«Genau das wird auch Le Chaumareys denken. «Er lächelte und sah dabei plötzlich ganz jung aus.»Ich hoffe es jedenfalls.»
Herrick tastete nach seinem Hut und war froh, daß er etwas zu tun hatte, das die Spannung überbrückte, die Bolithos Ausführungen bewirkt hatten.»Werden wir Bellairs und seine Seesoldaten an Land lassen?«fragte er.
«Zur Hälfte. Es gibt eine Menge zu tun. Überall liegen unbestattete Leichen; die ganze Gegend ist ein Seuchenherd. Die Verteidigungsanlagen sind stark, aber sie brauchen gute Wachen und Patrouillen. Auch die Rosalind wird hierbleiben, unter dem Schutz der Festungsartillerie — viel taugt sie allerdings nicht. Ich glaube, der Kapitän würde am liebsten so schnell wie möglich absegeln, aber mit Conway wird er so leicht nicht fertig.»
Herrick ging zur Tür.»Das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt, Sir.»
«Ich auch. Doch ob es uns nun paßt oder nicht, wir müssen unsere Pflicht tun. Wenn wir mit Muljadi und seiner Drohung fertig werden wollen, dann muß er als gemeiner Seeräuber behandelt werden. «Er wischte mit der Hand über die Tischplatte.»Ganz egal, ob er die Argus als Verbündeten hat oder nicht!»
Herrick eilte hinaus, seine Gedanken überstürzten sich. In der Offiziersmesse stieß er auf Mudge, der düster auf einen Teller Salzfleisch starrte.»Segeln wir wieder los, Mr. Herrick?»
Der mußte lächeln. In einem kleinen Schiff wurden aus Gerüchten sehr rasch Tatsachen.»Ja, Mr. Mudge. Die Argus treibt sich hier herum. Als Kaperschiff, nicht offen im Namen Frankreichs.»
Unbeeindruckt gähnte Mudge.»Nichts Neues. Wir haben früher dasselbe für die East India Company gemacht. Wenn so ein Rajah nicht recht weiß, wie er sich verhalten soll, dann sind ein paar schußbereite Rohre ein ganz gutes Argument, mit dem man ein bißchen nachhelfen kann.»
Seufzend blickte Herrick ihn an.»Also werden die Froschfresser einen bewaffneten Aufstand unterstützen, wir dagegen werden den Schutz der Handelswege übernehmen. Aber was ist mit den Menschen, die dazwischengeraten, Mr. Mudge?»
Mit Widerwillen stieß der Steuermann seinen Teller weg.»Die sind noch nie gefragt worden. «Weiter sagte er nichts.
XI Kriegsglück
Bolitho beobachtete aufmerksam den im Topp wehenden Wimpel und schritt dann nach achtern zum Kompaß. Nordwest zu West. Es war Nachmittag, und trotz des unbewölkten Himmels reichte die Brise aus, um die Hitze etwas erträglicher zu machen. Die Undine hatte tags zuvor noch bis fast zur Dämmerung in der Pendang Bay vor Anker gelegen, weil es bei den Küstenströmungen und dem stetigen Südost zu gefährlich gewesen wäre, nachts zu segeln. Aber im letzten Moment hatte der Wind stark gekrimpt, und die Undine hatte, den schlanken Rumpf unter dem Segeldruck neigend, die Bay und den Stützpunkt mit all seinen grimmen Erinnerungen in einem purpurnen Schatten hinter sich gelassen.
Aber wenn der Wind auch aufgefrischt hatte, so mußte die Undine doch fast gegen ihn ansegeln, alle Rahen vierkantgebraßt, damit jedes Segel richtig zog und das Schiff möglichst weit von Land freikam. Falls der Wind unvermittelt umsprang, solange sie noch so dicht unter dieser unsicheren Küste waren, konnten sie leicht auf Legerwall und damit in ernste Schwierigkeiten geraten.
«Wie lange behalten wir den Kurs bei, Sir?«fragte Herrick.
Bolitho antwortete nicht gleich. Er beobachtete aufmerksam die winzigen, dreieckigen Segel ihres eigenen Kutters, der vorsichtig zwischen ein paar felsigen Inselchen kreuzte. Dann wandte er den Blick zum Großtopp, wo Midshipman Keen saß, das eine nackte Bein herabbaumeln ließ und das Teleskop auf das ferne Boot gerichtet hielt. Davy befehligte den Kutter und würde sofort signalisieren, wenn er etwas Verdächtiges sichtete. Es hatte keinen Sinn, mit dem Schiff zu nahe heranzugehen, wenn die Sicht gut blieb.
