Ich sah ihn mißtrauisch an. Was hatte er nur mit seiner Freundlichkeit vor? Oder dämpfte die Gegenwart seiner Frau seinen Kampfgeist? Ich beschloß, eine Pistole abzufeuern.»So ein Cadillac ist doch was anderes als ein Essex, nicht wahr, gnädige Frau? Der Junior von Meyer und Sohn fährt so ein Ding, aber ich möchte ihn nicht geschenkt haben, diesen grellroten, auffälligen Schlitten…«
Ich hörte Blumenthal schnauben und fuhr rasch fort:»Die Farbe hier kleidet Sie übrigens sehr gut, gnädige Frau – gedämpftes Kobaltblau zu Blond…«
Plötzlich sah ich Blumenthal wie einen ganzen Wald voll Affen grinsen.»Meyer und Sohn – tüchtig, tüchtig…«, stöhnte er.»Und jetzt auch noch Schmonzes – Schmonzes!«
Ich blickte ihn an. Ich traute meinen Augen nicht; das war echt! Sofort schlug ich weiter in dieselbe Kerbe.»Herr Blumenthal, gestatten Sie, daß ich etwas richtigstelle. Bei einer Frau sind Schmonzes nie Schmonzes. Es sind Komplimente, die in unserer Jammerzeit leider immer seltener werden. Die Frau ist kein Stahlmöbel; sie ist eine Blume – sie verlangt keine Sachlichkeit; sie verlangt die heitere Schmonzessonne. Besser, ihr jeden Tag etwas Hübsches zu sagen, als mit tierischem Ernst das ganze Leben für sie zu arbeiten. Ihnen gesagt. Ebenfalls im Vertrauen. Und dabei habe ich nicht einmal Schmonzes geredet, sondern ein physikalisches Grundgesetz herangezogen. Blau paßt gut zu Blond.«
»Gut gebrüllt, Löwe«, sagte Blumenthal strahlend.»Hören Sie, Herr Lohkamp! Ich weiß, daß ich Ihnen noch glatt tausend Mark abhandeln kann…«
Ich trat einen Schritt zurück. Tückischer Satan, dachte ich, das ist der erwartete Schlag. Ich sah mich bereits als Abstinent durchs Leben wandern und warf den Blick eines gemarterten Rehkitzes zu Frau Blumenthal hinüber.»Aber Vater…«, sagte sie.
»Laß mal, Mutter«, erwiderte er.»Also ich könnte es – aber ich tue es nicht. Es hat mir Spaß als Geschäftsmann gemacht, wie Sie gearbeitet haben. Noch etwas zu phantasievoll, aber immerhin – das mit Meyer und Sohn war schon gut. Haben Sie eine jüdische Mutter?«
»Nein.«
»Waren Sie mal in der Konfektion?«
»Ja.«
»Sehen Sie, daher der Stil. In was für 'ner Branche?«
»Seele«, erwiderte ich,»ich wollte mal Schulmeister werden.«
»Herr Lohkamp«, sagte Blumenthal.»Respekt! Wenn Sie mal ohne Stellung sind, rufen Sie bei mir an.«
Er schrieb einen Scheck aus und gab ihn mir. Ich traute meinen Augen nicht! Vorauszahlung! – ein Wunder!»Herr Blumenthal«, sagte ich überwältigt,»erlauben Sie mir, zu dem Wagen zwei kristallene Aschenbecher und eine erstklassige Gummifußmatte gratis dreinzugeben.«
»Schön«, meinte er,»da kriegt der alte Blumenthal auch mal was geschenkt.«Dann lud er mich für den nächsten Tag zum Abendessen ein. Frau Blumenthal lächelte mir mütterlich zu.
»Es gibt gefüllten Hecht«, sagte sie weich.
»Eine Delikatesse«, erklärte ich.»Dann bringe ich Ihnen gleich den Wagen mit. Morgen früh lassen wir ihn zu.«
Ich flog wie eine Schwalbe zurück zur Werkstatt. Aber Lenz und Köster waren zum Essen gegangen. Ich mußte meinen Triumph noch bezähmen. Nur Jupp war da.»Verkauft?«fragte er.
»Das möchtest du wohl wissen, du Strolch«, sagte ich.»Hier, da hast du einen Taler. Bau dir ein Flugzeug dafür.«
»Also verkauft«, grinste Jupp.
»Ich fahre jetzt zum Essen«, sagte ich,»aber wehe, wenn du den andern was sagst, bevor ich zurück bin.«
»Herr Lohkamp«, beteuerte er und wirbelte den Taler durch die Luft,»ich bin ein Grab.«
»So siehst du aus«, sagte ich und gab Gas.
