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Wir lachen.»Daran wird’s nicht fehlen, Kat, sonst requierierst du eben.«

Müller ist hungrig und gibt sich noch nicht zufrieden. Er schreckt Haie Westhus aus seinen Verprügelträumen.»Haie, was würdest du denn machen, wenn jetzt Frieden wäre?«

»Er müßte dir den Arsch vollhauen, weil du hier von so etwas überhaupt anfängst«, sage ich,»wie kommt das eigentlich?«

»Wie kommt Kuhscheiße aufs Dach?«antwortet Müller lakonisch und wendet sich wieder an Haie Westhus.

Es ist zu schwer auf einmal für Haie. Er wiegt seinen sommersprossigen Schädel:»Du meinst, wenn kein Krieg mehr ist?«

»Richtig. Du merkst auch alles.«

»Dann kämen doch wieder Weiber, nicht?«- Haie leckt sich das Maul.»Das auch.«

»Meine Fresse noch mal«, sagt Haie, und sein Gesicht taut auf,»dann würde ich mir so einen strammen Feger schnappen, so einen richtigen Küchendragoner, weißt du, mit ordentlich was dran zum Festhalten, und sofort nichts wie ‘rin in die Betten! Stell dir mal vor, richtige Federbetten mit Sprungmatratzen, Kinners, acht Tage lang würde ich keine Hose wieder anziehen.«

Alles schweigt. Das Bild ist zu wunderbar. Schauer laufen uns über die Haut. Endlich ermannt sich Müller und fragt:»Und danach?«

Pause. Dann erklärt Haie etwas verzwickt:»Wenn ich Unteroffizier wäre, würde ich erst noch bei den Preußen bleiben und kapitulieren.«»Haie, du hast glatt einen Vogel«, sage ich. Er fragt gemütlich zurück:»Hast du schon mal Torf gestochen? Probier’s mal.«

Damit zieht er seinen Löffel aus dem Stiefelschaft und langt damit in Alberts Eßnapf.

»Schlimmer als Schanzen in der Champagne kann’s auch nicht sein«, erwiderte ich.

Haie kaut und grinst:»Dauert aber länger. Kannst dich auch nicht drücken.«

»Aber, Mensch, zu Hause ist es doch besser, Haie.«»Teils, teils«, sagt er und versinkt mit offenem Munde in Grübelei.

Man kann auf seinen Zügen lesen, was er denkt. Da ist eine arme Moorkate, da ist schwere Arbeit in der Hitze der Heide vom frühen Morgen bis zum Abend, da ist spärlicher Lohn, da ist ein schmutziger Knechtsanzug -»Hast beim Kommiß in Frieden keine Sorgen«, teilt er mit,»jeden Tag ist dein Futter da, sonst machst du Krach, hast dein Bett, alle acht Tage reine Wäsche wie ein Kavalier, machst deinen Unteroffiziersdienst, hast dein schönes Zeug; – abends bist du ein freier Mann und gehst in die Kneipe.«

Haie ist außerordentlich stolz auf seine Idee. Er verliebt sich darin.»Und wenn du deine zwölf Jahre um hast, kriegst du deinen Versorgungsschein und wirst Landjäger. Den ganzen Tag kannst du Spazierengehen.«Er schwitzt jetzt vor Zukunft.»Stell dir vor, wie du dann traktiert wirst. Hier einen Kognak, da einen halben Liter. Mit einem Landjäger will doch jeder gutstehen.«»Du wirst ja nie Unteroffizier, Haie«, wirft Kat ein. Haie blickt ihn betroffen an und schweigt. In seinen Gedanken sind jetzt wohl die klaren Abende im Herbst, die Sonntage in der Heide, die Dorfglocken, die Nachmittage und Nächte mit den Mägden, die Buchweizenpfannkuchen mit den großen Speckaugen, die sorglos verschwatzten Stunden im Krug – Mit soviel Phantasie kann er so rasch nicht fertig werden; deshalb knurrt er nur erbost:»Was ihr immer für Blödsinn zusammenfragt.«

Er streift sein Hemd über den Kopf und knöpft den Waffenrock zu.

»Was würdest du machen, Tjaden?«ruft Kropp.

Tjaden kennt nur eins.»Aufpassen, daß mir Himmelstoß nicht durchgeht.«

Er möchte ihn wahrscheinlich am liebsten in einen Käfig sperren und jeden Morgen mit einem Knüppel über ihn herfallen. Zu Kropp schwärmt er:»An deiner Stelle würde ich sehen, daß ich Leutnant würde. Dann kannst du ihn schleifen, daß ihm das Wasser im Hintern kocht.«

»Und du, Detering?«forscht Müller weiter. Er ist der geborene Schulmeister mit seiner Fragerei.

Detering ist wortkarg. Aber auf dieses Thema gibt er Antwort. Er sieht in die Luft und sagt nur einen Satz:»Ich würde gerade noch zur Ernte zurechtkommen.«Damit steht er auf und geht weg.

