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Riley sagte: „Ein Deputy wurde getroffen –– fünf Mal, wenn ich mich richtig erinnere.“

„Unglaublich, aber er überlebte es“, sagte Crivaro.

„Die Räuber bekamen es hin, zu ihrem Fluchtfahrzeug zu gelangen“, fuhr Riley fort. „Dann lieferten sie sich mit den Cops eine wilde Verfolgungsjagd. Die Räuber schossen auf die Polizeiautos, bewarfen sie sogar mit selbstgemachten Bomben. Alle möglichen Transportmittel wurden beschädigt, inklusive eines Polizeihubschraubers. Die Räuber schafften es, die Polizei für eine Weile abzuhängen.“

Crivaro grunzte leicht.

„Ja, das war der Moment, an dem das FBI eingeschaltet wurde –– mich mit eingeschlossen“, sagte er. „Früh am nächsten Morgen hatte eins unserer Teams die Gang irgendwo in einem nahegelegenen Wald aufgespürt, doch es stellte sich als Falle heraus. Wir wurden mit einem Kugelhagel begrüßt. Unser Team Chief, Val Davidson, war sofort tot.“

Crivaro schauderte und sagte: „Er wurde von einer Kugel aus einem Sturmgewehr getroffen. Hat fast seinen gesamten Schädel weggeblasen. Ich hatte sowas noch nie erlebt.“

Einen Moment lang schwieg er und sein Blick kehrte ins Innere.

Dann sagte er: „Wir alle erwiderten das Feuer, auch ich, obwohl wir unsere Angreifer kaum richtig zu sehen bekamen in diesem Wald. Die Schüsse schienen von überall und gleichzeitig aus dem Nichts zu kommen. Ich habe aber den allerletzten Schuss gefeuert. Einen Bruchteil einer Sekunde nachdem ich geschossen hatte, hörte ich einen Aufschrei aus dem Wald. Dann war die Schießerei zu Ende und alles wurde still.“

Crivaro schlurfte nervös mit den Füßen über den Boden.

Er sagte: „Dann kamen uns fünf der Räuber mit erhobenen Händen entgegen. Sie stellten sich! Ich und ein weiterer Kerl gingen in den Wald hinein, um herauszufinden, was vor sich ging. Wir fanden Wallace Combs, den Anführer der Bande, tot auf dem Boden liegen. Erschossen, mit einer Kugel mitten in die Brust. Der Rest der Gang erzählte uns daraufhin, dass Combs sie überzeugt hatte bis zum Tode zu kämpfen. Doch wie sich herausstellte, konnten sie ohne ihn nicht weitermachen.“

Crivaro schielte, so als ob er erneut mit dem Unglaublichen kämpfte.

„Ich hatte ihn getötet“, sagte er. „Aber ich hatte ihn nicht einmal gesehen. Ich habe einfach in den Wald hineingeschossen. Es war der glücklichste verdammte Zufall auf der Welt.“

Crivaro verstummte für einen Moment.

„Ich kann nicht sagen, dass ich mich jemals schuldig dafür gefühlt hatte“, sagte er, „aber es hat mich verändert. Es hat mich härter gemacht, nehme ich an. Teilweise war das, weil ich meinen Chief hatte so sterben sehen. Seit diesem Zeitpunkt hatte ich nie ein Problem damit, meine Waffe einzusetzen.“

Dann schaute er Riley direkt in die Augen.

Er sagte: „Es ist für jedermann eine andere Erfahrung –– dieses erste Töten, meine ich. Was mir damals wiederfahren ist –– naja, es ist etwas ganz anderes, als das, was dir gestern wiederfahren ist. Ich habe den Mann, den ich erschossen hatte, nicht gesehen, bis er tot war. Es hat sich nicht so persönlich angefühlt, so... naja, ich habe keine wirkliche Ahnung, wie es sich für dich anfühlt.“

Bei diesem Worten zuckte Riley zusammen.

Einen Augenblick lang sah sie wieder dieses unschuldige junge Gesicht mit toten Augen in den Schneefall hinaufstarren. So gut es ihr auch getan hatte vorhin mit Frankie darüber zu sprechen, wusste Riley, dass sie immer noch mit vielem zu kämpfen hatte.

Und es wird seine Zeit brauchen, dachte sie.

Crivaro tätschelte ihre Schulter.

„Na, willst du darüber sprechen?“, sagte er.

Riley dachte einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf.

„Das ist vielleicht auch besser so“, sagte Crivaro. „Ich bin nicht der Typ, der dir da weiterhelfen kann. Ich habe nicht das richtige Feingefühl. Du musst wirklich mit einem Therapeuten sprechen, genau wie Lehl dich angewiesen hat. Versprich mir, dass du einen Termin ausmachst, sobald wir wieder in Quantico gelandet sind.“

„Ich verspreche es“, sagte Riley.