Schließlich sagte Bolitho:»Wir haben das südwestliche Kap gerundet, soweit ich das berechnen kann. Da ist alles Marsch und Sumpf, wie Mr. Mudge und Fowlar schon sagten. Wenn Hauptmann Vegas' Informationen stimmen, müssen Muljadis Schiffe in nächster Nähe sein. «Er drehte das Gesicht in den Wind, der ihm den Schweiß auf Stirn und Hals trocknete.»Die Benua-Inseln liegen etwa hundert Meilen westlich. Das ist ein schönes Stück offenes Wasser, wenn wir das Glück haben sollten, diese Piraten zu stellen.»
Herrick sah ihn skeptisch an; aber der offenbare Optimismus seines Kommandanten machte auch ihn zuversichtlich.»Was wissen wir eigentlich von Muljadi, Sir?«fragte er.
Bolitho schritt das krängende Deck hinan zur Luvreling und zog sich das an den Rippen klebende Hemd ein Stückchen aus dem Hosenbund.»Wenig oder nichts. Er stammt aus Nordafrika — aus Marokko oder von der Barbareskenküste, heißt es. Die Spanier schnappten ihn, und er kam als Sklave auf eine ihrer Galeeren. Er konnte fliehen, wurde aber wieder gefaßt.»
Herrick stieß einen leisen Pfiff aus.»Da wird er bei den Dons einiges mitgemacht haben.»
Bolitho mußte plötzlich an den ältlichen Oberst Pastor und seine unerfüllbare Mission denken.»Sie schnitten ihm eine Hand und ein Ohr ab und setzten ihn an irgendeiner wüsten Küste aus.»
Herrick schüttelte den Kopf.»Und doch gelangte er irgendwie bis nach Indien und kann jetzt seinen ehemaligen Herren Angst einjagen.»
«Und jedem anderen«, ergänzte Bolitho unbewegt,»der sich zwischen ihn und sein Ziel stellt — was das auch sein mag.»
Da fuhren sie beide herum und blickten nach oben, denn Keen schrie:»An Deck! Der Kutter hat signalisiert, Sir! Mr. Davy segelt nach Norden.»
Bolitho griff nach einem Fernglas.»Natürlich. Das hätte ich wissen müssen. «Er richtete das Glas erst auf den Kutter und dann jenseits von diesem auf das sanft abfallende Vorgebirge. Winzige Inseln, zerbröckelnde Klippen und Felsen, und überall das ungebrochene Grün des Urwalds. Jedes kleine Fahrzeug konnte sich da hindurchwinden, genauso wie Davys Kutter es eben tat.
Herrick hieb eine Faust in die andere Handfläche.»Wir haben sie, bei Gott!»
Knapp befahl Bolitho:»Wir bleiben zunächst auf diesem Kurs. Heißen Sie das Rückkehrsignal für Mr. Davy, und lassen Sie auf Gefechtsstationen trommeln. «Er lächelte, vielleicht bloß, um die Spannung etwas zu lockern.»Vielleicht schaffen Sie es diesmal in zehn Minuten?»
Herrick wartete, bis Keen an einer Pardune heruntergerutscht kam und wieder bei seinen Signalgasten stand. Dann rief er:»Alle Mann an Deck! Klar Schiff zum Gefecht!»
Ein einsamer Trommeljunge tat sein Bestes und ließ die Schlegel im Doppeltakt zum Signal wirbeln, und schon kamen die Männer aus den Niedergängen an Deck gerannt und stürzten sich an die Grätings.
«Damit könnten wir sie verjagen, Sir«, warf Mudge ein, der beim Rudergänger stand. Seine Kiefer malmten auf einem Stück Fleisch oder auf einem Priem.
«Ich glaube kaum«, erwiderte Bolitho und beobachtete kritisch die Matrosen, die mit nacktem Oberkörper an die Geschütze rannten, die Persennings abwarfen und nach ihrem Gerät griffen. Die kleine Restabteilung Seesoldaten unter Führung eines Korporals marschierte über das Achterdeck; und ein paar andere enterten in den Vormast auf, wo ein Drehgeschütz montiert war.
Der Kutter hatte inzwischen gewendet. Die Segel waren niedergeholt, das Boot arbeitete sich nur mit der Kraft seiner Riemen durch die landeinwärts laufende Dünung.
«Die hatten es bestimmt nicht oft mit einer Fregatte zu tun«, fuhr Bolitho, zu Mudge gewandt, fort.»Ihr Anführer wird versuchen, das offene Meer zu erreichen und an uns vorbeizukommen, ehe er es riskiert, daß wir ihn blockieren oder eine Abteilung Seesoldaten in seinem Rücken landen. «Er faßte Mudge beim Arm.»Der Kerl wird schon nicht wissen, wie wenig wir von solchen Dingen verstehen — eh?»
Mudge verzog unwillig den Mund.»Ich kann nur hoffen, daß dieses Aas von Muljadi selbst der Anführer ist. Der braucht eine Lektion, und das bald!»