als sie ins Bett kam und ihn tiefer, immer tiefer zu sich herabzog, bis sie sich schließlich in der Erfüllung ihres Begehrens vereinten, keuchend und ermattet.

Hatte er überhaupt geschlafen? Oder sie nur in den Armen gehalten, sie begehrt mit der quälend klaren Gewißheit, daß es nicht dauern konnte? Einmal in dieser Nacht, als es schon fast dämmerte, hatte sie ihm ins Ohr geflüstert:»Mach dir keine Vorwürfe. Das hat nichts mit Ehre zu tun. Es gehört zum Leben. «Sie hatte die Lippen auf seine Schulter gepreßt und zärtlich weitergeflüstert:»Wie wunderbar du riechst. Nach Schiff. Nach Salz und Teer. «Und mit leisem Kichern:»Das muß ich auch haben. «Dann das ängstliche Klopfen an der Tür, mit dem die treue Zofe das Nahen des Tages ankündigte, und das hastige Rascheln, als sie ihr Gewand überstreifte.

Aber für Bolitho war es ein völlig anderer Tag als alle Tage bisher. Er fühlte sich ganz anders als sonst. Voller Leben und Unruhe. Befriedigt, aber hungrig nach mehr.

Er hörte Schritte an Deck. Herrick stand vor ihm und sah ihn an.»Ja, Mr. Herrick?»

«Der Wind frischt wieder auf. Soll ich die Marssegel reffen lassen, Sir?«Kritisch musterte er die Takelung.»Hört sich an, als ob das Rigg mächtig straff ist.»

«Wir wollen sie noch ein bißchen so laufen lassen. Wenn möglich, bis acht Glasen, wenn wir halsen und Westkurs haben. Hat ja keinen Sinn, die Leute zusätzlich anzustrengen, wenn wir mit nur einem Manöver auskommen können. «Er lehnte sich zurück, die Hände in die Hüften gestemmt, und starrte zum Topp des Großmastes, wo der lange Wimpel im Winde flatterte.»Sie hat immer noch eine Menge Kraft in sich.»

«Aye, Sir. «Herricks Stimme klang seltsam müde.

«Was nicht in Ordnung?»

Gelassen erwiderte Herrick:»Sie wissen ja schon, Sir. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Was geschehen ist, ist geschehen.»

Bolitho blickte ihn ernst an.»Dann wollen wir es auf sich beruhen lassen.»

«Gewiß, Sir«, seufzte Herrick. Er sah zum Rudergänger hinüber.»Ich habe nur vier Mann kriegen können, bedauerlicherweise. Weder die Bedford noch die Rosalind wollten mehr abgeben. Und diese vier sind ausgesprochene Stänker-Typen. «Er lächelte ein bißchen.»Immerhin hat mir Mr. Shellabeer versichert, daß sie ihr Benehmen ändern werden, ehe die Sonne wieder aufgeht.»

Midshipman Armitage kam eilig den Niedergang herauf, faßte an den Hut und stotterte Herrick an:»Mr. Tapril läßt respektvoll anfragen, ob Sie zu ihm ins Magazin kommen können, Sir.«»Ist das alles?«fragte Herrick.

Der Junge machte ein unglückliches Gesicht.»Sie hätten es versprochen, Sir.»

«Eben, Mr. Armitage. «Der Midshipman eilte wieder nach unten, und Herrick erklärte:»Ich wollte die Pulverfässer kontrollieren und neu markieren lassen. Hat keinen Sinn, gutes Pulver zu verschwenden. «Er senkte die Stimme.»Hören Sie, Sir, können Sie denn wirklich nicht sehen, wie verrückt das ist, was Sie da machen? Es ist überhaupt nicht abzusehen, wie das Ihrer Karriere schaden kann!»

Bolitho fuhr gereizt herum; aber dann sah er die echte Besorgnis in Herricks Miene.»Ich verlasse mich auf Ihre Lady Glück, Thomas. «Er schritt zum Kajütniedergang und sagte zu Soames:»Rufen Sie mich sofort, wenn sich etwas ändert.»

Als er verschwunden war, schritt Soames zum Kompaß. Fowlar beobachtete ihn verstohlen. Wenn sie wieder in England waren, würde auch er ein Leutnantspatent erhalten. Der Captain hatte so etwas angedeutet, und auf den konnte man sich verlassen. Aber wenn er diese allererste Stufe der Leiter erklomm, würde er hoffentlich mehr Freude daran haben, als das bei Soames der Fall zu sein schien.