Doch sie spürte eine akute Angst, als sie diese Worte sagte.

Sie fragte sich, wie sie über diese schrecklichen Dinge mit einem Unbekannten sprechen sollte. Wie sollte ihr das helfen?

Und wieso geht es überhaupt irgendjemanden etwas an?

Kann ich mich da nicht irgendwie rauswinden?

Doch natürlich wusste sie, dass sie es nicht konnte. Ein Befehl war ein Befehl, und ein Versprechen ein Versprechen.

Und überhaupt, sie und Crivaro waren kurz davor einem möglichen Serienmörder nachzujagen.

Ich habe wahrscheinlich schlimmere Dinge vor mir, als einen Arztbesuch, dachte sie sich mit einem bitteren Lächeln.

KAPITEL SECHS

Der große, grimmige Mann, der Riley und Crivaro erwartete, als sie aus dem Flieger stiegen, machte überhaupt keinen herzlichen Eindruck. Riley nahm an, dass es sich um Sheriff Quayle handeln musste, der eigentlich ihre Hilfe angefordert hatte. Doch er stand bloß da auf der Landebahn mit verschränkten Armen und einem wütenden Ausdruck im Gesicht. Er schaute so drein, als würde er finden, dass Riley und Crivaro bereits etwas getan hatten, dass ihm nicht gefiel.

Findet er, wir sind spät dran, oder so? fragte Riley sich.

Sie fand, dass sie hier so schnell eingetroffen waren, wie man es von ihnen vernünftigerweise erwarten konnte.

Riley und Crivaro holten ihre Dienstmarken zum Vorschein und stellten sich vor. Quayle machte keine Anstände dasselbe zu tun.

„Kommen Sie“, sagte er unwirsch. „Ich fahre Sie dort hin.“

Riley konnte nur annehmen, dass „dort“ den Tatort meinte.

Ein Mann weniger Worte, dachte Riley sich.

Sie und Crivaro folgten ihm durch den kleinen Flughafenterminal, dann hinaus auf den Parkplatz. Das Wetter war ähnlich wie das in Virginia –– kalt, aber nicht zu sehr. Nicht wie es im Staat New York gewesen war. Doch es lag Schnee und es war kalt genug, dass Riley froh war sich warm angezogen zu haben.

Riley, Crivaro und Quayle stiegen in einen Polizeiwagen, der mit „Raffel County Sheriff“ beschriftet war.

Als er den Parkplatz verließ, grummelte Quayle leise: „Was für ein Tag, an dem wir Leute wie Sie in unserer Gegend brauchen.“

Riley warf Crivaro einen fragenden Blick zu.

„Wieso mag er uns nicht?“, flüsterte sie kaum hörbar.

Schließlich, wie Crivaro ihr im Flugzeug erzählt hatte, hatte Quayle höchstpersönlich eine Ermittlung seitens des FBI angefragt, und sogar explizit nach der Hilfe von Verhaltensanalyseagenten verlangt. Crivaro lächelte leicht und zuckte mit den Schultern, so als würde er ihr sagen wollen, dass er es ihr später erklären würde.

Dann sagte Crivaro zu Quayle: „Was können Sie uns zu den Morden sagen?“

„Nicht viel –– noch nicht“, sagte Quayle. „Deshalb sind sie hier.“

„Kannten die Opfer einander?“, fragte Crivaro.

„Nicht, dass ihre Eltern wüssten“, sagte Quayle. „Es ist möglich, nehme ich an. Es sind nur zehn Minuten mit dem Auto von Dalhart zu Brattdale, einige Leute besuchen einander. Doch normalerweise bleiben die Leute in Dalhart hier und unter sich. Ein bisschen autark, könnte man sagen.“

„Was können Sie mir über das Opfer aus diesem Ort erzählen?“, fragte Crivaro.

Quayle seufzte bitter.

„Kimberly Dent war ein gutes Mädchen“, sagte er. „Eine wirklich nette Kleine. Ich kannte sie seit ihrer Geburt. Ich bin mit beiden ihrer Eltern zur Schule gegangen, Phil und Claudia –– sie waren quasi seit ihrer Kindheit zusammen. Gute Leute. Niemand hat je irgendetwas gegen sie gehabt. Dann wiederum gibt es nichts als gute Leute in dieser Gegend. Wir haben keine Probleme wie die, an die Leute wie Sie gewohnt sind.“

Riley wusste nicht genau, wen oder was Sheriff Quayle mit „Leute wie Sie“ meinte, aber sie bemerkte eine herabsetzende Note in seiner Stimme, als er diese Worte sagte.

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