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»Es ist doch nur ein Zufall, daß ich die paar Sachen habe, Robby.«

Ich schüttelte den Kopf.»Es ist kein Zufall. Und es sind auch nicht die Sachen. Es ist das, was dahintersteht. Die Sicherheit. Das verstehst du nicht. Das versteht nur jemand, der nicht mehr dazugehört.«

Sie sah mich an.»Du könntest es doch ebenso haben, wenn du wirklich wolltest.«

Ich nahm ihre Hand.»Ich will aber nicht, Pat, das ist es. Ich würde mir dann vorkommen wie ein Hochstapler. Unsereins lebt am besten immer auf Abbruch. Das ist man nun mal so gewöhnt. Es liegt in der Zeit.«

»Es ist auch sehr bequem.«

Ich lachte.»Vielleicht. Und nun gib mir etwas Tee. Ich möchte ihn mal probieren.«

»Nein«, sagte sie,»wir bleiben beim Kaffee. Aber iß noch etwas. Auch auf Abbruch.«

»Eine gute Idee. Aber rechnet Egbert, der leidenschaftliche Kuchenesser, nicht damit, daß noch etwas zurückkommt?«

»Vielleicht. Aber er soll auch mit der Rache der niederen Chargen rechnen. Das liegt ebenfalls in der Zeit. Iß ihm ruhig alles weg.«

Ihre Augen strahlten, und sie sah herrlich aus.»Du«, sagte ich,»weißt du, wo der Abbruch aber ohne Gnade aufhört?«

Sie antwortete nicht; aber sie sah mich an.

»Bei dir!«sagte ich.»Und jetzt ohne Reue an die Gewehre gegen Egbert!«

Ich hatte mittags nur eine Tasse Bouillon in der Chauffeurkneipe getrunken. Es war deshalb nicht besonders schwer, alles aufzuessen, was da war. Dazu trank ich, ermuntert von Pat, auch die ganze Kanne Kaffee leer.

Wir saßen am Fenster und rauchten. Der Abend stand rot über den Dächern.»Es ist schön bei dir, Pat«, sagte ich.»Ich könnte verstehen, daß man wochenlang keinen Schritt hinaustäte – bis man den ganzen Kram da draußen vergessen hätte.«

Sie lächelte.»Es gab eine Zeit, da konnte ich gar nicht erwarten, hier herauszukommen.«

»Wann denn?«

»Als ich krank war.«

»Das ist was anderes. Was hast du denn gehabt?«

»Nichts sehr Schlimmes. Ich mußte nur liegen. Ich war wohl zu schnell gewachsen und hatte zuwenig zu essen bekommen. Im Krieg und nach dem Krieg gab's ja nicht viel.«

Ich nickte.»Wie lange hast du denn gelegen?«

Sie zögerte einen Augenblick.»Ungefähr ein Jahr.«

»Das ist aber sehr lange.«Ich sah sie aufmerksam an.

»Es ist jetzt längst vorbei. Aber damals erschien es mir wie ein ganzes Leben. Du hast mir in der Bar einmal von deinem Freunde Valentin erzählt. Daß er nie vergessen konnte nach dem Kriege, welch ein Glück es sei, zu leben. Und daß ihm alles andere gleichgültig wurde darüber.«

»Das hast du gut behalten«, sagte ich.

»Weil ich es gut verstehe. Ich kann mich seit damals auch so leicht freuen. Ich glaube, ich bin sehr oberflächlich.«

»Oberflächlich sind nur Leute, die glauben, daß sie es nicht sind.«

»Ich bin es aber bestimmt. Ich habe nicht viel Verständnis für die großen Dinge des Lebens. Nur für die schönen. Dieser Flieder hier macht mich schon glücklich.«

»Das ist keine Oberflächlichkeit – das ist letzte Philosophie.«

»Bei mir nicht. Ich bin oberflächlich und leichtsinnig.«

»Ich auch.«

»Nicht so wie ich. Du hast vorhin etwas von Hochstapelei gesagt. Ich bin ein richtiger Hochstapler.«

»Das habe ich mir gedacht«, sagte ich.

»Ja. Ich müßte schon längst eine andere Wohnung und einen Beruf haben und Geld verdienen. Aber ich habe es immer wieder hinausgeschoben. Ich wollte einmal eine Zeitlang so leben, wie ich es mir dachte. Ganz gleich, ob es vernünftig war. Und das habe ich getan.«

Ich lachte.»Warum machst du denn so ein trotziges Gesicht dabei?«

»Weil jeder mir gesagt hat, es wäre grenzenlos leichtsinnig – ich solle mein bißchen Geld lieber sparen und mir Arbeit und Stellung suchen. Aber ich wollte einmal leicht und froh und nicht bedrückt sein und tun, was ich wollte. Es war nach dem Tode meiner Mutter und nachdem ich so lange gelegen hatte.«

»Hast du Geschwister?«fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf.