Er macht sich Sorgen. Seine Frau muß den Hof bewirtschaften. Dabei haben sie ihm noch zwei Pferde weggeholt. Jeden Tag liest er die Zeitungen, die kommen, ob es in seiner oldenburgischen Ecke auch nicht regnet. Sie bringen das Heu sonst nicht fort.

In diesem Augenblick erscheint Himmelstoß. Er kommt direkt auf unsere Gruppe zu. Tjadens Gesicht wird fleckig. Er legt sich längelang ins Gras und schließt die Augen vor Aufregung.

Himmelstoß ist etwas unschlüssig, sein Gang wird langsamer. Dann marschiert er dennoch zu uns heran. Niemand macht Miene, sich zu erheben. Kropp sieht ihm interessiert entgegen.

Er steht jetzt vor uns und wartet. Da keiner etwas sagt, läßt er ein»Na?«vom Stapel.

Ein paar Sekunden verstreichen; Himmelstoß weiß sichtlich nicht, wie er sich benehmen soll. Am liebsten möchte er uns jetzt im Galopp schleifen. Immerhin scheint er schon gelernt zu haben, daß die Front kein Kasernenhof ist. Er versucht es abermals und wendet sich nicht mehr an alle, sondern an einen, er hofft, so leichter Antwort zu erhalten. Kropp ist ihm am nächsten. Ihn beehrt er deshalb.»Na, auch hier?«

Aber Albert ist sein Freund nicht. Er antwortet knapp:»Bißchen länger als Sie, denke ich.«Der rötliche Schnurrbart zittert.»Ihr kennt mich wohl nicht mehr, was?«Tjaden schlägt jetzt die Augen auf.»Doch.«

Himmelstoß wendet sich ihm zu:»Das ist doch Tjaden, nicht?«

Tjaden hebt den Kopf.

»Und weißt du, was du bist?«

Himmelstoß ist verblüfft.»Seit wann duzen wir uns denn? Wir haben doch nicht zusammen im Chausseegraben gelegen.«

Er weiß absolut nichts aus der Situation zu machen. Diese offene Feindseligkeit hat er nicht erwartet. Aber er hütet sich vorläufig; sicher hat ihm jemand den Unsinn von Schüssen in den Rücken vorgeschwätzt.

Tjaden wird auf die Frage nach dem Chausseegraben vor Wut sogar witzig.

»Nee, das warst du alleine.«

Jetzt kocht Himmelstoß auch. Tjaden kommt ihm jedoch eilig zuvor. Er muß seinen Spruch loswerden.»Was du bist, willst du wissen? Du bist ein Sauhund, das bist du! Das wollt’ ich dir schon lange mal sagen.«Die Genugtuung vieler Monate leuchtet ihm aus den blanken Schweinsaugen, als er den Sauhund hinausschmettert.

Auch Himmelstoß ist nun entfesselt:»Was willst du Mistköter, du dreckiger Torfdeubel? Stehen Sie auf, Knochen zusammen, wenn ein Vorgesetzter mit Ihnen spricht!«

Tjaden winkt großartig.»Sie können rühren, Himmelstoß. Wegtreten.«

Himmelstoß ist ein tobendes Exerzierreglement. Der Kaiser könnte nicht beleidigter sein. Er heult:»Tjaden, ich befehle Ihnen dienstlich: Stehen Sie auf!«

»Sonst noch was?«fragt Tjaden.

»Wollen Sie meinem Befehl Folge leisten oder nicht?«

Tjaden erwidert gelassen und abschließend, ohne es zu wissen, mit dem bekanntesten Klassikerzitat. Gleichzeitig lüftet er seine Kehrseite.

Himmelstoß stürmt davon:»Sie kommen vors Kriegsgericht!«

Wir sehen ihn in der Richtung zur Schreibstube verschwinden.

Haie und Tjaden sind ein gewaltiges Torfstechergebrüll. Haie lacht so, daß er sich die Kinnlade ausrenkt und mit offenem Maul plötzlich hilflos dasteht. Albert muß sie ihm mit einem Faustschlag erst wieder einsetzen.

Kat ist besorgt.»Wenn er dich meldet, wird’s böse.«»Meinst du, daß er es tut?«fragt Tjaden.»Bestimmt«, sage ich.

»Das mindeste, was du kriegst, sind fünf Tage Dicken«, erklärt Kat.

Das erschüttert Tjaden nicht.»Fünf Tage Kahn sind fünf Tage Ruhe.«

»Und wenn du auf Festung kommst?«forscht der gründlichere Müller.

»Dann ist der Krieg für mich so lange aus.«

Tjaden ist ein Sonntagskind. Für ihn gibt es keine Sorgen. Mit Haie und Leer zieht er ab, damit man ihn nicht in der ersten Aufregung findet.

* * *

Müller ist noch immer nicht zu Ende. Er nimmt sich wieder Kropp vor.»Albert, wenn du nun tatsächlich nach Hause kämst, was würdest du machen?«

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