Als ich auf den Hof zurückkam, machte Jupp mir ein Zeichen.»Was ist los?«fragte ich.»Hast du den Schnäbel nicht gehalten?«
»Herr Lohkamp! Wie Eisen!«Er grinste.»Nur – der Fordfritze ist drin.«
Ich ließ den Cadillac auf dem Hof stehen und ging in die Werkstatt. Der Bäckermeister war da und beugte sich gerade über ein Buch mit Farbproben. Er trug einen karierten Gürtelmantel mit breitem Trauerflor. Neben ihm stand eine hübsche Person mit hurtigen schwarzen Augen, einem offenen Mäntelchen mit verrupftem Kaninchenfellbesatz und zu kleinen Lackschuhen. Die schwarze Person war für leuchtendes Zinnober; aber der Bäcker hatte gegen Rot Bedenken, weil er doch in Trauer war. Er schlug ein fahles Gelbgrau vor.
»Ach was«, maulte die Schwarze,»ein Ford muß auffallend lackiert sein. Sonst sieht er nach nichts aus.«
Sie schickte verschwörerische Blicke nach uns aus, zuckte mit den Achseln, als der Bäcker sich bückte, verzog den Mund und blinzelte uns zu. Ein munteres Kind! Schließlich einigten sich beide auf Resedagrün. Das Mädchen wollte ein helles Verdeck dazu haben. Doch da wurde der Bäckermeister stark: Irgendwo sollte die Trauer herauskommen. Er setzte ein schwarzes Lederverdeck durch. Dabei machte er nebenbei noch ein Geschäft; denn er bekam das Verdeck ja gratis und Leder war teurer als Stoff.
Die beiden gingen. Aber auf dem Hof gab es noch einen Aufenthalt. Die Schwarze hatte den Cadillac kaum erblickt, als sie drauflos schoß.»Sieh mal, Puppi, das ist ein Wagen! Fabelhaft! Das lass' ich mir gefallen!«
Im nächsten Augenblick hatte sie die Tür schon offen und saß drin, schielend vor Begeisterung.»Das sind Sitze! Kolossal! Wie Klubsessel! Das ist was anderes als der Ford!«
»Na, komm schon«, sagte Puppi mißmutig.
Lenz stieß mich an – ich sollte in Aktion treten und versuchen, dem Bäcker den Wagen aufzuhängen. Ich sah Gottfried von oben herab an und schwieg. Er stieß stärker. Ich stieß zurück und drehte ihm den Rücken zu.
Mit Mühe bekam der Bäcker sein schwarzes Juwel endlich aus dem Wagen und zog etwas gekränkt und stark verärgert ab.
Wir sahen dem Paar nach.»Ein Mann von schnellen Entschlüssen!«sagte ich.»Reparierter Wagen – neue Frau – alle Achtung!«
»Na«, meinte Köster,»an der wird er noch Freude haben.«
Kaum waren die beiden um die Ecke, da blubberte Gottfried los.»Bist du denn ganz von Gott verlassen, Robby? Verpaßt so eine Gelegenheit! Das war doch ein Schulbeispiel, wie man anspringen muß!«
»Unteroffizier Lenz«, erwiderte ich,»nehmen Sie die Knochen zusammen, wenn Sie mit einem Vorgesetzten reden! Glauben Sie, ich bin ein Bigamist und verheirate den Wagen zweimal?«
Es war ein großer Moment, Gottfried dastehen zu sehen. Er machte Augen wie Teller.»Treib keinen Scherz mit heiligen Dingen«, stotterte er.
Ich beachtete ihn gar nicht, sondern wandte mich an Köster.»Otto, nimm Abschied von unserm Cadillac-Kinde! Es gehört nicht mehr uns. Es wird der Unterhosenbranche fortan Glanz verleihen! Hoffe, daß es ein gutes Leben dort haben wird! Nicht so heldisch wie bei uns – dafür aber sicherer.«
Ich zog den Scheck heraus. Lenz fiel beinahe auseinander.
»Doch nicht – was? Etwa – bezahlt?«flüsterte er heiser.
»Was dachten Sie Anfänger denn?«fragte ich und schwenkte den Scheck hin und her.»Ratet!«
»Vier!«rief Lenz mit geschlossenen Augen.
»Vierfünf«, sagte Köster.
»Fünf«, schrie Jupp von der Pumpe aus herüber.
»Fünffünf«, schmetterte ich.
Lenz riß mir den Scheck aus der Hand.»Unmöglich! Wird bestimmt ungedeckt sein!«
»Herr Lenz«, sagte ich mit Würde,»der Scheck ist so sicher, wie Sie unsicher sind! Mein Freund Blumenthal ist für die zwanzigfache Summe gut. Mein Freund, verstehen Sie, bei dem ich morgen abend gefüllten Hecht esse. Nehmen Sie sich ein Beispiel daran! Freundschaft schließen, Vorauszahlung bekommen und zum Abendbrot eingeladen werden: das heißt verkaufen! So, jetzt können Sie rühren!«
Gottfried faßte sich mit Mühe. Er versuchte ein letztes.»Mein Inserat und das Amulett!«
Ich schob ihm die Medaille hin.»Hier hast du deine Hundemarke wieder. Hab' sie ganz vergessen gehabt.«
»Du hast tadellos verkauft, Robby«, sagte Köster.»Gottlob, daß wir den Schlitten los sind. Können den Zaster verdammt gut gebrauchen.«
»Gibst du mir fünfzig Mark Vorschuß?«fragte ich.