»Könnte ich mir auch nicht denken«, sagte ich.

»Findest du auch, daß ich leichtsinnig war?«

»Nein, mutig.«

»Ach, Mut – ich bin nicht sehr mutig. Ich habe manchmal Angst genug dabei gehabt. So wie jemand, der im Theater auf dem falschen Platz sitzt und sich doch nicht wegrührt.«

»Also warst du mutig«, sagte ich.»Mut hat man nur, wenn man auch Angst hat. Außerdem war es vernünftig. Du hättest dein Geld sonst nur verloren. So hast du wenigstens was davon gehabt. Was hast du denn gemacht?«

»Eigentlich nichts. Nur so für mich gelebt.«

»Alle Achtung! Das ist das Exklusivste, was es gibt.«

Sie lächelte.»Es ist jetzt bald vorbei damit. Ich werde nächstens anfangen zu arbeiten.«

»Was denn? War das etwa damals deine geschäftliche Besprechung mit Binding?«

Sie nickte.»Mit Binding und Doktor Max Matuscheit, Direktor der Elektro-Grammophonläden. Verkäuferin mit Musikkenntnissen.«

»Na«, sagte ich,»was anderes konnte dem Binding wohl nicht einfallen.«.

»Doch«, erwiderte sie,»aber das wollte ich nicht.«

»Das möchte ich ihm auch nicht raten. Wann soll das denn losgehen?«

»Am ersten August.«

»Na, bis dahin ist ja noch viel Zeit. Vielleicht finden wir da noch etwas anderes. Auf jeden Fall: unsere Kundschaft ist dir sicher.«

»Hast du denn ein Grammophon?«

»Nein, aber ich werde mir selbstverständlich sofort eins anschaffen. Vorläufig gefällt mir die Geschichte allerdings noch nicht.«

»Mir schon«, sagte sie.»Ich kann ja nichts Rechtes. Und so was ist alles viel einfacher für mich, seit du da bist. Aber ich hätte dir gar nichts davon erzählen sollen.«

»Doch. Du mußt mir immer alles erzählen.«

Sie sah mich einen Augenblick an.»Gut, Robby«, sagte sie. Dann stand sie auf und ging zu einem Schränkchen.»Weißt du, was ich hier habe? Rum für dich. Guten Rum, glaube ich.«

Sie stellte ein Glas auf den Tisch und sah mich erwartungsvoll an.

»Der Rum ist gut, das rieche ich schon von weitem«, sagte ich.»Aber eigentlich, Pat – solltest du nicht lieber ein bißchen sparen, jetzt? Um die Grammophonplatten noch etwas hinauszuschieben?«

»Nein«, erwiderte sie. -»Auch richtig«, sagte ich.

Der Rum war, das sah ich schon an der Farbe, Verschnitt. Der Händler hatte Pat bestimmt betrogen. Ich trank das Glas aus.»Höchste Klasse«, sagte ich,»gib mir noch einen.

Wo hast du ihn her?«

»Aus dem Geschäft an der Ecke.«

Aha, dachte ich, natürlich so ein verdammter Delikatessenladen. Ich nahm mir vor, gelegentlich mal 'reinzusehen und dem Mann Bescheid zu sagen.

»Jetzt muß ich wohl gehen, Pat, was?«fragte ich.

Sie sah mich an.»Noch nicht…«

Wir standen am Fenster. Unten flammten die Lichter auf.»Zeig mir einmal dein Schlafzimmer«, sagte ich.

Sie machte die Tür auf und knipste das Licht an. Ich blieb an der Tür stehen und sah hinein. Mir ging allerlei durch den Kopf.»Das ist also dein Bett, Pat…«, sagte ich schließlich.

Sie lächelte.»Wem soll es denn sonst gehören, Robby?«

»Wahrhaftig!«Ich blickte auf.»Und, da ist ja auch das Telefon. Nun weiß ich das auch. Jetzt werde ich gehen. Leb wohl, Pat.«

Sie legte ihre Hände um meine Schläfen. Es wäre wunderbar gewesen, jetzt dazubleiben, im hereinbrechenden Abend, dicht beieinander, unter der weichen, blauen Decke im Schlafzimmer – aber es war etwas da, was mich abhielt. Es war keine Hemmung, auch keine Angst und keine Vorsicht – es war einfach nur eine sehr große Zärtlichkeit, eine Zärtlichkeit, die das Begehren überschwemmte.

»Leb wohl, Pat«, sagte ich.»Es war schön bei dir. Viel schöner für mich, als du dir vielleicht denken kannst. Und das mit dem Rum – daß du daran gedacht hast…«

»Aber das war doch so einfach…«

»Für mich nicht. Bin es nicht so gewöhnt.«

Die Zalewskische Bude. Ich saß eine Weile herum. Es gefiel mir nicht, daß Pat Binding etwas verdanken sollte. Schließlich ging ich über den Korridor zu Erna Bönig.

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