Soames schnauzte ihn an:»Mr. Fowlar, Ihre Rudergänger sind einen Strich oder so vom Kurs abgekommen. Verdammt noch mal, bei Ihnen hätte ich das nicht erwartet!«Dann ging er wieder, und Fowlar grinste hinter ihm her. Das Ruder lag genau richtig, und Soames wußte das auch. Aber so war es nun mal in der Flotte — ein lausiges Spiel.»Halten Sie Kurs, Mallard!«sagte er zu dem Ersten Rudergänger. Mallard schob seinen Priem in die andere Backe und nickte.»Aye, aye, Mr. Fowlar,

Sir.»

Die Wache ging weiter.

Gegen Ende der Hundewache frischte der Wind so auf, daß die Marssegel gerefft werden mußten. Bolitho faßte in die Finknetzen, visierte die ganze Länge des Schiffes entlang und beobachtete, wie die Deckoffiziere ihre Segelbedienungen kontrollierten, ehe diese in die Masten gingen, während Shellabeer und seine Maaten die Boote fester zurrten.

Herrick brüllte durch den Wind:»Innerhalb einer Stunde müssen wir noch ein Reff stecken, Sir, wenn ich mich nicht irre.»

Bolitho wandte sich nach achtern und fühlte das Sprühwasser im Gesicht, das freigiebig in Luv überkam. Der Wind hatte schnell rückgedreht und blies jetzt kräftig von Südost, so daß die Undine ebenso heftig wie ungemütlich stampfte. Er antwortete:»Wenn wir gerefft haben, gehen wir auf Westkurs. Auf Backbordkiel wird sie ruhiger laufen. «Er beobachtete die großen, steil anlaufenden Wellen; wie zackige Reihen bösartiger Glasberge sahen sie aus. Wenn der Wind noch mehr auffrischte, würden diese jetzt noch runden Wellen zu schweren Brechern werden.

Er hörte Mudge rufen:»Wir kriegen tatsächlich einen ordentlichen Sturm, Sir!«Er hielt seinen mißgeformten Hut fest; der Wind trieb ihm das Wasser in die Augen.»Das Barometer hopst herum wie 'ne Erbse auf der Trommel!»

«Musterung durch, Sir!«schrie Davy.

«Sehr schön. Alle Mann in die Masten!«Herrick hob die Hand.»Kein Wettrennen! Verbieten Sie den Bootsmannsmaaten, mit ihren Tauenden herumzuprügeln!«Er warf einen Blick auf Bolitho.»Ein Ausrutscher, und der Mann geht über Bord und ist verloren.»

Bolitho nickte zustimmend. Herrick vergaß solche Hinweise nie.

«Ich hoffe, der Sturm wird nicht allzulange dauern. Wenn wir beidrehen und ihn abreiten müssen, kommen Admiral Conways Pläne bestimmt durcheinander.»

Von oben tönten abgerissene Flüche und Schreie herab. Die Toppmatrosen kämpften hart mit den schwer zu bändigenden, heftig schlagenden Segeln. Sie stießen mit Fäusten und Füßen, warfen sich mit dem Oberkörper über die Rahen, tief unter ihnen das Deck. Bolitho wurde beim bloßen Anblick dieser Knochenarbeit schwindlig. Es dauerte fast eine Stunde, bis die Segel zu Herricks Zufriedenheit gemeistert waren; und dann war es auch schon Zeit, das nächste Reff zu stecken. Schaum und Sprühwasser peitschte an Luv übers Deck; jede Planke, jede Leine quietschte und knarrte in wütendem Protest.

«Noch einen Strich vor den Wind, Mr. Herrick!«rief Bolitho.»Kurs West zu Süd!«Herrick nickte. Auch sein Gesicht troff von Sprühwasser.»Achterwache an die Besanbrassen!«Wütend schüttelte er seine Sprechtrompete.»Zusammenbleiben, verdammt noch mal!»

Ein Marineinfanterist war ausgerutscht, lag als scharlachroter Haufen auf den Decksplanken und strampelte mit den Beinen, so daß noch ein paar seiner Kameraden durcheinander gerieten.

Bolitho deutete voraus; unter dem weiter auffrischenden Wind bekamen die Wellen jetzt glitzernde Schaumkronen.

«Sie läuft doch ruhiger, Mr. Herrick!«Er wurde gelassener, als jetzt die älteren Matrosen nach achtern eilten, um den Seesoldaten und den weniger erfahrenen Männern bei den Besanbrassen zu helfen.»Und bis jetzt ist kein Mann verletzt, soweit ich sehe!»

Die Undine hatte sich mühsam vor den Wind gedreht. Lackschwarz stachen Wanten und Schoten gegen die aufkommenden Wellen ab. Aber mit ihren leicht backgebraßten Rahen und der bis auf Mars- und Focksegel gerefften Leinwand wurde sie einigermaßen mit dem Wind fertig.

58
{"b":"113134","o":1}